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„Guten Morgen", platzt Tabea rein. „Wann kann ich gehen?", frage ich. „Junge Dame, du wurdest gestern operiert. Zeig erstmal, ob du richtig laufen kannst", sagt sie skeptisch. Ich springe aus dem Bett und laufe durch den Raum. „Okay, das klappt besser als gedacht", sagt sie überrascht. Plötzlich öffnet sich die Tür und meine Mutter kommt herein. „Mama", sage ich glücklich und springe sie an. „Vorsichtig, damit du dir nicht wehtust", sagt Charlotte und umarmt mich. Ich stehe grinsend vor ihr. „Tabsi, du kannst sie doch heute schon entlassen, oder?", fragt meine Mutter. „Von mir aus. Komm her, ich ziehe dir den Zugang", murmelt sie und entfernt diesen, ehe sie geht. „Endlich", sage ich. „Dann mach dich fertig", sagt sie und setzt sich hin. Ich husche ins Bad und mache mich frisch. Dann hole ich meine Sachen und stehe kurze Zeit später fertig vor meiner Mutter. „Ging ja schnell. Dann lass uns fahren", sagt sie und erhebt sich. „Du fährst, ich sitze daneben", sage ich. „Stimmt. Habe ich dir eigentlich schon gesagt, wie unglaublich glücklich du mich machst, wenn du mich als deine Mutter betitelst?", fragt sie. „Ne, aber ich bin froh, dass ich dich endlich gefunden habe", sage ich. „Ich bin auch froh, dass ich dich gefunden habe", sagt Charlotte. „So, lass uns gehen. Tabea bringt später deine Berichte mit", sagt meine Mutter. Wir verlassen die Klinik und fahren los.

Mit jedem Meter, den wir fahren, werde ich nervöser. Wie werden sie wohl auf mich reagieren? Sind sie freundlich? Werden sie mich mögen? „Hey, was ist denn los?", fragt Charlotte. „Nichts, ich bin nur ein bisschen nervös", sage ich. „Weshalb denn?", fragt sie. „Ich frage mich eben, ob sie mich mögen werden. Von Tabea weiß ich es ja. Aber die Polizistin habe ich nur flüchtig kennengelernt und den Rest noch gar nicht", sage ich. „Mach dir keinen Kopf um das alles. Du wirst sie lieben und alles wird super", sagt Mama. „Bist du dir da sicher? Ich habe so ein komisches Gefühl", sage ich. „Das liegt sicher daran, dass du noch nichts gegessen hast. Das holen wir übrigens gleich nach", droht sie mir an. Na super, jetzt muss ich auch noch essen. Beruhigt mich ja ungemein. Ich starre den Rest der Fahrt aus dem Fenster. „Jamie, wir sind da", sagt Charlotte. Ich schnalle mich ab und steige aus. Gemeinsam gehen wir zum Haus. Meine Mutter schließt auf und lässt mich rein. Ich folge ihr. Wie gehen durch einen Flur ins Wohnzimmer. „Hallo, ich habe sie dabei", sagt Mama und tritt zur Seite. Drei Menschen starren mich interessiert an. Die eine kenne ich, es ist die Polizistin. „Hey, schön dich zu sehen", begrüßt diese mich. „Hallo", sage ich leise. „Und das sind Constanze und Miriam", sagt Charlotte. „Charlie, du hast uns nicht gesagt, wie hübsch und süß deine Tochter ist", sagt diese Miriam und lächelt mir strahlend zu. Ich schaue verlegen zum Boden. Uh, hübscher Boden. Dunkles Holz, oder so ähnlich. „Okay, dann zeige ich dir mal das Haus", sagt Hannah und springt auf. „Moment mal, sie hat doch noch gar nichts ...", will Charlotte einwenden, jedoch zieht Hannah mich sofort aus dem Raum.

„Oben ist dein Zimmer. Also hier unten ist ein Badezimmer, die Küche, ein Abstellraum und die Tür zum Keller. Oben sind unsere Zimmer. Und ganz oben ist ein Spieleraum, in dem auch ein paar Fitnessgeräte sind", erklärt Hannah mir und wir steigen die Treppen hoch. Sie zeigt mir mein Zimmer und ich bin kurz davor, vor Freude einfach loszuheulen. Ich bin so gerührt, dass man mir ein eigenes Zimmer eingerichtet hat. „Gefällt es dir?", fragt Hannah. „Sehr", sage ich zufrieden. „Gut. Dann zeige ich dir noch das Spielzimmer oben", sagt sie und wir gehen noch einen Stock höher. „Wie geht es dir jetzt eigentlich?", fragt sie. „Gut, bis auf leichte Schmerzen", sage ich. „Okay. Wir haben hier ja ne Menge qualifiziertes Fachpersonal", scherzt sie. „Das ist eigentlich mein größtes Problem", murmele ich. „Oh, das wusste ich nicht. Mach dir keinen Kopf, wir bekommen das alles hin. Dann lass uns mal wieder nach unten gehen", sagt Hannah. Ich schaue mich nochmal um, dann folge ich ihr.

Unten angekommen sitzen die anderen wie die Hühner auf der Stange. „Hey, da seid ihr ja wieder. Jamie, was hältst du davon, wenn wir heute Nachmittag einkaufen fahren?", fragt Miriam. „Können wir machen", murmele ich. Dadurch, dass ich so abrupt „ausgezogen" bin, habe ich nichts dabei. „Können wir vielleicht noch ein paar meiner alten Sachen holen?", frage ich. „Sicher. Ich muss heute Nacht leider arbeiten und würde mich gerne vorher nochmal ausruhen", sagt meine Mutter. „Okay, dann mach das", sage ich. „Vorher wird etwas gegessen", sagt meine Mutter.

„Charlie, in einer Stunde gibt es schon Mittagessen, jetzt warte noch so lange", sagt Hannah. „Von mir aus", murmelt sie. Ich setze mich zu Hannah, da ich sie sehr sympathisch finde. „Erzählt doch mal was von euch", fordert Hannah ihre Kolleginnen und Mitbewohner auf. „Was denn? Dass wir allesamt in der KaS arbeiten? Unser alter?", fragt Miriam. „Wäre ein Anfang, ihr verrückten Hühner", lacht meine Mutter. „Mh, ich hätte jetzt Lust auf Hühnchen", sagt Hannah. „Okay, also was ist eine KaS?", frage ich interessiert nach. „Klinik am Südring", sagt Mama. „Ah, da war ich doch auch, oder?", frage ich nach. Alle nicken. „Und welche Stationen seid ihr?", frage ich. „Pädiatrische", antwortet Constanze. „Was ist das denn?", frage ich. „Kinder und Jugend", sagt sie lachend. „Aha, und du?", frage ich Mariam. „Internistische. Und frag mich bloß nicht, was das ist. Ich kann es nämlich nicht erklären", sagt sie. „Okay, ich frage nicht", sage ich kleinlaut. „Was gibt es heute zu essen?", fragt Hannah. „Keine Ahnung. Komm mal mit, Jamie", sagt Mariam und ich folge ihr in die Küche. „Mal schauen, was wir kochen können ... Nudelauflauf ... Salat ... Lasagne ... Suppe ...", murmelt sie. „Ich hätte Lust auf Lasagne und Salat", sage ich. „Sehr gesund. Okay, dann machen wir das. Möchtest du helfen?", fragt sie. „Klar, was soll ich machen?", frage ich. „Fürs erste kannst du Salat machen", sagt sie und legt mir verschiedene Gemüsesorten hin.

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