Ein schlaksiger Kellner erreicht unseren Tisch. Er trägt ein weißes Hemd mit schwarzer Fliege und eine dunkle Anzughose mit passenden Lederschuhen. Seine schwarzen Haare sind zurückgegelt und entblößen feine Falten auf seiner Stirn und um die Augen.
Das Richie's ist bekannt für dessen Ordentlichkeit und pflegt ein sauberes Image. Daher auch die formelle Kleidung. Auch die Gäste entsprechen diesem Bild. Die Männer tragen stets Hemden oder sogar einen Smoking und die Frauen stöckeln mit ihren hohen Schuhen und engen Kleidern umher.
Der Kellner reicht uns zwei Speisekarten. Ein leichter Geruch von Leder steigt mir in die Nase, da die Karten damit überzogen sind.
Ich schlage die erste Seite auf und schaffe mir einen Überblick über die Auswahl an Gerichten, welche recht klein ausfällt und somit meine Entscheidung rasch feststeht. Auch das Angebot hat sich mit den Jahren nicht geändert, weshalb ich das Gericht wähle, welches mich an meine Kindheit erinnert - Ratatouille.
Ich lebe schon seit vielen Jahren vegetarisch, wodurch ich mich einfach besser fühle. Außerdem habe ich noch nie wirklich Fleisch und Fisch gemocht, was mir meine Entscheidung zu dieser Lebensweise noch einfacher machte. Natürlich habe ich kein Problem damit, wenn Leute während meiner Anwesenheit Fleisch oder Fisch verzehren. Solange ich es nicht mache, ist es mir egal.
Als der Kellner unsere Bestellung entgegennimmt beobachte ich Damian ganz genau. Er ist sehr wortgewandt und höflich und sieht zudem verdammt gut aus.
Er entscheidet sich für das Kalbskotelett und ich muss innerlich schmunzeln, da mein Vater dieses Gericht stets aß.
Stammt Damian überhaupt von hier oder ist er nur auf der Durchreise? Warum sitzt er alleine in einem so teuren Restaurant, welches meist nur von wohlhabenden Familie wie meiner oder Ärzten und Co. besucht wird? Fragen über Fragen, welche sich nicht so schnell beantworten lassen.
Unsere Getränke erreichen den Tisch, und ich nippe kurz an meinem Frascati und fange ohne Hemmungen an, Damian in ein Gespräch zu verwickeln. Das kenne ich garnicht von mir. Normalerweise muss man mich ausquetschen.
"Was machst du eigentlich beruflich?", frage ich und wickle dabei nervös eine Strähne um meinen Finger. Gott, was machst du hier?
Innerlich hoffe ich einfach nur, dass er kein Lieferant oder Barkeeper ist. Ansonsten bin ich für jeden Beruf offen.
"Ich bin Psychologe."
Ich schaue ihn entgeistert an, was Damian vermutlich bemerkt.
Es geht doch noch schlimmer, als meine Vermutung es mir erlaubt.
Ich sitze ausgerechnet mit einem Psychologen an einem Zweiertisch und unterhalte mich mit ihm. Ein Psychologe.
Das kann doch kein Zufall sein.
Es ist so, als wenn mir Gott ein Zeichen geben möchte. Ein Zeichen, dass ich mir vielleicht Hilfe holen sollte, um mit diesem elendigen Thema endlich abzuschließen.
Nein. Das ist unmöglich und das möchte ich auch nicht.
Ich brauche keine Unterstützung. Ich habe auch sonst alles in meinem Leben alleine gemeistert und bin immer ohne Hilfe durchgekommen. Und auch diesmal werde ich es schaffen.
Nach einer langen Atempause, versuche ich die richtige Formulierung für eine Antwort zu finden.
"Das ist wirklich ... erstaunlich, dass du Psychologe bist. Es ist mit Sicherheit nicht einfach diesen Beruf auszuüben ... oder?"
Damian kratzt sich verlegen am Kinn.
"Ja, das stimmt. Es gibt schon einige Fälle und Geschichten, die einen echt mitnehmen können."
Ich fühle mich unsicher, aber meine Neugier kann mich nicht stoppen. Ich bewege mich hier auf ganz gefährlichem Terrain. "Und ... welche Fälle empfindest du am ... Schlimmsten?", presse ich hervor. Dass ich mich auch noch traue diese Art von Frage auszusprechen, schockiert mich selbst.
Damian zögert kurz und zupft nervös an seinem Kragen. "Na ja, wie soll ich das ausdrücken, ohne meine Schweigepflicht zu brechen." Er hadert kurz mich sich. "Aber ich finde es am Schlimmsten, wenn Frauen zu mir kommen, welche Opfer sexueller Gewalt wurden."
Mir stockt der Atem und mein Blut gefriert mir in den Adern.
Ich meine, was hätte ich anderes erwarten sollen, wenn ich ihn so konkret frage. Muss er denn ausgerechnet solch eine Antwort von sich geben?
Ich werde nervös, da ich auch bei ihm in der Therapiestunde sitzen könnte, wenn ich mich dazu entschieden hätte.
Stattdessen sitze ich mit ihm durch Zufall an einem Zweiertisch in dem teuersten Restaurant von ganz Boston.
Die trügerische Stille sorgt für eine deutlich spürbare Anspannung.
"E- entschuldige die Frage ...", bringe ich hervor und senke beschämt den Blick. "Nein, nein, alles gut. Ich bin solche Fragen gewohnt", beruhigt er mich.
Man sagt zwar immer, es gibt keine dummen Fragen, aber diese hier hat die Funktion des Zitates zerstört. Es gibt durchaus dumme Fragen, was ich gerade bewiesen habe. Ich könnte mich selbst auspeitschen.
Zum Glück trifft in demselben Moment das Essen ein und lenkt uns vom Geschehen ab.
Wir speisen unser Gericht in unbehaglicher Stille, welche ich mit meiner blöden Frage ausgelöst habe. Zu gern würde ich wissen, was in Damians Kopf vor sich geht. Was er gerade denkt und welche Gefühle er verspürt. Bitte, sag etwas.
Als wenn Damian meine Gedanken gelesen hat, bemerkt er sofort, dass dieses Schweigen dringend gebrochen werden muss und beginnt zu reden: "Was führt dich eigentlich nach Boston?", fragt er neugierig und schiebt sich dann genüsslich die Gabel in den Mund.
"Ich, äh, lebe in Boston schon seit ich geboren bin. Das heißt, ich besuche hier die Uni und wohne selbstverständlich auch hier."
Damian schluckt sein Kotelett und strahlt. "Wirklich? Ich wohne auch hier. Nicht weit weg vom Restaurant. Vielleicht laufen wir uns irgendwann nochmal über den Weg?"
Ich schaue verlegen auf mein Weinglas und schwenke es sanft umher, wodurch ein kleiner Strudel entsteht.
Vielleicht laufen wir uns irgendwann nochmal über den Weg, wiederhole ich seine Worte in meinem Kopf. Was soll das heißen? Chloe, es heißt nichts. Beruhige dich. Nicht jeder Mensch besitzt böse Absichten. Zumindest versuche ich mir das stets einzureden.
Ich bringe lediglich ein unsicheres Vielleicht von den Lippen.
Ich weiß nicht, was nach unserem Essen passieren wird.
Wird er nach meiner Nummer fragen? Wird er mich nach Hause bringen? Oder wird er mir auch etwas antun?
"Hat es Ihnen geschmeckt?", erkundigt sich der Kellner und räumt unsere Teller ab.
"Ja, es war sehr lecker.", entgegnen wir synchron. Was war das? Wo ist die versteckte Kamera?
Damians Blick durchtrifft mich in diesem Moment wie ein Blitz. Seine Augen strahlen und seine Mundwinkel huschen nach oben. Auch ich kann mir ein verlegenes Grinsen nicht verkneifen. Dieser Augenblick fühlt sich wie eine Ewigkeit kann, obwohl er nur einige Sekunden andauert, bis Damian seine Aufmerksamkeit wieder dem Kellner widmet.
"Darf es sonst noch was sein?" Das freundliche Dauerlächeln des Kellners haftet an mir.
"Nein ... danke.", erwidere ich unsicher.
"Die Rechnung bitte.", fügt Damian hinzu.
"Geht das zusammen oder getrennt?"
Ich setze an zum Reden: "Getre-"
"Zusammen.", fällt mir Damian ins Wort.
"Selbstverständlich." Der Kellner nickt und verlässt den Tisch.
Ich bin überrascht und runzle die Stirn. "Du ..." Meine Stimme versagt.
"Bezahlst die Rechnung.", ergänzt er grinsend meinen begonnenen Satz.
"Wieso?" Ich bin so perplex, dass ich keinen anständigen Satz bilden, sondern nur eine einfache Frage stellen kann. Ja, wieso?
"Weil ich es möchte. Es ist unhöflich keine Manieren zu zeigen. Außerdem war der Abend echt schön, weshalb ich mich erkenntlich zeigen möchte."
"Wow ich äh ... danke." Ich beiße mir beschämt auf die Lippe. Er hätte doch nicht alles alleine bezahlen müssen. Wir hätten es gerecht aufteilen können. Er besteht zwar darauf, dennoch fühle ich mich schlecht.
"Dafür doch nicht." Sein Lächeln ist plötzlich sanft. So sanft, dass sich der Raum in Luft auflöst und ich zu schweben beginne.Wir verlassen das Restaurant und stellen uns neben den Eingang.
"Danke ... für den schönen Abend." Für den wundervollsten Abend in den letzten Tagen würde ich am liebsten sagen. Doch ich halte lieber den Ball flach.
"Ich danke dir." Wieder dieses sanfte Lächeln. Verdammt.
"Also dann ... man sieht sich." Mühsam drehe ich mich in meinen Pumps um und spüre plötzlich eine warme Hand an meinem rechten Handgelenk.
Panisch wirble ich herum und ziehe die Luft ein.
"Oh mein Gott tut mir leid!" Damian zieht rasch seine Hand zurück. "Ich, äh, fuck ..."
Ich stoße die angehaltene Luft aus. "Nein, es ... mir tut es leid."
"Ich wollte dich nicht erschrecken." Er senkt beschämt den Blick. "Ich wollte nur sichergehen, ob du ... ob ich dich eventuell nach Hause begleiten darf? Vorausgesetzt du bist zu Fuß hier, wie ich. Es ist vollkommen okay, wenn du jetzt Nein sagst. Ich kann auch-"
"Ja.", kommt es mir wie aus der Pistole geschossen. Wow, das hätte ich nicht einmal von mir selbst erwartet.
"Wirklich?" Sein Blick richtet sich wieder auf mich. Jedoch erkenne ich einen kleinen Funken Misstrauen.
"Ja.", wiederhole ich besänftigend.
"Ich wohne äh in diese Richtung." Mit dem Daumen zeige ich hinter meinen Rücken.
"Oh ja klar." Mit zwei Schritten steht Damian rechts von mir und als ich mich in Bewegung setze, folgt er mir.
Wieso habe ich nochmal Ja gesagt? Ich weiß es nicht.
Wieso denke ich, es sei eine gute Idee? Auch hierfür habe ich keine Antwort.
Die ersten Meter sind geschafft und ich atme hörbar aus.
"Ist ... alles in Ordnung?", vergewissert sich Damian.
"Ja, ja, es ist alles bestens." Meine Stimme klingt jedoch nicht sonderlich überzeugend.
"Das war ein mieser Vorschlag von mir, gib's zu?" Er hat mich ertappt.
"Nein, das war es nicht. Es ist nur ... ich bin nur nicht so oft mit ... Männern unterwegs." Klingt das schlüssig? Hoffentlich.
"Und ich genauso wenig mit Frauen."
Ich runzle die Stirn und blicke zu ihm auf. "Du lügst doch. Einer wie du hatte doch bestimmt schon Tausend Frauen."
Damian lacht laut auf. "Also ich weiß nicht was für ein Bild du dir von mir in kürzester Zeit gemacht hast, aber ich bin ganz bestimmt kein Frauenaufreißer."
"Na klar.", necke ich ihn.
"Entweder du glaubst mir oder nicht."
Ich hebe entrüstend die Hände in die Höhe. "Okay okay, ich glaube dir."
"Aber wer weiß.", fährt er fort, "Vielleicht will ich dich ja entführen."
Ich erstarre und mit einem Mal schnürt sich meine Kehle zu. Oh mein Gott. Oh mein Gott! Ich wusste es. Ich wusste es von Anfang an. Wieso bin ich nur so dumm und leichtgläubig?
"D- das war ein Witz! Oh mein Gott tut mir leid. Ich bin so dämlich." Verzweifelt fasst sich Damian an die Stirn.
"Was?", entgegne ich schwach.
"Du, du hast das geglaubt? Ich habe nur einen Witz gemacht. Oh Gott, ich ... ich meinte das nicht ernst. Tut mir echt leid, dass ich dir so einen Schrecken eingejagt habe. Du bist auf einmal so blass geworden."
"Mir geht's gut." Nein, Chloe, dir geht es ganz und garnicht gut.
Damian scheint es mir nicht ganz abzunehmen, da er die Stirn runzelt. Er scheint es aber zu ignorieren. "O- okay. Lass uns das vergessen und einfach weitergehen. Okay?"
Ich nicke stumm und wir setzen uns wieder in Bewegung.
Nach den letzten Metern erreichen wir meine Wohnung.
"Da wären wir." Ich stelle mich vor die Eingangstür und krame meinen Schlüsseln aus der Tasche.
"Okay, also, äh, danke für den tollen Abend. Ich hoffe er hat dir genauso gefallen wie mir." Damian tippt mit der Ferse auf den Boden.
"Ja. Ja, das hat er.", versichere ich ihm.
"Gut, gut."
Für einen Moment schweigen wir uns an.
"Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich nach deiner Nummer fragen würde?", unterbricht Damian die Stille.
Wow, er fragt nach meiner Nummer.
Ich muss kichern. "Nein ... das würde mir nichts ausmachen."
Damian räuspert sich und stellt sich aufrecht hin. "Würden Sie, Chloe, mir die Ehre erweisen, im Besitze Ihrer Nummer zu sein?"
Ich lache laut auf und erwidere ein leises Ja.
In diesem Moment wird mir Einiges klar - Damian ist ein Guter.
Ich weiß es einfach, weil ich es spüre.
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Right or Wrong? (WIRD ÜBERARBEITET)
Lãng mạn⚠️⚠️⚠️ Ich bin mit der Schreibweise und der Story sehr unzufrieden, weshalb ich alles derzeit am überarbeiten bin und die Handlung teilweise ändere. Deshalb sorry fürs eventuelle Chaos. Danke fürs Verständnis :) Die unbearbeiteten Kapitel sind zurüc...