»Irgendwie hast du das Konzept eines Partyoutfits nicht ganz verstanden«, sagt Hope und zieht eine Augenbraue irritiert in die Höhe. »Ich finde das Outfit schön. Es zeigt nicht zu viel«, antworte ich begeistert und streiche über den weichen Stoff. »Also die Sorge kann ich dir mit Sicherheit nehmen. Immerhin sieht man durch diesen Kartoffelsack gar nichts«, erwidert Hope nüchtern und setzt sich auf den Autositz, um Mithilfe ihres Fingers in ihre High Heels zu schlüpfen. Mir entfährt ein empörtes Stöhnen. Ich fahre mit meinen Fingerkuppen vorsichtig und etwas Verunsichert über den weichen Stoff meines Pullovers, während ich auf meine Unterlippe beiße.
»Ich trage einen Pullover mit Overknees — man sieht Teile meiner Beine«, leugne ich und verschränke die Arme. »Du trägst eine Strumpfhose unter dem Pullover, das hat nichts mit nackter Haut zu tun«, entkräftet sie meine Aussage schlagartig. »Außerdem wird es dort heiß sein, sehr heiß, was nicht nur der Menschenmasse auf engen Raum zu Schulden kommt. Denn mit diesem Outfit wirst du früher oder später sowieso kapitulieren«, setzt sie fort. »Hey!«, murre ich entsetzt. Meine Gesichtszüge sind leicht angespannt und meine Kinnlade ist nur schwer an Ort und Stelle zu halten. »Kritisiere nicht meine Modekünste —ich sag dir, das ist morgen total in«, verteidige ich mich. Mein Blick schweift über das Outfit von Hope und sie stellt meinen Kartoffelsack damit komplett in den Schatten. Hope zuckt mit den Achseln. Ich hatte ja sowieso nicht vor aufzufallen. »Das gute ist, neben dir fällt man nicht auf. Du strahlst wie eine«, ich hole Luft, »eine Discokugel?«
Sie sieht generell so anders aus. Heute ist sie nicht mehr diese süße, schüchterne Frau mit den schwarzen Haaren und der Brille. Heute ist sie eine wilde, aufgeschlossene, andere Version von sich selbst.
Hope verdreht belustigt die Augen und steht auf. Mit einer Handbewegung schlägt sie die Autotür zu, die mit einem lauten Knall ins Gehäuse schnellt. Ein Piepen erklingt und die Lichter des Autos leuchten zweimal auf. Hope steckt den Schlüssel zurück in ihre schwarze Clutch. »Können wir?«, forscht sie neugierig nach, während sie den Knopf an ihrer schwarzglitzernden Tasche schließt.
Wir laufen die nassen Straßen entlang. Das Wasser in den Pfützen wird durch das gelbliche, warme Licht der Straßenlaternen gespiegelt. Auf den Straßen ist es still, genauso wie der Wind nicht braust, fährt kein einziges Auto auf dem Asphalt.
»Wir sind da!«, bemerkt Hope und dreht sich zu mir. Mit einem breiten Grinsen schaut sie mich an, erwartend erwidere ich ihre Blicke, bevor ich mich abwende und umschaue. »Hier?«, hake ich skeptisch nach. Das ist der Club von dem alle schwärmen? »Ja.«
»Wir müssen aber erstmal reingehen«, sagt Hope und hebt ihre Hand, um sie an ihr Gesicht zu legen. Irritiert schaue ich bei ihrem Vorhaben zu und kann mir ein Kichern nicht verkneifen. »Deine Brille hast du daheim gelassen«, erwähne ich und sie beginnt breit zu grinsen, nickt dann aber. Hope greift nach meinem Handgelenk und zieht mich hinter sich her in den Keller mit den heruntergekommenen Hausfassaden, der bröckelnde Pütz und der morschen Holztür, die lautstark knarrt und kein Geheimnis aus ihrem Alter macht. Eine kurze Weile ist es komplett dunkel, sodass man die eigene Hand vor Augen nicht mehr erkennen konnte - doch dann wird es hell, bunt, um es genauer zu beschreiben. Viele bunte Scheinwerfer und Lampen beleuchten den riesigen Raum, laute Musik dröhnt überall aus den Boxen und die Menschenmasse tanzt zu dem Beat der Musik. Der Boden vibriert und in der stickigen und warmen Luft liegt ein bissiger Hauch von Alkohol.
Ehe ich mich versehe, ist Hope auf der Tanzfläche verschwunden. Nach einigen Versuchen, Hope erneut zu entdecken, gebe ich es endgültig auf. Genervt rolle ich die Augen und steuere auf die Bar zu.
»Eine Cola, bitte«, ordere ich beim Barkeeper, schenke ihm ein leichtes Lächeln, woraufhin er mich bemitleidend anschaut. Wirke ich etwa so frustriert? Ich schaue mich etwas um, drehe mich mit dem Barhocker nach links. »Wir haben nur Light«, bemerkt der Barkeeper, weckt meine Aufmerksamkeit, ich winke jedoch ab und wende mich wieder der tanzenden Menschenmenge zu. »Was gibt es denn da so spannendes?«, spricht er mich nochmals an. Als ich ihn erneut anblicke, schiebt er mir die Cola Light hin, die ich dankend entgegen nehme. »Eigentlich bin ich mit einer Freundin hier — die hat mich aber relativ schnell meinem eigenen Schicksal überlassen«, erkläre ich und bekomme ein breites Grinsen als Antwort. »Was denkst du, wie oft das an meinen Arbeitstagen passiert?«, wirft er die Frage in den Raum, klingt dabei leicht abfällig, doch erwartet keine Antwort. Ich seufze gerädert und nippe an meinem Glas.
»Bestimmt hast du schon aufgehört zu zählen«, murmele ich gedankenversunken. Eigentlich würde es ja nicht wirklich auffallen, wenn ich jetzt verschwinden würde. Hier im Umkreis muss doch bestimmt ein Restaurant oder ähnliches geöffnet haben. Fest entschlossen schlüpfe ich in meine Jacke. Eilig trinke ich den Rest des nur noch zur Hälfte gefüllten Glas aus, lege dem Barkeeper das großzügige Trinkgeld auf den Holztresen und verlasse so zügig wie möglich den Club. Vor der Tür erwartet mich allerdings der nächste Graus. Grade als ich einen Schritt aus der Türschwelle setze und meinem dickeingepackten Körper der eisigen Winterluft aussetze, höre ich laute Unruhen. Etwa eine Auseinandersetzung?
DU LIEST GERADE
Wie Zimt und Zucker
RomanceWie Zimt und Zucker ❝ Für das engelsgleiche Mädchen, welches ihr Lachen verlor. ❞ Lorena Campbell wollte schon immer Gutes tun. Ihre Berufswünsche waren nie außergewöhnlich, für sie war von klein auf schon klar, dass sie anderen Menschen helfen möc...