Sei nicht so hart zu dir selbst

Kapitel 1

Es war ein kühler Wintermorgen und Yvonne saß, in eine Decke gekuschelt, auf dem Sofa. Die letzten Tage waren für die Sängerin echt anstrengend gewesen und sie war froh mal ein bisschen abschalten zu können. Das neue Album war fertig aufgenommen, das Finale für 'The Voice of Germany' bereits ausgestrahlt und auch der ganze Trubel um die Finalisten hatte sich gelegt, definitiv Zeit eine Pause zu machen!

Mit einem Kaffee in der Hand, ließ sie sich nochmal die letzten paar Jahre durch den Kopf gehen, zuerst die Teilnahme bei Sing mein Song 2015, das war mal eine Erfahrung gewesen! Dort, in Südafrika, hatte sie einige tolle Musiker kennen gelernt und tolle Musik gespielt, doch sie war auch überrascht worden. Andreas zum Beispiel, er hatte eines ihrer alten Lieder komplett neu performt und langsam hatte sie sich auch wieder mit dem Song angefreundet können.

Danach war eine Anfrage von The Voice of Germany gekommen, so richtig glauben können hatte sie es ja nicht, doch als der Vertrag unterschrieben auf dem Tisch lag, gab es kein Zurück mehr. Die Zeit als Coach dieses Jahr war echt unglaublich gewesen, so viele begabte Talente hatte sie gehört und am liebsten hätte sie jedem eine Chance gegeben. Doch nicht nur diese hatte sie kennengelernt, schließlich waren da ja auch noch ihre Kollegen gewesen! Smudo und Michi, Andreas, den sie ja schon von Sing meinen Song kannte, und Samu.

Samu Haber von Sunrise Avenue! Gehört hatte sie davor ja schon viel von ihm, doch bis dahin hatte sie sich absolut keinen Reim darauf machen können wie der Finne ticken würde, oder wie er so drauf war. Er hätte ja ein aufgeblasener Idiot sein können, oder so ein Schleimer der extremen Art. Allerdings waren ihre Sorgen total unbegründet gewesen, gleich am ersten Tag war der blonde Sänger als erster auf sie zugekommen, hatte sie begrüßt und gefragt ob er sie rumführen sollte. Auf Anhieb hatten sie sich gut verstanden und aus kleineren Smalltalks waren mit der Zeit ernste Gespräche geworden, aus ein paar Whats App Nachrichten lange Telefonate, aus ein paar kleinen Treffen gemütliche Filmabende, aus Kollegen Freunde und aus Freunden beste Freunde.

Leise seufzte Yvonne und zog langsam ihr Hand aus der Hosentasche, seit dem Finale hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen und sie vermisste seine Stimme ein wenig. Tief in ihr drinnen konnte es schon nicht mehr bestreiten, dass sie für den hübschen Finnen ein bisschen mehr empfand als nur Freundschaft, doch ihr Kopf wollte das alles einfach nicht wahrhaben, außerdem war er vergeben. Zwar war der Finne in letzter Zeit immer unglücklicher gewesen, aber vergeben war nun mal vergeben!

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und grinsend klickte sie auf sein Profilbild, es war schon ein verrücktes Foto! Es zeigte ihn einmal quer über einem Coach Stuhl, es war der der Fantastischen Zwei gewesen und Yvonne wusste noch genau wie das Bild entstand war, sie hatte es ja schließlich auch gemacht! Er hatte unbedingt ein Aufnahme davon gewollt und ihr einfach sein Handy in die Hand gedrückt.

Entschlossen drückte sie auf das grüne Anrufen-Symbol und hielt sich vorfreudig das Handy ans Ohr. Viel zu lange hatte sie das jetzt schon herausgezögert und ihre Gefühle ignoriert, wenigstens seine Stimme wollte sie hören! Doch schon wenige Sekunden legte sie es etwas enttäuscht zur Seite, anscheinend war sein Telefon momentan aus oder er hatte etwas Wichtiges zu tun. Wirklich übel nehmen konnte sie es ihm ja eigentlich nicht, schließlich wohnte er in einem anderen Land, hatte wahrscheinlich einen vollen Terminkalender und eine erfolgreiche Band!

Seufzend stand sie auf, es war zwar wirklich noch relativ früh, doch es konnte nicht mehr lange dauern bis Charlie aufwachen und nach ihr rufen würde. Nachdenklich ging so durch den Flur in das kleine Zimmer, das sie liebevoll für ihren Sohn gestaltet hatte und lugte vorsichtig durch die Tür. Zu ihrer Überraschung war der Kleine schon wach und spielte, leise brabbelnd, mit seinem Kuschelhasen. Wie der Zufall es wollte, war ausgerechnet Samu derjenige, der ihm dieses Geschenk gemacht hatte und Charlie ging nirgends ohne ihn hin.