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„Ich gehe telefonieren", sagt Tabea und geht raus. Ich liege im Bett und mir laufen die Tränen übers Gesicht. „Wir schaffen das", verspricht mir meine Mutter und wischt meine Tränen weg. Ich klettere zu ihr auf den Schoß und kuschele mich an sie. „Vorsicht, der Schlauch", sagt sie. Tabea kommt zurück. „Wir können", sagt sie. Meine Mama hebt mich ins Bett zurück und deckt mich zu. Dann fahren sie mich zum Aufzug und zum Operationssaal. „Ich gehe mich umziehen", sagt meine Mama. In der Zeit wartet Tabea mit mir. Eine Schwester bereitet alles vor und schließt mich an ein EKG an. Sie misst auch Blutdruck. „Bin soweit", sagt Mama, als sie wiederkommt. „Ich bin schon da", platzt jemand herein. Es ist Frederik. „Gut. Entspann dich, Maus. Bald ist alles vorbei", sagt meine Mama und gibt mir mehrere Medikamente. Ich dämmere weg und schwebe in völliger Schwärze.

Als ich wieder aufwache, sitzt Mama neben mir. „Du bist wach", sagt sie glücklich und nimmt mich in den Arm. „Wie ist die Operation gelaufen?", frage ich. „Sehr gut. Alles wieder da, wo es hingehört", sagt Tabea, die hereinplatzt. „Danke", sage ich und strecke meine Hand nach ihr aus. Sie nimmt diese und streichelt mir über die Wange. „Danke", sage ich und umarme sie. Endlich habe ich es überstanden. „Wann darf ich nach Hause?", frage ich. „Wenn es dir wieder besser geht", sagt Tabea. „Mir geht es doch gut", protestiere ich. „Mindestens drei Tage", sagt meine Mama. „Drei Tage ... ich kotze", murmele ich. „Lieber nicht, sonst musst du noch länger hier bleiben", sagt Tabea grinsend. Ich verziehe das Gesicht. Nach einer Weile klopft es und Hannah kommt herein. „Na, was macht meine kleine Lieblingsmitbewohnerin?", fragt sie und umarmt mich. „Sie hat schlechte Laune", sagt Charlotte. „Kann ich ihr auch nicht verübeln", sagt Hannah und schaut skeptisch. „Warum ist sie denn so schlecht gelaunt?", fragt Hannah schließlich in die Runde. „Weil SIE länger bleiben muss, als IHR lieb ist", sage ich genervt. „Aber das ist doch überhaupt nicht schlimm. Wir passen gut auf dich auf und besuchen dich jeden Tag. Du bist schneller wieder raus, als du es merkst", sagt Hannah und lächelt.

„Mir ist hier trotzdem immer so langweilig, dass ich fast sterbe", beschwere ich mich. „Du stirbst immer fast, weil deine Gesundheit dir einen Strich durch die Rechnung macht", verbessert Tabea mich. „Nenn es wie du willst ... ich finde es langweilig hier. Ihr seid doch auch Ärzte und daheim haben wir ein halbes Krankenhaus. Warum kann ich mich denn nicht daheim auskurieren?", frage ich genervt. „Weil du hier noch einen Ticken besser versorgt werden kannst", sagt meine Mama. Verdammt, die Nummer zieht auch nicht. So ein Dreck. Ich muss mir was anderes einfallen lassen. „Versuch es nicht erst", sagt Tabea. Ich schaue sie fragend an. „Wir wissen, dass du was aushecken willst um früher nach Hause zu dürfen", sagt meine Mama. Ich schaue sie unschuldig an. „Gar nicht wahr, ich wollte dich gerade fragen, ob du mir was aus der Cafeteria holen kannst. Ich habe Hunger", maule ich beleidigt. „Das kann ich machen", sagt sie grinsend und geht aus dem Raum.

Am nächsten Tag ist mir extrem langweilig und somit verfrachten sie mich kurzerhand in einen Rollstuhl und bringen mich zur Cafeteria. Davor stehen mehrere Tische mit Stühlen, von denen aus man den Eingangsbereich wunderbar überblicken kann. Nach einer Weile geht die Tür vom Fahrstuhl auf und ein Mann stürmt heraus. Er wird von zwei Krankenschwestern verfolgt. Eine ruft der Empfangsdame zu: „Rufen Sie die Polizei, er hat Medikamente gestohlen." Der flüchtende Mann verschwindet in der Drehtür des Krankenhauses. Diese hält auf einmal mittendrin an und wird verriegelt, somit ist er gefangen. In der Zwischenzeit telefoniert die Empfangsdame mit der Polizei, die kurz darauf eintrifft. Die Tür wird wieder freigeschalten und der Mann muss zurück ins Gebäude. Die Beamten halten dem Mann fest und fordern ihn auf, die Taschen zu leeren. „Komm, Jamie. Wir gehen wieder auf Station", sagt meine Mama. „Nein, sei mal leise. Es ist gerade so spannend", sage ich und schaue dem Geschehen zu. „Oh man", seufzt Tabea. Ich beobachte, wie sie den Mann in einen anderen Raum führen. Kurz darauf kommen zwei weitere Beamte, die sich erstmal umsehen und schließlich meine Mama entdecken. „Hey, schön euch zu sehen", sagt der eine und umarmt Tabea und meine Mama. Mir geben sie nur die Hand. Ich kenne sie nicht. „Das sind Stephan und Klaus", sagt Tabea, die meinen Blick bemerkt. „Und du bist die kleine Jamie, die Hannah und den anderen so viele Sorgen bereitet?", fragt Klaus. „Klein? Ich bin so groß wie du, dass das mal klar ist", sage ich entrüstet. „Schon gut, kein Problem", grinst dieser Klaus. „Wir müssen weiter, bis bald. Und dir gute Besserung", sagt Stephan und die beiden verschwinden.

„Und wie geht es jetzt eigentlich bei mir weiter?", frage ich. „Schwer zu sagen, meine Kleine", sagt meine Mutter. „Du bleibst noch ein paar Tage hier, wie es abgesprochen ist und dann darfst du nach Hause. Allerdings fallen regelmäßige Untersuchungen wegen dem Tumor an. Und morgen können wir wahrscheinlich den Schlauch aus deinem Hals ziehen aber du wirst noch ne Weile mit Pflaster herumlaufen müssen, da das erstmal verwachsen muss", mischt Tabea sich ein. Ich seufze und nicke. „Gut. Aber dann können wir jetzt wieder auf Station zurück. Hier läuft nichts mehr", sagt Charlie und schiebt mich zum Fahrstuhl. Wir fahren zurück zu meinem Zimmer und ich lege mich brav zurück ins gepolsterte Bett, da dort immer noch ne Menge Kissen herumliegen wegen meinem Rücken. Charlie und Tabea stehen neben mir und schauen mich an. „Ist noch was?", frage ich. „Von unserer Seite nicht, aber du siehst so aus, als ob du was auf dem Herzen hättest", meint Tabea. „Ne, nicht dass ich wüsste", murmele ich. „Okay, dann müssen wir langsam mal los. Bis bald, Maus", sagt meine Mama, pflanzt mir einen Kuss auf die Stirn und geht mit Tabea. Ich liege im Bett und überlege mir, was ich noch so alles anstellen kann die nächste Zeit, um mich bei Laune zu halten. Mir fällt auf die Schnelle jedoch nichts ein. Ich starre an die Decke und überlege weiter.

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