Chapter I - Neo IV

214 18 1
                                    

Aufstehen, waschen, anziehen und zur Schule sprinten. So sah mein Morgen aus, als ich diesen Montag wieder zur Schule musste. Mit schwarzer Cargohose und Band-Pulli, die meine komischen Tattoos gut versteckten, war ich schnell zufrieden. Haare hatte ich gekämmt aber ausnahmsweise offen, keine Zeit mehr gehabt. Frühstück war deshalb nicht drin gewesen und mein Rucksack war auch nur halb gepackt, die Schuhe gar nicht erst richtig zugebunden.

Völlig aus der Puste kam ich noch vor dem ersten Klingeln an. Mit instinktiv gesenktem Blick drängte ich mich durch die Schülermasse, wie immer darauf bedacht so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Schnell scannte ich die Umgebung und sah sofort meinen besten, eigentlich auch einzigen, Freund Alec Rogers. Seine nussbraune Trend Frisur, samt Undercut, war nicht zu übersehen. Ich beschleunigte meine Schritte und holte ihn auf dem Flur ein. "Hey Greg! Wo warst du die letzte Woche? Alter, du kannst mich doch nicht einfach allein lassen." legte die Drama Queen auch sofort los und verschränkte ihre gut gebräunten Arme vor der Brust. "Auf meine Nachrichten hast du auch nicht geantwortet alter!" Ich wollte gerade etwas erwidern, ihm irgendeine Story erzählen warum es mir nicht gut ging, da wurde ich grob nach vorne gestoßen. Schnell hielt ich meine Ärmel mit den Händen fest und als ich mich instinktiv umdrehte drehte blickte ich zu der Person, die ich ganz und gar nicht vermisst hatte, samt seinen drei Schoßhündchen. Blonde, glatte Haare mit säuberlich gezogenem Scheitel, markante Wangenknochen, die teuersten Markenklamotten, das fieseste, weißeste Lächeln und giftige Augen schauten mich an. Er war mindestens einen Kopf größer als ich und auch seine Schultern waren viel breiter als meine es je sein könnten, obwohl ich eine ziemlich durchschnittliche Größe hatte und auch mein Kreuz nicht allzu schmal war. Vincent Edler. Das Sportass, alias, größtes Arschloch aller Zeiten. "Ey Dreckfresse!" Und schon ging es los. Nummer eins auf der Tagesordnung von Beleidigungen: meine Sommersprossen. "Wie lange dauert es noch bis zu deiner OP um endlich das Mädchen zu werden was du schon immer sein wolltest?" Nummer zwei: meine langen Haare. Sein fieses Lachen war auf dem ganzen Flur zu hören und es hatte sich bereits eine Traube von Schülern um uns gebildet. Wir waren quasi gezwungen stehen zu bleiben und ich war mir sicher, dass es mit den Beleidigungen noch weiter gehen würde. "Was'n Wunder! Der Freak traut sich doch wieder in die Schule!" Alec wollte eingreifen, wie er es schon zu oft hatte tun müsste, doch diesmal hielt ich ihn zurück. Mein Blick löste sich von Boden und fixierte Vincent. Ich tat etwas, was ich noch nie getan hatte. "Freut mich, dass du mich die Woche so sehr vermisst hast aber ich würde jetzt trotzdem, wirklich gerne in den Unterricht." Alec blickte mich mindestens so geschockt wie Vincent selbst an. Unschlüssig stand der Blonde da und verdaute was und das ich überhaupt etwas gesagt hatte. Woher dieser plötzliche Mut, mich nach Jahren zu wehren, kam, wusste ich nicht. Es war einfach passiert. "Falls du es nicht verstanden hast, du und deine Schoßhündchen könnt jetzt abhauen." setzte ich noch nach und ging, ohne mich noch einmal umzudrehen und ohne jegliche Rücksicht. War ich lebensmüde so etwas zu Vincent zu sagen? Das Alec mir folgte wusste ich. Seine Schritte waren nicht zu überhören. Allerdings ging ich nicht wie angekündigt in den Unterricht, sondern zu den Toiletten. Ich ließ mich ohne zu zögern an der Wand auf den Boden gleiten und griff mir verzweifelt in die Haare. "Shit Alec, wieso hab ich das gesagt?" Seelenruhig setzte er sich zu mir. Das er innerlich mindestens genauso aufgebracht war wie ich wusste ich, schließlich waren wir schon seit der Grundschule befreundet und mir konnte er gar nichts vormachen. "Ich bin sowas von dran, oder?" "Ja, du bist absolut dran." Bestätigte er meine Vermutung, begann aber nach einer Weile, die wir einfach nur Schweigend nebeneinander saßen, laut los zu lachen. "War aber schon eine geile Action. Woher hast du bloß den Mut genommen?" brachte er unter Lachen hervor. Automatisch steckte es mich an und so saßen wir lauthals lachend auf dem Boden des Jungsklos und schwänzen den ersten Unterrichtsblock. War eh nur Mathe. Das die komischen Tattoos in allen Facetten von Grün leuchteten hatten weder Alec noch ich selbst bemerkt.

Die restliche Blöcke Unterricht machten wir normal mit und auch in den Pausen lief ich Vincent nicht noch einmal über den Weg. Zum Glück. Sonst hätte ich nicht dafür garantieren können, dass diese komische Magieblockade von Lezah und Dora es ausgehalten hätte. Nach der achten Stunde verabschiede ich mich wie immer von Alec. Ungewöhnlicherweise umarmte er mich wie aus dem Nichts, löste sich dann wieder um mir freundschaftlich auf die Schulter zu schlagen und sagte nur noch "Lass dich auf dem Weg nicht von Vincent oder so wegschnappen, alter. Nach deiner Aktion heute... Respekt."

Ich zuckte nur mit den Schultern und stopfte mir Kopfhörer in die Ohren. Auf voller Lautstärke dröhnten meine lieblings Metalbands als ich mich dann auf den Weg nach Hause machte. Wie gewöhnlich war nichts auf den Straßen los. Ich ging langsam durch die Straßen, da ich versuchte Zeit zu schinden. Meine Mom wird mich garantiert ausfragen: Wie ist es gelaufen? Hattest du einen Ausbruch? Hat jemand die Tattoos gesehen? und ich malte mir noch mehr dieser 'Mom-Fragen' aus, als mich eine Bewegung neben mir erschreckte. Mein Kopf schnellt zur Seite und ich erkannte... eine Katze? Wow, ganz toll. Jetzt hatte Alec mir echt so eine Paranoia angehängt, dass ich mich vor einer Katze erschrecke? Genervt ging ich weiter und blickt, gerade als ich in die unsere Straße einbog, direkt in zwei grüne Katzenaugen. Das Tier lief ohne zögern auf mich zu, nur um genüsslich meine Beine zu umschmusen. Seit wann gibt es hier so viele Katzen? Ich beschloss einfach weiter zu gehen und kam auch nach wenigen Minuten an unserem Haus an. Meinen Schlüssel kramte ich schnell aus der Hosentasche, schloss auf und feuerte meinen Rucksack in eine Ecke. In der Küche sammelte ich einen Apfel auf und verkroch mich, bis Lezah von der Arbeit kommen und wir wieder diese blöde Hexerei-Ding machen würden, in meinem zimmer.

Die Hexen des ZirkelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt