In Thranduils Palast

2K 103 27
                                    

Die Elben hatten die Zwerge zu einer Gruppe zusammen getrieben. Nun gingen sie von den Elben umringt durch den Wald. Keiner der Gefährten sprach ein Wort. Lyrann sah zu dem blonden Elben, der die Gruppe anführte. Thorins Schwert Orcrist trug er nun auf dem Rücken. Ihre restlichen Waffen trugen drei Elben zu Lyranns rechter Seite. Doch ohne ihre Waffen konnten sie keinen Fluchtversuch wagen. Und wohin hätten sie auch fliehen sollen? Obwohl Lyrann sich immer wieder umsah, hatte sie nach wie vor keinerlei Ahnung, wo im Wald sie waren. Sie hatte jegliche Orientierung verloren.

Erneut sah sie sich verstohlen nach Bilbo um. Unter den Gefangenen war er nicht. Irgendwie musste er es geschafft haben, davon zu schlüpfen. Lyrann hoffte das Beste für den Hobbit. Vielleicht schaffte er es sogar, ihnen zu folgen und konnte ihnen irgendwie helfen. Voller Dankbarkeit dachte sie daran, wie er sie vor den Spinnen gerettet hatte. Doch wohin sie auch blickte, sie konnte den Hobbit nirgendwo in dem Wald erspähen.

Ihr Blick wanderte hin und her. Die Elben führten sie zielstrebig durch den dämmrigen Wald. Sie konnte keinerlei Veränderung in ihrer Umgebung fest stellen. Doch nach einiger Zeit spürte sie etwas. Die Magie, die sie die ganze Zeit über untergründig wahr genommen hatte und die den Zwergen und Bilbo so zu schaffen gemacht hatte, ließ langsam nach. Es war, als würde eine Kälte und Schwere von ihrem Herz weichen. Ganz allmählich fühlte Lyrann sich leichter und wärmer. Sie konnte sich noch gut erinnern, wie heftig sie diese Magie getroffen hatte, als sie den Wald betreten hatte. Wie sehr sie hatte kämpfen müssen, um nicht wie die Zwerge langsamer und träger zu werden. Nun ließ das beklemmende Gefühl nach. Lyrann sah zu ihren Gefährten. Spürten auch sie die Veränderung? Aber sie bezweifelte es. Zwerge hatten kein gutes Verständnis für Magie.

Lyranns Blick blieb an der rothaarigen Kriegerin hängen, die wenig zuvor mit Kili gesprochen hatte. Die Frau bewegte sich wie die anderen Elben mit katzenhafter Anmut. Ihre wachsamen Augen flogen über die Gruppe Gefangener. Dabei trafen ihre grünen Augen kurz Lyranns braune. Schon wieder beschlich Lyrann das leise Gefühl des Wiedererkennens. Aber nach wie vor konnte sie das Gesicht der Elbin nicht einordnen.

Ein leises Rauschen ließ Lyrann aufhorchen. Sie betraten eine große Lichtung über die ein breiter, rauschender Fluss floss. Die Elben und ihre Gefangenen gingen darauf zu. Als sie näher kamen, erkannte Lyrann eine Brücke, die sich über den Fluss spannte. Dahinter erhob sich, gut getarnt zwischen den Bäumen, eine Mauer. Die Mauer war immer nur teilweise zwischen den Bäumen und Pflanzen zu erkennen. Lyrann erkannte nur, dass sie sehr dick sein musste. Ihre wahren Ausmaße konnte sie aber wahrlich nicht erkennen.

Dort, wo die Brücke auf die Mauer traf, befand sich ein großes Tor. Dieses wurde nun, als sie sich näherten, geöffnet. Misstrauisch von den Wachen am Tor beäugt, betraten sie den Palast Thranduils, das Herz des Waldlandreiches. Die Elben führten sie einen langen Gang entlang, bis der Gang sich zu einer riesigen Halle öffnete. Die Halle war riesig. Gigantische Säulen trugen die Decke. Unter der Decke hingen hunderte Lichter, die alles in geheimnisvolles Licht tauchten. Überall an den steinernen Wänden und Säulen erkannte Lyrann reiche Verzierungen im Stein. Tiere und Pflanzen waren detailgetreu darauf nachgebildet. An manchen Stellen der Halle wanden sich Treppen in die Höhe und führten zu Gängen, die hoch über ihnen in die Halle mündeten.

Voll Staunen sah Lyrann sich um. Trotz ihrer misslichen Lage konnte sie nicht umhin, die Erbauer dieses Palastes zu bewundern. Sie fühlte sich ein wenig an ihre alte Heimat Imladris erinnert. Ja, hier lebten Elben. Das war nicht zu übersehen. Sie war traurig, dass sie diesen Ort als Gefangene betrat. Sonst hätte sie sich hier sicher wohl gefühlt. Es hätte gut getan, wieder unter Elben zu sein.

Als sie sich dem Ende der Halle näherten, fiel Lyranns Blick auf einen Podest vor ihnen. Dort, auf einem eleganten Thron aus Holz saß der Herrscher des Waldes, Thranduil. Auf seinem Kopf saß der silberne Haarreif des Königs. Sein weißblondes Haar umrahmte sein edles, feingeschnittenes Gesicht und floss über seine Schultern. Ruhig blickte er ihnen entgegen. Aus seinen Augen sprachen Erfahrung und das Alter von Jahrtausenden. Sie wurden die Treppe hinauf vor seinen Thron geführt. Langsam, als hätte er alle Zeit der Welt, erhob sich der König. Seine Roben wogten um ihn herum und raschelten leise über den Boden, als er auf sie zu schritt. Mit hoch erhobenem Kopf sah er auf die Gruppe Zwerge hinab.

BastardkindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt