Schmerz und Hoffnung

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Jemand schrie. Allen, die es hörten, ging der Schrei durch Mark und Bein. Es war ein Schrei voller Angst und Trauer.

Lyrann fiel vor Thorin auf die Knie. Heiße Tränen strömten über ihr Gesicht. Schluchzend kniete sie vor Thorin. Er durfte nicht tot sein! Mit fahrigen Händen strich sie über sein Gesicht, seine Haare, seinen Bart. Sie war geschockt. Es dauerte einige Zeit, bis ihr auffiel, dass sie es war, die immer wieder gequält aufschrie. „Thorin!", rief sie verzweifelt. Was sollte sie nur tun? Ihr Verstand arbeitete nicht mehr. „Hilfe!", schrie sie schließlich. Eiskaltes Entsetzten lähmte sie.

Da begannen Thorins Augenlider zu flattern. „Thorin!", rief sie erneut. Sie berührte sein Gesicht, während Thorin langsam die Augen öffnete. Glück durchströmte Lyrann. Er war nicht tot. Es dauerte einen Moment, bis Thorins blaue Augen es schafften, sie zu fixieren. „Lyrann....", flüsterte Thorin rau. Seine Stimme klang schwach. Er schien starke Schmerzen zu haben. „Wie geht es dir?", murmelte er, „Bist du verletzt?" „Shhhh...", machte Lyrann, „Nicht reden, Thorin! Du musst deine Kräfte schonen."

Langsam nahm ihr Verstand seine Arbeit wieder auf. Sie musste nach Thorins Verletzung sehen..... Aber der Zwerg hörte nicht auf sie. „Wie geht es dir?", fragte er erneut. Ein merkwürdiges Geräusch entfuhr Lyrann, halb Schluchzen, halb Lachen. Das war typisch für ihn.... „Du bist derjenige, der hier verwundet am Boden liegt und du fragst mich, wie es mir geht?", erwiderte sie und sah ihn an. Sein Blick wurde warm und zärtlich. „Ja.....", hauchte er schwach. Sie lächelte kurz. „Mir geht es gut.", beantwortete sie seine Frage.

Geschwächt ließ Thorin den Kopf sinken. Sofort breitete sich wieder Panik in Lyrann aus. Hastig schob sie seinen Mantel beiseite. Dann knöpfte sie seine West auf und schob die Tunika hoch. Im ersten Moment war sie erleichtert. Azogs Klinge hatte Thorins Unterleib oberhalb der rechten Hüfte durchbohrt. Seine Lunge konnte nicht getroffen worden sein. Aber als sie sah, wie bei jedem Atemzug Blut aus der Wunde sprudelte, wurde ihr ganz klamm vor Entsetzten. Mit zitternden Händen zerriss sie Thorins Tunika und drückte den Stoff auf die Wunde. Innerhalb kürzester Zeit waren der Stoff und ihr Hände blutrot.

„Wir müssen dich hier weg bringen.....", sagte Lyrann zu dem Zwerg. „Hier ist es zu kalt.... Du brauchst Hilfe...." Es hatte wieder begonnen zu schneien. Doch Thorin antwortete nicht. „Thorin?", fragte Lyrann mit zittriger Stimme. Sie hob den Blick. Der Zwerg antwortete nicht. Mit geschlossenen Augen lag er da. „Nein.....", flüsterte Lyrann. „Nein.... Nein!" Ihr Flüstern wurde zu einem heiseren Schrei. „Nein! Thorin!" Ihr ganzer Körper wurde kalt. Ihr Herz schien vor Schmerz zu verkrampfen. Mit einem lauten Schrei warf sie sich über ihn. Sie schlang ihre Arme um den Zwerg und liebkoste sein Gesicht. Das durfte nicht sein! „Thorin!", schrie sie panisch.

„Lyrann!" Weinend lag Lyrann an Thorins Seite, das Gesicht in seinem Haar vergraben. „Lyrann!" Irgendjemand redete mit ihr. Aber das war ihr egal. „Lyrann! Er atmet noch!" Eine Hand berührte sie an der Schulter. Sie schreckte hoch. Bilbo saß auf Thorins anderer Seite. Er war leichenblass und sah geschockt aus. Aber seine Hand lag auf Thorins Brust. „Er lebt....", sagte er mit ruhiger Stimme. „Wir müssen Hilfe holen.... Sein Atem ist ganz schwach.", fuhr der Hobbit fort. Lyrann sah ihn an. Hilfe..... Wen sollte sie nur holen? „Lyrann!" Bilbos Stimme drang wie von ganz weit weg zu ihr durch. „Gandalf!", sagte er, „Ich gehe Gandalf suchen und du bleibst bei Thorin, ja?"

Noch immer schluchzend nickte Lyrann. Bilbo sprang auf und rannte davon, laut nach dem Zauberer rufend. Langsam richtete sie sich auf und zog Thorins Kopf auf ihren Schoß. Sanft streichelte sie seine Stirn und redete auf ihn ein. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, die sie dort saß und beobachtete, wie Thorins Atem flacher und schwächer wurde. Nur mühsam bekämpfte sie die Panik, die sie erneut zu überwältigen drohte. Da hörte sie Stimmen. „Beeil dich Gandalf! Er ist sehr schwach!" Lyrann riss den Kopf hoch. Da kamen Gandalf und Bilbo herbei geeilt. Hinter ihnen sah sie einige der Zwerge auf sie zukommen. Aber die waren ihr egal. Nur noch Thorin zählte. Er durfte nicht sterben! Sie konnte ihn nicht verlieren!

BastardkindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt