Zuckerwürfel 7

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»Hallo, Melinda«, begrüße ich sie erneut, »freust du dich schon auf die Musiktherapie? Ich bin sehr aufgeregt, denn weißt du, das hier ist mein erstes Mal bei einer Musiktherapie

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»Hallo, Melinda«, begrüße ich sie erneut, »freust du dich schon auf die Musiktherapie? Ich bin sehr aufgeregt, denn weißt du, das hier ist mein erstes Mal bei einer Musiktherapie.« Verträumt schaue ich sie an und auch sie blickt zu mir. Ihre schmalen, rosafarbenen Lippen geprägt von einem leichten Lächeln und in ihren Augen liegt dieses besondere Glänzen, das mir bei unserer ersten Begegnung schon direkt aufgefallen ist. »Hilfst du mir ein bisschen mich heute zurecht zu finden?«, frage ich und greife nach ihrer kleinen Hand. Von der kleinen Melinda geht eine wohlige Wärme aus, obwohl ihre Hände eiskalt sind. Mit einem leichten Druck auf meine Hand symbolisiert sie mir, dass sie mir, so gut wie sie kann, helfen wird.

»Die versteht dich doch eh nicht«, flucht eine weibliche Stimme angriffslustig. Diese Worte schüren meine Lunge zusammen - rauben mir die Luft zum Atmen. Ein leises Japsen entfährt meiner Kehle und ich zucke erschrocken zusammen. Sofort schnellt mein Körper in Richtung der Stimme und ich schaue zwei verdunkelten Augen tief in die Seele. In ihnen erkannte ich Emotionen, geprägt von Hass und Kälte, aber auch Trauer. Nachdem ich mich aus dem fesselnden Blick des Mädchens, mit der schneeweißen Haut und den tiefschwarz gefärbten Haaren, gelöst hatte, fällt mir nun auch die Frau hinter ihr auf. Ich schätze Mal, dass die Frau mit den aschblonden Haaren ihre Mutter ist. »Cathleen!«, fährt sie das Mädchen an und wedelt dabei tadelnd mit ihrem Zeigefinger. Sofort steigen dem Mädchen Tränen in die Augen, die sie sofort unterdrückt. Sie hatte kurz die Fassung verloren, doch unterdrückte die salzigen Tränen gekonnt. »Es tut mir sehr Leid, dass meine Tochter dich so angegangen ist«, entschuldigt sich die Frau. Ich nicke und mache eine höflich ablehnende Handgeste. »Kein Problem«, hauche ich und die Dame schenkt mir ein freundliches Lächeln. Die Tochter verschränkt beleidigt ihre Arme und kämpft mit den Tränen. »Ach Gottchen wie unhöflich von uns!« merkt die Frau an. »Ich bin Melania, das ist meine Tochter Cathleen. Mit meiner Tochter Melinda hast du ja schon Bekanntschaft gemacht.« Sie schenkt mir ein herzliches Schmunzeln, welches ich erwidere.

»Also um deine Frage zu beantworten, Cathleen. Ich rede mit deiner Schwester, weil sie es nicht verdient hat anders behandelt zu werden, nur weil sie nicht sprechen kann«, erkläre ich und Cathleen möchte mir widersprechen, doch ich würge sie ab. »Hast du mal darauf geachtet, dass sie dir antwortet — auf ihre eigene Art? Sie schenkt dir ein Lächeln und drückt deine Hand, auch auch wenn ihr Mund dabei stumm bleibt. Ist dir jemals schonmal das Glänzen in ihren Augen aufgefallen, wenn du mit ihr sprichst?«, frage ich und blicke zu Cathleen, die völlig emotionslos auf der Stelle steht. Sie schweigt. Ihr Schweigen bleibt auch weitere Sekunden noch bestehen. Mein Blick gleitet wie automatisch zu ihrer Mutter, die ebenfalls mit ihren Tränen kämpft. Am liebsten würde ich sie umarmen, ihr irgendwie helfen, das Leid ihrer Familie zu lindern. Doch das konnte ich leider nicht. Ich konnte ihr den Schmerz nicht nehmen und das stimmt mich traurig. »Ich bin doch nicht die einzige, der das auffällt«, murmelt sie leise, ihre gebrochene Stimme bebt und nimmt innerhalb von Sekunden den ganzen Raum ein. Sie schenkt sie mir ein schwaches Lächeln, welches ich quittiere.

»Cathleen, wir werden jetzt gehen«, sagt Melania und blickt zu ihrer Tochter, die sich sofort in Bewegung setzt. Ohne zu zögern, ohne sich zu verabschieden und ohne ihrer Schwester einen letzen Blick zu würdigen. »Cathleen?«, rufe ich ihr hinterher und sie bleibt erstarrt stehen. Wie eine versteinerte Skulptur steht sie mitten im Gang des Zimmers. Leicht nervös knete ich meine Finger, verlagere mein Gewicht von dem einen Fuß auf den anderen und drehe meine Daumen. »Deine Schwester kann nichts für ihre Krankheit. Denk darüber nach. Vor allem ob du irgendwann, wenn Tag X kommt, deine Schwester mit reinem Gewissen gehen lassen kannst.« Sobald diese Worte meine Lippen verlassen hatten, fühle ich mich so unglaublich schlecht. Auch Cathleen und Melania wissen sofort, was ich mit Tag X ausdrücken möchte. Beide Gesichter werden sofort kreidebleich, bei dem Gedanken an den Tod. Als sich Cathleen aus ihrer Starre löst, verlässt sie den Raum. Doch Melanie rührt sich nicht vom Fleck.

»Was habe ich falsch gemacht?«, gluckst sie verzweifelt, den Tränen Nahe. Es würde nicht lang dauern, bis ihre Dämme endgültig brechen. »Du hast nichts falsch gemacht, wirklich nicht. Melinda, sowie auch Cathleen sind supertolle und starke Mädchen«, muntere ich sie auf und ziehe sie zum Abschied in eine in Herzlichkeit getunkte Umarmung. »Und du eine starke Frau. Ich wüsste nicht, wie ich sowas durchstehen könnte«, flüstere ich in ihr nach Pfirsichen duftendes Haar, welches mir beim Sprechen lästig im Gesicht klebte. »Mama!«, höre ich eine genervte Stimme rufen und wir lösen uns. »So, ich muss dann mal los«, sagt Melania und reibt sich mit ihren Daumen vorsichtig die Tränen aus ihrem Gesicht. Ein letztes Mal geht sie zu dem Bett ihrer todkranken Tochter und gibt ihr einen Kuss auf den Scheitel. Danach verlässt sie das Zimmer. Und jetzt widme ich mich wieder Melinda.

»Tut mir leid, das war unprofessionell. Wird nicht wieder vorkommen«, murmele ich und beginne ein großes Loch in die Wand zu starren. Ich bin enttäuscht, ein bisschen —nein, mehr als ein bisschen. In meinem Kopf spiele ich die gesamte Unterhaltung nochmal ab, suche nach Wörtern und Sätzen, die ich eventuell bereuen sollte, doch tatsächlich finde ich nichts. »Ich glaube, genau deswegen mag sie dich so sehr.« Mein Herz bleibt für einen Moment stehen vor Schreck, doch als ich mich wieder einkriege, drehe ich mich langsam um und schaue nun zur Tür. Eine breitgrinsende Hope steht in der Tür und hält sich mit beiden Armen am Türrahmen fest. Irritiert blicke ich Hope an, das Fragezeichen ist mir wohl ins Gesicht gedruckt. Wieso mag Melinda mich so sehr?

»Du bist so anders«, sagt meine Kollegin und ich belächele ihre Aussage. Mein Mund bleibt verschlossen, da er sowieso keine passende Antwort zu Worten gebracht hätte. »Du bringst hier frischen Wind rein. Dieser frische Wind hat uns allen gefehlt. Ich denke, je länger man diesen Beruf ausübt, umso schneller wird man Profi. Man ist-«, sie unterbricht sich selbst, scheint nach den passenden Worten zu suchen, »Mir fehlt das Wort«, murmelt sie und ich muss schmunzeln. »Abgehärtet?«, werfe ich ein und sie nickt. »Aber ich denke auch, dass hier keiner, wirklich keiner, die Kinder so behandelt wie du«, vermerkt Hope. »Bei dir dürfen die Kinder noch Kinder sein.«

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Wie Zimt und ZuckerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt