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„Wegen deinem Vater", sagt Mama. „Aber warum kann sie mir dann nicht mal helfen, den Tisch zu decken?", frage ich weiter. „Also das könntest du wirklich, Hannah", sagt Tabea. „Nächstes Mal", sagt Hannah. „Nächstes Mal? Wie lange stehe ich denn unter Beobachtung?", frage ich. „Bis wir deinen Vater haben", sagt Hannah. „Na super, das kann dauern", maule ich und zermatsche vor Wut mein Essen.

„Hey, das Essen kann dafür nichts", weist Hannah mich zurecht. „Lieber das Essen, als was anderes", sagt Charlie. Ich räume meinen Teller in die Spüle und gehe auf mein Zimmer. Die Tür schließe ich hinter mir ab und lege mich flach auf den Boden. Ich kann einfach nicht im Bett liegen momentan. „Jamie, mach die Tür auf", hämmert Tabea dagegen. Ich ignoriere es einfach und bleibe liegen. Irgendwann halte ich diesen Druck nicht mehr aus. Ich suche im Badezimmer und finde eine Rasierklinge. Meine Chance. Jetzt ist nur die Frage: soll ich zudrücken oder nicht? Wenn ich es tue, habe ich wahrscheinlich ein besseres, befreiendes Gefühl aber Stress mit meiner Mutter. Tue ich es nicht, muss ich mit dem Druck klarkommen. Was soll ich tun? Ich schließe meine Augen und überlege.

Als ich die Augen wieder öffne, ist mir schwindlig und ich falle um. Mein Kopf knallt gegen das Waschbecken, dann schlage ich auf dem Boden auf und alles ist schwarz.

Sichtwechsel Hannah:
Ich klopfe an Jamies Tür, sie öffnet jedoch nicht. „Jamie, mach auf", rufe ich immer wieder. Keine Reaktion. Nach einer Weile, als ich es schon fast aufgegeben habe, vernehme ich einen lauten Knall. „JAMIE", brülle ich. Jetzt reicht es mir, ich hole den Ersatzschlüssel. Damit komme ich endlich in den Raum und schaue mich um. Wie ist nicht hier. Ich laufe durch den Raum zum Badezimmer und öffne die Tür, die nur angelehnt war.

Ich sehe, dass Jamie am Boden liegt, Bewusstlos. An der Schläfe hat sie ne Platzwunde. „CHARLIE. TABEA", brülle ich. Die beiden müssen sofort kommen. Ich höre das Gepolter der Treppe, dann stürmen die beiden schon herein. „Verdammt, was hat sie getan?", fragt Tabea. Wir drehen sie um und transportieren Jamie aus dem Badezimmer, um sie besser versorgen zu können. „Jamie", sagt Charlie und klatscht ihr mehrmals auf die Wange. Keine Reaktion. „Verdammt, wach doch auf", jammert Charlie. Ich sitze völlig überfordert daneben. Ich habe ja schließlich keine professionelle Medizinausbildung mit Studium oder sonst was. Die beiden legen Jamie einen Zugang und verabreichen ihr mehrere Medikamente. „Okay, jetzt wird sie erstmal ein paar Stunden schlafen", sagt Charlie. Man sieht, wie sehr sie leidet. Tabea versorgt in der Zeit ihre Wunde an der Schläfe. „Hannah, pack mal mit an. Wir legen Jamie ins Bett", sagt Tabea und wedelt mit ihrer Hand vor meinem Gesicht. Ich helfe ihnen, Jamie ins Bett zu bringen.

Wir gehen nach unten und verbringen den Mittag auf der Couch. Charlotte ist die ganze Zeit abwesend und starrt vor sich hin.

Sichtwechsel Jamie:
Langsam klart meine Sicht wieder auf. Ich liege im Bett, nicht im Badezimmer. Wie komme ich denn hier her? Also ich kann mich nicht mehr daran erinnern, dass ich eigenständig ins Bett bin.

Moment mal: ich bin doch mit meinem Kopf gegen das Waschbecken geknallt. Ich fasse mir an die Schläfe und ertaste ein Pflaster. Also haben mich Hannah und wer auch immer gefunden und versorgt. Hoffentlich haben sie die Rasierklinge nicht gefunden. Wo ist die eigentlich? Ich stehe auf und bemerke sofort starken Schwindel. Ich taste mich ins Badezimmer und werde schnell fündig. Die Klinge ist auf dem Boden. Ich räume sie auf, taumele zurück ins Zimmer und überlege, ob ich nach unten gehen soll. In meinem Zustand wäre das wohl nicht die beste Idee, bevor ich die Treppe runterfalle. Dann ist es eh sonnenklar, dass ich im Krankenhaus lande. Das will und brauche ich nicht. Also lege ich mich ins Bett und hole meinen Laptop zu mir. Ich schaue mir auf YouTube einige Videos an. Im Haus ist alles völlig ruhig.

Auf einmal geht meine Tür auf und Hannah stürmt herein. „Gut, du bist wach. Ich habe was super mega wichtiges mit dir zu besprechen", sagt sie aufgeregt. „Klar, komm doch rein", sage ich überrascht. „Okay. Also wie du weißt, arbeite ich bei der Polizei. Wir brauchen jemanden, der für uns undercover geht und nicht zu alt ist", sagt sie. „Und warum erzählst du mir das? Moment mal, denkst du dabei etwa an mich?", frage ich. „Ja. Bitte, es ist echt wichtig. Wir haben eine junge Frau im Verdacht, dass sie Nahrungsmittel vergiftet oder vergiften lässt und nur wenn wir jemanden einschleusen in ihrem Alter, können wir sie überführen", bettelt Hannah. „Okay, ich schaue mir das mal an", murmele ich. „Danke", sagt sie und umarmt mich. Dann geht Hannah und ich schaue weiter. Nebenbei überlege ich die ganze Zeit, was das wohl für ein Einsatz sein wird. Ich muss ja vorher wissen, was ich machen soll und worum es genau geht. Mir lassen diese Gedanken und natürlich meine Neugierde keine Ruhe. Also stehe ich auf und laufe vorsichtig nach unten. Ich finde Hannah zusammen mit Tabea und meiner Mutter im Wohnzimmer vor. „Hey, du bist wieder wach", sage Mama. „Ja. Hannah, was ist das denn für ein Einsatz?", erkundige ich mich. „Was für ein Einsatz?", fragt Mama skeptisch. „Nix besonderes, ich habe Jamie nur von einem meiner Einsätze erzählt. Sie ist von dem Aufprall sicher nur verwirrt. Komm, Jamie. Gehen wir hoch", sagt Hannah hektisch und schiebt mich aus dem Raum.

Wir gehen in mein Zimmer. „Was war das denn eben?", frage ich. „Wie wissen noch nichts davon, ich will es deiner Mutter möglichst schonend beibringen", sagt die Polizistin.

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