Zuckerwürfel 13

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Meine Tasche stelle ich für den Übergang auf dem nassen Boden ab, ziehe mir vorsichtig meinen kuscheligen Schal etwas fester um den Hals, während mein Blick über die abgestellten Autos auf dem Parkplatz schweift

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Meine Tasche stelle ich für den Übergang auf dem nassen Boden ab, ziehe mir vorsichtig meinen kuscheligen Schal etwas fester um den Hals, während mein Blick über die abgestellten Autos auf dem Parkplatz schweift. Seufzend atme ich aus und reibe meine eiskalten Hände aneinander. Na nu, Unpünktlichkeit ist keine typische Charaktereigenschaft von Noah. Nun liegt der Gedanke nicht weit entfernt, ob ihm vielleicht etwas zu gestoßen ist. Panisch hole ich mein Handy aus der Jackentasche und stelle ernüchternd fest, dass ich keine Nachricht von ihm bekommen habe. Mein Augenpaar landet auf der feuchten Hauptstraße, viele Pfützen, gefüllt voll dreckigem Regenwasser, reflektieren das Licht der Straßenlaternen. Aus dem richtigen Winkel sieht es wie ein wunderschönes Funkeln aus. Die frische Herbstluft bahnt sich ihren Weg durch meine Lungenflügel, beflügelt sie und für einen Moment vergesse ich, dass mir kalt ist. Der Nieselregen prasselt auf meine Jacke, was ein angenehmes Geräusch erzeugt. Einen Moment stehe ich mit geschlossenen Augen hier und genieße die Stille.

Als ich meine Augen wieder öffne, fällt mein Blick auf das Auto von Noah, welches auf der anderen Seite der Straße abgestellt steht. Das weiße Auto steht unter einem Baum, der seine Blätter bei jedem starken Windzug auf das Autodach fallen lässt. Und plötzlich erblicke ich Noah. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, doch als ich entdecke, wer hinter ihm her läuft, verschwindet es sofort wieder. Die beiden stellen sich vor das Auto, mit dem Rücken zu mir und scheinen einen Kaffeeplausch zu führen, bei dem sie sich sichtlich zu amüsieren scheinen. Als sie nach seiner Hand greift, rutscht mir das Herz in die Hose. Das ist doch ein schlechter Scherz? Wie erstarrt bleibe ich auf der Stelle stehen, Sekunden, Minuten, ich verliere jegliches Zeitgefühl. Die Situation zieht wie in Zeitlupe an mir vorbei, Autos fahren nur noch im Schritttempo und ich traue mich weder zu atmen, noch meinen Blick von den beiden abzuwenden. Ich male mir Horrorszenarien aus, die mir in diesem Moment leider gar nicht mal so absurd vorkommen. Mein Herz rast, überschlagt sich mehrfach und es wird mir zu viel. Ich kann mir das nicht mit ansehen! Schnell drehe ich mich weg und bringe meine Atmung unter Kontrolle. Ich hechle, als wäre ich einen Marathon im Höchstsommer gelaufen. Vielleicht übertreibe ich auch und interpretiere zu viel in diese Situation hinein, vielleicht hat Noah eine gute Erklärung. Auch wenn ich weiß, dass ich Noah nicht damit konfrontieren werde.

»Sieht wohl ganz so aus, als würde dein Freund dich betrügen«, stellt eine tiefe Stimme hinter mir fest, doch ich schweige. Ich schweige, denn keine Antwort hätte mein Gefühlschaos mehr beschreiben können, als mein Schweigen. Als ich mich leicht zur Seite drehe, steht Nathaniel dort und zündet sich unbeeindruckt einen Glimmstängel an, den er zwischen den Lippen fixiert. Er ist auf jeden Fall kein Sensibelchen, das steht fest. »Ich weiß nicht was du meinst«, versuche ich ihm klarzumachen und reibe meine feuerroten und leicht angeschwollenen Hände wieder aneinander. »Du willst mir weismachen, dass du deinen Freund noch nicht dabei erwischt hast, wie er im Flagranti mit einer anderen rum macht«, hakt er nach und ich schaue ihn irritiert an. Völlig emotionslos lässt er den grauen Qualm aus seinem Mund entweichen und ich seufze. »Er macht ni-«, ich unterbreche mich selbst und schwenke um. »Wie gesagt, ich weiß nicht, was zu meinst«, murmele ich mit fester Stimme und verlagere mein Gewicht nervös von dem einen Bein auf das andere. Am liebsten wollte ich auf der Stelle losheulen, mein Leid in die Welt hinausschreien, doch es würde niemanden interessieren. Meine beiden Hände vergrabe ich in meinen Jackentaschen, die eine wohlige Wärme ausstrahlen. »Dann dreh dich um«, fordert er mich auf und ich schüttele hastig den Kopf. Ein breites Grinsen liegt auf seinen Lippen, während meine Augen ihn fixieren. Ich schlucke schwer. Hier in diesem Moment, in dem er vor mir steht, nehme ich ihn komplett anders wahr. Die Dämmerung hat bereits eingesetzt, der Regen nieselt vom Himmel und Nathaniel steht einige Meter von mir entfernt, völlig gefasst, als würde ihn das alles gar nicht stören. Wahrscheinlich ist es auch so. »Du hast es also doch schon gesehen«, durchschaut er meine Lüge und rauft sich durch seine braunen Haare. Dabei lässt er mich nicht aus den Augen, fixiert meinen Körper und ich schaue peinlich berührt auf den Boden. Diese Situation ist so verdammt unangenehm. Am liebsten würde ich mich umdrehen und zu Noah rennen, ihn damit konfrontieren. Damit, was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Doch ich würde keine passenden Worte finden. »Du bist auf jeden Fall sehr einfühlsam«, hauche ich und mustere den Qualm, der aus meinem Mund kommt. »Also leugnest du es nicht mehr?«, erkundigt er sich und schnippt seine Zigarette auf den nassen Boden. Diese glüht noch eine Weile, bis sie letztendlich qualmend ausgeht. »Ich habe deine absurde Vermutung nicht mal bestätigt, also was soll ich da jetzt leugnen?«

»Woher willst du überhaupt wissen, dass das da drüben mein Freund ist?«, frage ich und seine Mundwinkel zucken. Es ist nicht grade auffällig, doch wenn man ihn genau beobachtet, kann man es nicht übersehen. Auch wenn ich weiß, wie absurd diese Frage ist, weil es so offensichtlich ist, will ich die Antwort aus seinem Mund hören. »Nun ja, du bist ja nicht grade unauffällig, wenn du minutenlang eine Stelle anstarrst, an der zufällig grade ein Junge und ein Mädchen Händchen halten«, erklärt er und ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe. Der Fakt, dass er mich beobachtet hat, ist ziemlich gruselig. »Bist du ein Stalker, oder so?«, rutscht es mir raus und meinem Gegenüber entlocke ich mit dieser Frage ein raues Lachen. »Ja klar, ich stalke gerne kleine Mädchen, die ihren Freund beim Fremdgehen erwischt haben«, sagt er abfällig und ich bemerke, dass sich in seinen Augen etwas verändert. »Hör auf das als zu sagen, das tut weh«, flüstere ich leise und schaue peinlich berührt auf den Boden. »Manchmal muss es halt weh-«, ich unterbreche ihn mit einer abfälligen Handbewegung, drehe mich um und lasse ihn alleine zurück. Sein arrogantes Gerede muss ich mir jetzt nicht geben. »Ich habe übrigens gesehen, wie du mich abgecheckt hast«, ruft er mir hinterher und ich rolle die Augen. Sein Charakter trieft nur so vor Arroganz und das stört mich so unglaublich an ihm.

Zum Glück steht nur noch Noah vor dem Auto, lehnt sich gegen die Fahrertür und wartet, sein Blick ist starr auf sein Handy gerichtet und auf seinen Lippen liegt ein Lächeln. Das schmerzt umso mehr, dass ich weiß, dass dieses Lächeln nicht mir gewidmet ist. »Hi, Noah«, sage ich und er blickt auf. Er kommt auf mich zu, schließt mich in den Arm und flüstert mir eine Begrüßung ins Ohr. Sein Duft umhüllt mich und ich wusste, dass ich ihn nie wieder loslassen wollte. Doch die Realität holt mich relativ schnell wieder ein.

Noch ein letztes Mal drehe ich mich um, zurück zu der Stelle, wo Nathaniel und ich grade gestanden haben. Doch er ist verschwunden.

Wir steigen ins warme Auto und sofort entsteht eine unangenehme Stille. Sie bietet Atmosphäre für meinen Scham, der mich nach und nach aufzufressen droht. Ab und zu spüre ich den Blick von Noah auf mir liegen, doch ich starre weiterhin aus dem Fenster. Regentropfen prasseln auf das Glas der Scheibe und fließen wettkampfartig runter. Sie machen ein Wettrennen um die Zeit. Wer bietet mehr bei diesem Rennen der Regentropfen?

 Wer bietet mehr bei diesem Rennen der Regentropfen?

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Wie Zimt und ZuckerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt