»Du bist echt eigenartig, Lorena. Wirklich sehr eigenartig«, stellt Nathaniel feixend fest und mustert mich mit Argusaugen. Seine ozeanblauen Augen scheinen mein Gesicht nach Ironie zu durchsuchen. Langsam wandert sein Augenpaar über meine Stirn, bis hin zu meinen Wangen und zu meinen Lippen, wo sie einen Moment stoppen - bevor sie sich wieder meinen Augen zuwenden und dort verweilen. »Ich bin nicht eigenartig«,verteidige ich mich belustigt und zucke ahnungslos mit den Schultern, hebe aber vorsichtig meine flachen Hände in die Höhe. Meine Wangen schimmern rötlich und mein Gesicht beginnt zu glühen. Peinlich berührt wandert mein Blick auf meinem Teller, der belegt mit einigen Pommes, mir entgegenblickt.
»Du hast den Ketchup über die Pommes gemacht. Und wie eigenartig du bist«, bekräftigt er seine Aussage und blickt sichtlich angeekelt auf meinen Teller. »Wer macht sowas?«, fragt er amüsiert und widmet seinem Blick wieder mir. Das helle Glänzen in seinen Augen fordert mich dazu auf zu Schmunzeln. »Ich, siehst du doch«, antworte ich, sogleich meine zwei Finger nach einer Pommes greifen und sie gradewegs in meinen Mund befördern. Schmatzend entflieht mir ein: »Pommes bleiben Pommes«, bevor ich mir die nächste Pommes genüsslich zwischen die Lippen schiebe.
»Du bist doch bestimmt so ein Mensch«, setzt er an, unterbricht jedoch da ihm ein raues Lachen entflieht. »Du machst doch sicherlich auch zuerst die Milch in die Schüssel, bevor das Müsli dazukommt.« Einen Moment grübele ich. Mein Blick wendet sich automatisch der Decke zu, als würde ich dort nach der passenden Antwort suchen. Ernüchternd nuschele ich ein leises »Ja«, welches mir nahezu schon unangenehm von den Lippen kommt.
Sofort werden die Augen von Nathaniel kugelrund und er blickt mir entgegen, wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Nun rutscht mein Blick stufenweise von seinem Gesicht einige Stockwerke tiefer, bis es wieder auf meinem Teller liegt. Einen Moment grübele ich. Ich finde nicht, dass ausgerechnet Nathaniel sich so weit aus dem Fenster lehnen sollte. Dann zucken meine Mundwinkel in die Höhe und ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Du bist ganz schön gemein, du Idiot.« Bringe ich ihm entgegen und schmunzele breit. Dann schießt mir der Gedanke mit dem Glashaus und den Steinen in den Kopf, weshalb ich noch breitspuriger Grinsen muss. »Wenigstens bleibe ich den Leuten im Gedächtnis. Normal ist doch langweilig.«
Nathaniel legt seinen Kopf schief und blickt mich mit einem undeutlichen Blick an. Seine Augen funkeln mich gradezu an, der Farbton deiner Augenfarbe ist in der Farbpalette um einige Nuancen gesunken. »Im Gedächtnis bleibst du damit allemal, das versichere ich dir.« Sein lodernder Blick liegt auf mir und seine Mundwinkel zucken diabolisch in die Höhe. Als mir der Augenkontakt zu intensiv wird, wende ich meinen Blick ab und versuche angestrengt möglichst normal weiter zu atmen.
Doch Nathaniel widmet seinen Blick weiterhin mir, ohne einmal wegzublicken. »Beinahe könnte man den Eindruck bekommen, dass du eine verrückte Rebellin bist«, feixt Nathaniel, »besonders mit dem Ketchup auf deiner Wange.« Als er diesen Satz zu Ende gebracht hat, werden nun meine Augen riesengroß und sofort wird mein Gesicht heiß. Erst beginnt die Hitze an den Wangen, doch dann wandert diese weiter und breitet sich über das gesamte Gesicht aus. Kopfschüttelnd lacht Nathaniel. Das tiefe, verrauchte Lachen beschafft mir eine wohlige Gänsehaut. Langsam rinnt mir heißer Honig über die Wirbelsäule - zumindest sinngemäß.
Als Nathaniel sich nach vorne lehnt und seine Hand behutsam um meine Wange legt, um mit seinem warmen Daumen über meine Wange zu streichen - noch bevor ich dies tun konnte - ist es um mich geschehen. Schmetterlinge tanzen in meiner Magengrube einen wilden Tango und in diesem Moment denke ich gar nicht daran, diese wieder einzusperren.
Seine Berührung jagt wie Blitze durch meine Adern, elektrisiert mich vollkommen und auch ihm scheint es ähnlich zu gehen. Einen letzten Wimperschlag und er zieht seine Hand wieder zurück, woraufhin er nur ein leises »Besser« murmelt er unter angehaltenen Atem.
Einige Sekunden benötigt mein Gehirn, um dieses Geschehnis aufzuarbeiten. Doch dieser kurze Zeitraum ist mir nicht gegönnt, weshalb die blondhaarige Kellnerin wieder an unserem Tisch steht und uns nach unserer Zufriedenheit befragt. Während Nathaniel ihre Antwort bejaht und ihr freundlich mitteilt, dass wir gerne zahlen möchten, mustere ich stumm die Situation. Er lächelt sie breitspurig an, welches sie sichtlich in den siebten Himmel befördert.
»Klar, ich mache dann schonmal den Beleg fertig«, schnurrt sie und verschwindet hinter dem Tresen, um nach kurzer Zeit schon wieder an unserem Tisch zu stehen. Den Preis nennt sie, während Nathaniel ihr das Geld hinstreckt und ihr ordentlich Trinkgeld überlässt. Ich verdrehe die Augen. Typisch, wenn man Geld besitzt, wie Sand am Meer. Den Beleg schiebt sie mit einem Zwinkern zu Nathaniel, der dieses mit einem freundlichen Lächeln quittiert.
Ich stehe auf und ziehe mich an, um diesen Laden schnellstmöglich zu verlassen. Dick eingepackt wage ich meinen Weg in Richtung des Ausgangs. Die Tür öffne ich mit einem gewaltigen Stoß, atme tief ein und werde sofort von der kalten Winterluft umhüllt. Ich ziehe meine Jacke enger um meinen Körper und vergrabe mein Gesicht in meinem Schal.
»Wette gewonnen«, lallt Nathaniel zufrieden und greift nach meinem Handgelenk. Ich erstarre, denn sofort bricht auf meiner Haut ein unerträgliches Kribbeln aus, welches zunehmend stärker wird, je länger seine Hand an meinem Handgelenk verweilt. Seine warme Hand umschließt meinen Knöchel fest, doch sanft genug, um mich jederzeit aus seiner Berührung lösen zu können. »Was bekomme ich jetzt dafür?«, gluckst Nathaniel und erst als ich mich ihm zuwende, erkenne ich das breite Grinsen in seinem Gesicht. Er blickt auf mich nieder, seine blauen Augen fixieren mich und mit erhobener Hand hält er den Beleg hoch. »Nichts«, beginne ich, »wir hatten nie von einem Wetteinsatz geredet.« Ich sammele Wörter, grübele und ergreife erneut das Wort. »Wer hätte gedacht, dass sie so leicht zu klären ist«, kichere ich. Meine Augen wandern kurzzeitig auf den Beleg, der geziert von einer ordentlichen Handschrift eine lange Handynummer aufwies. Wie nett, sie hatte ihm sogar als Hilfe ihren Namen dazugeschrieben, damit er bei seinen vielen Frauenkontakten ja wusste, unter welchem Namen er ihre Nummer finden konnte.
»Ich hatte sie schon, als ich das Diner betreten habe.« Breitgrinsend zuckt er mich den Schultern, um die Leichtigkeit dieser Wette zu betonen. Ich nicke und möchte mich umdrehen, doch er unterbricht mein Vorhaben.
»Ich habe etwas Gut bei dir«, fordert er selbstbewusst. »Schwebt dir denn schon etwas vor?«, hake ich nach und ernte ein unerschlossenes Kopfschütteln. Er schien zu überlegen, denn er leckte sich mit der Zunge über die Unterlippe um diese zu befeuchten. Dann scheint im urplötzlich eine Erleuchtung zu kommen, die ihn strahlen lässt. »Ich habe etwas, doch es ist noch nicht an der Zeit, es dir zu verraten.«
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Welche Idee Nathaniel denn wohl gekommen ist?
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Wie Zimt und Zucker
RomanceWie Zimt und Zucker ❝ Für das engelsgleiche Mädchen, welches ihr Lachen verlor. ❞ Lorena Campbell wollte schon immer Gutes tun. Ihre Berufswünsche waren nie außergewöhnlich, für sie war von klein auf schon klar, dass sie anderen Menschen helfen möc...