Ein Zuhause? (6)

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Einen Monat später wusste jeder im Trainingslager Senia-To über Kylo Rens Veränderung zu Ben Solo und über seine Rückkehr Bescheid. Sie achteten darauf, dass sich die Nachricht nicht weiter verbreitete.
Damit die Macht nicht aus dem Gleichgewicht geriet, war Ben immer zwei Tage da und zwei Tage eins mit der Macht. Das war der Rhythmus auf den sich alle einigen konnten.

Poe und Finn hatten sich an sein ständiges Dasein gewöhnt, sie akzeptierten ihn schon fast und versuchten auch mühselig sich wie Freunde zu verhalten. Sie wollten schließlich auch das Beste für Rey und er machte sie glücklich, trotzdem war es nicht immer einfach.
Nur die anderen wollten nicht wirklich mit ihm auskommen. Viele hatten Mitglieder der Familie oder Freunde an die dunkle Seite der Macht verloren, der ersten oder letzten Ordnung. Und so fiel es Ben schwer sich einzuleben. Ein abwertender Blick hier, ein angsterfülltes Wesen dort, nur ein Lächeln von Rey.

Er wollte doch nur ein Zuhause haben und sich sicher fühlen, er wollte seinen Platz in der Welt finden. Manchmal fühlte er sich so allein, der einzige Mensch der davon wusste, war Rey.
Das klang komisch für den ehemaligen Kylo Ren, dachte Ben. Oder vielleicht war es ja doch nicht so seltsam.
Früher hatte er immer eine Rolle verkörpert, die Rolle des Kylo Ren, diese war er besonders hinter seiner Maske gewesen. Manchmal schlichen sich noch ein paar Spuren davon in seinen eigenen Charakter ein. Um die Vergangenheit hinter sich zu lassen, musste er Frieden mit ihr schließen. Doch wie sollte er das schaffen, nachdem was er getan hatte?

Er war blind gewesen in seiner Finsternis und ihr Licht gab ihm die Fähigkeit zu sehen. Er liebte Rey. Sie gab ihm Hoffnung, das Gefühl von Sicherheit und Akzeptanz. Ben konnte er selbst sein bei Rey.
Seine Vergangenheit war nicht einfach gewesen. Dieses ständige Gefühl allein zu sein, verloren zu sein und dann auch noch ausgenutzt zu werden indem Palpatine seine eigenen Gefühle gegen ihn verwendete. Er trug so viel Schuld mit sich herum. Imaginäre tonnenschwere Gewichte hingen über seinen Schultern, gefüllt mit Schuld, der Tod seines Vaters, seiner Mutter, der kurzfristige Tod von Rey, die Tode von allen Leuten, die jemals auch nur Sichtkontakt zu etwas von der ersten oder letzten Ordnung hatten. Er war in einem tiefen Loch der Dunkelheit gefangen.

„KRACK!", machte der Aufzug als er sich öffnete, Ben verließ ihn zügig und ging schnellen Schrittes den Gang zu Reys Zimmer entlang. Er klopfte: „Rey?"
Sie machte die Tür auf und schloss sie wieder hinter ihm. „Ben! Gleich beginnt das erste Training, wo ich wieder mitmachen darf, sogar Poe will es mal mit dem Laserschwert probieren. Kommst du mit?", fragte sie, während sie sich fertig machte. „Lieber nicht", antwortete Ben nur.
„Wieso?"
Ben schritt zum Fenster und senkte den Kopf: „Ich passe dort nicht hin. Mich würden nur ihre enttäuschten Blicke erwarten. Nachdem was ich getan habe. Mach es ohne mich."
Rey hielt inne und lief zu Ben.
„Ben? Du musst aufhören dir selbst die Schuld zu geben. Was geschehen ist, ist geschehen. Das kann man nicht mehr ändern, du kannst jetzt nur noch beeinflussen, was du bist. Wer du bist. Wer bist du?", eine ernst gemeinte Frage.
„Ich weiß es nicht. Das letzte Mal, als ich meinen Charakter ausbilden konnte, war in meiner Kindheit. Als ich dann ein Teenager wurde, wollte ich Pilot, wie mein Vater werden, doch meine Mutter schickte mich weg, damit ich lernen konnte mit der Macht umzugehen. Schon dort fühlte ich mich allein und dann kam Palpatine. Den Rest der Geschichte kennst du.
Und selbst, wenn die Opfer mir vergeben könnten, würden sie nicht wissen, wo sie anfangen sollten", diese Antwort brachte er kaum über die Lippen und er beendete sie mit Tränen in den Augen, es brach Rey das Herz. Im Moment war er eine verlorene Seele. Rey wusste, dass Ben ein Zuhause brauchte und das schon viel zu lange. Sie umarmte ihn fest und Ben fühlte sich sicher. „Das meinte ich nicht. Du musst anfangen dir selbst zu vergeben, es ist egal, wo du anfängst. Fühl dich hier immer willkommen und nimm dir die Zeit, die du brauchst. Ben Solo", flüsterte sie ihm ins Ohr.

„Du musst die anderen kennenlernen und sie müssen dich kennenlernen um dich zu verstehen und zu mögen. Komm mit zum Training", bat Rey. Ben nickte.
Sie holte ihr gelbes Laserschwert aus einer großen Kiste neben der Tür zum Bad. Sie betätigte es kurz und steckte es dann ein. „Gelb? Das ist selten, oder?", fragte Ben überrascht.

„Ja. Ich wollte etwas neues ausprobieren. Mein ganz eigenes Laserschwert", sagte Rey und ging mit einem dezenten Lächeln aus dem Raum. Ben folgte ihr.

In der großen Trainingshalle war Finn bereits am trainieren. Er führte das Laserschwert geschickt um die Eisenstatue herum und stach ihr anschließend ins Herz.
Poe schaute gespannt zu: „Nein, keine Ahnung. Kannst du es nochmal machen? Ich habe keinen Schimmer, was du gemacht hast."
Finn schaute ihn genervt an: „Ich habe das jetzt schon zehn Mal gemacht. Willst du mich ärgern?"
Poe schmunzelte.
„Alter!", sagte Finn nur.
„Hi!", begrüßte Rey sie schnell bevor das wieder außer Kontrolle geriet.
„Hi, Rey! Schön, dass du wieder da bist. Oh, hi Ben", sagte Finn.
Der enttäuschte Blick von ihnen bohrte sich durch Ben hindurch und er wollte sofort wieder gehen, jedoch hielt Rey ihn an der Hand fest. Sie spürte, was er vor hatte. Vor ihrer Macht konnte er sich nur selten schützen.

Sie begannen neue Tricks und Schritte auszuprobieren und kämpften auch gegen einander, das war das beste Training.
Ben stand nur hilflos am Rand und beobachtete das ganze Geschehen.
Poe wollte der eine Schritt einfach nicht gelingen, immer verlor er das Gleichgewicht. „So ne Scheiße!", rief Poe und schnitt die Statue mithilfe von seinem
grünen Laserschwert in zwei. Es fiel niemandem auf, da es abends war und nur sie zu viert in der Halle waren, Rey und Finn steckten gerade in einem heißen Gefecht. Nur Ben sah an der Säule lehnend zu.

„Für einen Anfänger bist du gar nicht so schlecht", sagte Ben. „Wow, danke", erwiderte Poe sarkastisch. „Nein, wirklich. Ich habe jahrelang bei Jedis trainiert und es gab nur wenige die so talentiert wie du waren. Du hast deinen Gleichgewichtspunkt allerdings im Oberkörper. Du musst ihn aber in der Hüfte haben um stabil zu stehen", sagte Ben.
„Was?", fragte Poe überfordert.
Ben stieß sich mit dem Rücken von der Säule ab und ging zu Poe. „Stell dich in die Ausgangsstellung, so wie Rey es dir vorhin gezeigt hat."
Poe zögerte aber gehorchte dann, wie könnte es ihm auch schaden. Er stand Kerzengerade da, die Ausgangsstellung beherrschte er noch nicht genau.
„Bist du Rechts -oder Linkshänder?"
„Rechts"
„Dann ist das dein erster Fehler. Wenn du das Laserschwert direkt vor dein Gesicht hälst, wirst du nichts sehen. Damit bist du blind und schon besiegt. Halte es etwas weiter rechts und du wirst es sicherer führen können."
Auch diese Anweisung befolgte Poe. Da er das Laserschwert jetzt anders hielt, änderte sich auch automatisch seine Fußstellung.
Ben nickte: „Siehst du? Jetzt stehst du Hüftbreit in der Schrittstellung, etwas locker und nach vorne gebeugt. So stehst du stabil und treibst deinen Angreifer etwas nach hinten. Probiere es jetzt", sagte Ben und trat beiseite.
Poe schaute ihn misstrauisch an, dennoch suchte er sich die Statue neben der Zerschnittenen aus. Er versuchte es und tatsächlich funktionierte es! Er war überglücklich: „Rey! Hast du das gesehen? Ich habe den Grundschritt drauf!" Rey lächelte ihm zu und zeigte ihm einen Daumen nach oben.
Strahlend sah er Ben an und es zeichnete Ben ein Lächeln auf das Gesicht. Niemand außer Rey hatte ihn zuvor zum Lachen gebracht, er sah immer todernst auf den Boden. Deswegen erschrak Poe kurz innerlich aber es war kein böses Lächeln, eher ein nettes und er hatte das Gefühl, dass Ben noch mehr davon gebrauchen könnte.
„Kannst du- Kannst du mir mehr zeigen?", fragte Poe. Ben nickte: „Fangen wir mit dem Angreifen an."
Ben hatte wieder seine ernste Mine aufgesetzt aber sein Herz sprang gerade nur so vor Freude. Es fühlte sich so an als wäre er auf einem Weg der zu einem neuen Freund führte und das wollte er nicht vermasseln.
Vielleicht könnte das hier ja doch irgendwie sein Zuhause werden.

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THE RISE OF REYLO | Star Wars (X) | GermanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt