Athelas

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Mit schwerem Herzen wendete Lyrann sich vom davon fahrenden Boot ab. Sie verstand Thorin nicht mehr. Er war viel reizbarer als sonst und so übellaunig. Warum hatte er einfach nicht verstanden, dass sie sich schwer tat, Kili hier zurück zu lassen? Wut wallte in ihr auf. Er hätte ja wenigstens mit ihr anständig darüber reden können! Das hatten sie in der letzten Zeit ja auch immer wieder getan. Stattdessen war er gleich gekränkt gewesen! Lyrann verstand nur nicht warum. Doch trotz der Wut, die sie auf den Zwerg verspürte, bemerkte sie, wie Trauer und Enttäuschung in ihr hoch kam.

Als ihr Blick auf Kili fiel, waren all ihre Gedanken weg gewischt. Der Zwerg saß blass und fahrig zitternd auf der Mauer. Schweiß bedeckte sein Gesicht und auch seine Kleidung war mittlerweile durchnässt. Schnell trat Lyrann auf ihn zu und griff nach seiner Hand. „Kili!", rief sie besorgt. Doch sein Blick schien durch sie hindurch zu gehen. Oin neben ihr tastete nach Kilis Puls. „Wir müssen jemanden finden, der uns hilft.", sagte er, „Hier draußen kann ich nichts für ihn tun." „Warum bist du hier geblieben?", fragte Fili da leise, während er Kili aufhalf, „Du hättest mit den anderen gehen können." Lyrann sah ihn an. „Ich konnte euch nicht zurück lassen, ihr seid meine Freunde.", erklärte sie. Das sie sich jetzt begann, Sorgen um die anderen zu machen, verschwieg sie. Aber Kili brauchte dringender Hilfe.

„Hey!" Bofurs Stimme drang zu ihnen hinüber. Sie drehten sich um und sahen, wie sich der Zwerg mit der seltsamen Mütze zu ihnen durch schob. „Habt ihr auch das Boot verpasst?", fragte er arglos, als er bei ihnen war. „Kili.....", setzte Lyrann noch an. Doch in dem Moment stürzte Kili zu Boden. „Schnell!", rief Oin, jetzt schon drängend, „Wir haben nicht mehr viel Zeit!" „Zurück zum Rathaus!", sagte Lyrann.

Sie und Oin liefen voraus und bahnten ihnen einen Weg durch die Menge. Fili und Bofur stützten den vollkommen entkräfteten Kili. Verwundert sahen die Menschen auf sie hinab. Doch die kleine Gruppe kümmerte sich nicht um die Umstehenden. So schnell sie konnten eilten sie durch die Gänge und an den eisbedeckten Kanälen vorbei. Bald hatten sie das Rathaus erreicht. Lyrann lief über den Vorplatz und hastete die Stufen hoch. Sofort begann sie, gegen das Tor zu hämmern. „Macht auf!", rief sie, „Wir brauchen Hilfe! Macht auf!"

Es dauerte viel zu lange, bis die Tür endlich geöffnet wurde. Alfrid, der Berater des Bürgermeisters, öffnete ihnen die Tür. Griesgrämig sah er auf sie hinab. Dann setzte er ein dünnes Lächeln auf und lehnte sich an die Tür. „Was wollt ihr? Warum seid ihr nicht mit den anderen aus der Stadt verschwunden?", fragte er herablassend. „Unser Freund ist krank!", sagte Lyrann und deutete auf Kili. Alfrids Blick wanderte gelangweilt zu Kili hinüber. In der Halbelbin kochte es bereits vor Zorn. Warum dauerte das hier so lange? Kili brauchte Hilfe und zwar schnell! Doch Alfrid schien die Situation zu genießen.

„Wir sind kein Krankenhaus....", sagte er gedehnt, „Versucht euer Glück woanders." Er trat wieder zurück. Eben wollte er die Tür schließen, da sprang Lyrann mit einem Messer in der Hand auf ihn zu. Sie war um einiges kleiner als er, aber sie drückte ihm das Messer an die Kehle. „Lyrann!", rief Bofur erschrocken. Doch sie ließ nicht locker. Erst hatte sie Streit mit Thorin, jetzt genoss dieser Mensch ihre Hilflosigkeit? So würde das nicht weiter gehen. „Du wirst uns einlassen, sonst ergeht es dir schlecht!", fauchte sie.

Alfrids Blick huschte umher und Lyrann hörte Schritte auf sich zukommen. „Lass ihn los!", hörte sie eine Stimme hinter sich. Eine schwere Hand legte sich auf ihre Schulter. Rasch wich Lyrann zurück. Neben ihnen stand eine Gruppe Soldaten. Alfrid hielt sich den Hals. „Weil der Bürgermeister so eine hohe Meinung von euch hat, werde ich von einer Strafe absehen.", erklärte er mit gefährlich leiser Stimme, „Aber verschwindet von hier! Lasst euch hier nicht noch einmal blicken!"

„Und was jetzt?", fragte Fili nervös, als sie ein paar Häuserblocks weiter waren. „Bard?", fragte Bofur. „Wir haben ihm schon genug Scherereien gemacht.", warf Kili zittrig ein. Lyrann schüttelte den Kopf. „Bard ist eine gute Idee, Bofur.", bestätigte sie. Wenig später klopften sie laut an der Tür des Bogenschützen. Bard öffnete. Wut zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. „Nein!", knurrte er, „Ich habe bereits genug von Zwergen!" „Bitte!", sagte Bofur da, „Helft uns! Keiner will uns helfen. Kili ist krank!" Bard sah kurz auf Kili und ließ sie dann widerwillig eintreten.

BastardkindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt