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„Also wir haben beschlossen, dass wir auf dich aufpassen müssen, damit dir nichts mehr passieren kann. Irgendjemand versucht hartnäckig, dir zu schaden. Und wir haben niemanden festnehmen können gestern. Die Polizei hat nichts und niemanden gefunden", informiert mich Herr Lenßen. „Nichts? Aber ... was ist mit deinem Video?", frage ich Tekin. „Darf nicht verwertet werden vor Gericht", seufzt Tekin. „Das darf doch nicht wahr sein", jammere ich und rutsche auf meinem Stuhl herum. „Beruhige dich, sein Video darf verwertet werden", sage Katja. „Aber darauf ... sieht man nicht alles, oder?", frage ich. „Doch, man sieht alles, was man sehen muss", sagt Herr Lenßen. „Wie kommt es dann, dass meine Mutter das nicht sieht oder wahrhaben will?", frage ich. „Das werden wir schon noch ändern", sagt Tekin. „Katja wird sich in Zukunft in deiner Nähe aufhalten, abwechselnd mit Tekin. Sie werden vor dem Haus aufpassen und wenn du draußen unterwegs bist, dich begleiten bzw. im Auge behalten", erklärt Herr Lenßen.

„Aber das ist doch wahnsinnig anstrengend", widerspreche ich. „Keine Angst, wir haben auch noch Kollegen. Die stellen wir dir auch noch vor. So bekommen wir immer genug Erholung und sind meist zu zweit", beruhigt Katja mich sofort. „Ich hab es nicht gern, wenn man mich verfolgt und bespitzelt", antworte ich. „Hat niemand. Aber so verhindern wir einen weiteren Anschlag jeglicher Art", sagt Herr Lenßen. „Ich weiß", murmele ich. Kurz darauf hören wir ein Auto und ich schaue aus dem Fenster. „Das ist Charlie", sage ich. „Dann wollen wir ihr mal alles aufs Brot schmieren", sagt Tekin und steht auf. „Du bleibst hier. Wir regeln das", sagt Katja und verlässt zusammen mit Herrn Lenßen das Zimmer. „Na super", maule ich und laufe auf und ab. „Bitte, setz dich hin. Du machst mich irre", seufzt Tekin. Also lasse ich mich aufs Bett fallen und starre an die Decke.

Nach einer Weile klopft es an der Tür. „Jamie, kannst du bitte mal aufmachen?", fragt Charlies Stimme. „Jetzt auf einmal?", rufe ich. „Bitte. Mach auf, ich muss mit dir reden", sagt sie. Ich merke, dass sie ganz aufgewühlt ist. „Mach auf", sagt Tekin ganz leise und fordernd. Ich seufze und stehe auf. Ich laufe zur Tür und öffne sie. „Danke. Es tut mir so leid, wie ich mich verhalten habe. Ich habe nicht alles gesehen und nur die Hälfte wahrgenommen. Tut mir leid, dass ich nicht mit dir geredet habe", sagt sie. „Und jetzt? Ändert auch nichts an der Tatsache, dass der Typ weg ist", seufze ich und setze mich wieder hin. „Komm mit runter", sagt sie. „Ich will nicht", sage ich. „Bitte", murmelt sie. „Später", sage ich. Sie verschwindet mit hängenden Kopf wieder. „Das war vielleicht ein Tick zu hart. Sie ist deine Mutter", kommentiert Tekin. „Sie hat mir nicht zugehört und geglaubt. Welche Mutter macht das denn? Wir haben vielleicht ein paar Schwierigkeiten aber das liegt daran, dass wir uns über Jahre nicht gesehen haben und jetzt seit wenigen Wochen wieder zusammen sind. Da hat man nun mal Differenzen", mache ich dem Ermittler klar.

„Wochen? Was ist passiert?", fragt er überrascht. „Lange Geschichte", murmele ich. „Die kann ich ja erzählen", sagt Charlie, die im Türrahmen steht. Sie kommt zu mir rüber und nimmt mich in den Arm. „Ich hab dich lieb", sagt sie. „Ich dich auch", seufze ich. „Also? Was ist passiert?", fragt Tekin. „Das würde ich auch gerne wissen", mischt sich Herr Lenßen ein, der mit Katja wieder auftaucht.

„Okay. Ich hatte vor etwa 17 Jahren einen Freund und wurde von ihm schwanger. Die ersten Jahre war er freundlich und nett. Wir wollten heiraten. Ich war damals mit meinem Cousin unterwegs und er dachte, dass es mein neuer Freund ist. Ab da hat er mich geschlagen und schlecht behandelt. Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Ich wollte gehen, mit Jamie. Er hat sie damals einfach weggesperrt. Ich bin alleine gegangen. Vor ein paar Wochen ist sie gestürzt und hat sich Wirbel gebrochen. Ich habe sie versorgt und so haben wir uns wieder gefunden. Im Krankenhaus hat er uns bedroht. Zum Glück war die Polizei rechtzeitig da und hat ihn verhaftet. Er wollte hier neulich einbrechen. Damit wären wir bei den heutigen Ereignissen", erzählt Charlie.

„Und alles nur, weil du mit deinem Cousin weg warst?", frage ich fassungslos. „Merk dir eins: Männer sind voreilig", sagt meine Mutter. „Werd ich mir merken", sage ich und schaue zu Tekin. „Ich bin nicht so, keine Panik", sagt er verteidigend. „Ist klar", kichert Katja. „Die sind alle gleich, merk dir das", sagt meine Mutter nochmal. „Was ist denn hier los?", platzt Hannah herein. „Komm her", sage ich und strecke meine Hand nach ihr aus. Sie kommt auf mich zu und ergreift sie. Ich ziehe Hannah zu mir und sitze nun zwischen den Menschen, denen ich am meisten vertraue. „So, wie geht es eigentlich weiter?", fragt Hannah. „Die verfolgen mich", sage ich kurz angebunden. „Wir passen nur auf dich auf", verbessert Tekin und zwinkert Hannah zu. Das wäre doch schön, wenn die beiden ein Paar werden. Dann hätte ich meinen Retter immer um mich herum. Zu ihm habe ich sowieso schon sehr großes Vertrauen. Das habe ich natürlich niemandem gesagt, aber ich denke, dass er das mittlerweile gemerkt hat.

„Ich bin unten", sagt Hannah und geht schnell. Mittlerweile ist sie Puterrot. „Und ich sollte mich langsam mal auf den Weg machen", sagt Herr Lenßen. „Ist gut. Und danke für alles", sagt Mama und begleitet ihn. „Tekin?", fragt Katja mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Nein, jetzt nicht", murmelt er genervt, da er sicherlich schon ahnt, was sie will. Ich im Übrigen auch. „Und wir beide setzen uns ins Auto ein paar Meter vom Haus entfernt", sage Katja und steht auf. „Na schön, dann wollen wir mal", sagt Tekin und erhebt sich ebenfalls. Ich begleite sie zur Tür und schaue nach, in welches Auto sie steigen. So muss ich keine Angst haben, dass mich jemand (abgesehen von den Ermittlern) beobachtet und/oder verfolgt.

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