Chapter X - IV

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Als ich wieder aufwachte befand ich mich immer noch auf dem Waldboden, allerdings kniete Corvin neben mir und es schien als hätte er mich aufgefangen. Benommen befreite ich mich aus seinem Griff, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen. 

Mein erster Instinkt war es einfach zu springen und diesem Ort so zu entfliehen, doch eine Hand legte sich auf meine Schulter und der Dämon flüsterte "Nicht." 

Warum ich einfach tat was er sagte wusste ich auch nicht, aber ich tat was er sagte. Irgendwas hielt mich zurück. Irgendwie hielt er mich zurück. 

Nun kamen auch die wilden Hexen auf mich zugelaufen und entschuldigten sich überschwänglich für die Umstände. Mein Kopf drehte sich immer noch als sie uns umgehend zu ihrer Hütte führten. Und mit Hütte meinte ich eine Bruchbude im Großen Stil. 

Das Dach war bewachsen mit Moos und Gräsern, der Schornstein krumm und schief, hatte nicht mal mehr alle Steine. Die Fenster hatten keine Scheiben, sondern waren nur kleine Löcher in der bröckeligen Fachwerk-Hauswand. 

Auf einem kleinen Pfad, vorbei an diversen Kräuter-Büschen und anderen, wuchernden Pflanzen mit bunten Blüten und komischen Gerüchen, kamen wir zur Brettertür, die geradezu schräg im Türrahmen hing. 

Generell war das Haus schief, unsymetrisch und total runter gekommen. 

Drinnen ging das Chaos weiter: überall Flaschen, Gläser, Töpfe mit undefinierbaren Inhalten. Auch der Esstisch, samt den Stühlen aus Ästen, sah mehr als gebrechlich aus. Eine der Hexen deutete dorthin "Setzt euch doch bitte ersteinmal". 

Unschlüssig tauschten Corvin und ich einen Blick, setzten uns dann aber äußerst vorsichtig an den wackeligen Brettertisch. 

"Ich bin Delphine und das ist Elisif." sagte die eine Hexe nun und deutete auf die andere. Dann herrschte Schweigen. 

Delphine seufzte laut "Wir bedauern aufrichtig, dass ihr unter solchen Umständen zu uns gekommen seid, aber deine Freunde wollen nur das Beste für dich." 

Freunde. Freunde sagte sie, ohne, dass ich selbst wusste, ob ich die drei überhaupt noch so nennen konnte. Ging man so wirklich mit Freunden um? 

Nein.

Sie hatten mich hintergangen. 

Und dann sah Corvin mich mit einem Blick an, der mir verriet, dass er genau wusste was ich dachte. Trotzdem zeigten seine wunderbar goldenen Augen keine Wertung. Die Augen aus meinem Traum. 

Mein Blick senkte sich starr zu Boden. 

"Wir zeigen euch erstmal euer Zimmer, damit du dich erstmal wieder ordnen kannst, Neo." sagte Delphine und stand vom Tisch auf, wobei ich fast Angst hatte, dass dieser zusammenbrach oder eine Lawine von Gläsern runter fiel. Für einen Moment hielt ich die Luft an, aber nichts passierte. Auch nicht als Elisif es ihr gleich tat. Sie führten uns zu einer engen Treppe im hinteren Teil der Hütte und deuteten uns hoch zu gehen. 

Corvin ging voran, während ich ihm äußerst vorsichtig folgte, denn auch die Treppe wirkte nicht sehr vertrauenswürdig. 

Doch der Dachboden sah erstaunlich nicht-zu-gekramt aus. Es hingen nur ein paar Sträucher getrocknete Pflanzen und Kräuter von den Deckenbalken. Außerdem standen zwei Holzschränke an der Wand, einer davon ein eingestaubtes Bücherregal. 

Zwei schmale Betten befanden sich nebeneinander an der anderen Wand. Darüber ein kleines rundes Fenster, durch das die Sonnenstrahlen ins Zimmer fielen und genau auf einen gemalten Kreis, einem Pentagramm, auf dem Boden fielen. 

Corvin und ich tauschten vielsagende Blicke. Es gefiel uns beiden nicht hier zu sein. Offensichtlich tat es das nicht. 

Aber wir hatten keine Wahl gehabt und so begannen Tage, Wochen, voller Training und Übung in der Kunst der Magie. Die wilden Hexen waren mächtiger als ich anfangs vermutet hatte und konnten mir vieles beibringen. Deswegen sah ich auch davon ab zu fliehen. Zumindest vorerst tat ich das.

Fest stand, ich war mächtiger geworden. Viel mächtiger. 

Auch hinter ihren Rücken hatte ich die Bücher vom Dachboden studiert, geübt und gelernt. Corvin schien dabei immer ein Auge auf mich zu haben, aber zu den Hexen sagte er kein Sterbenswort. 

Während meines Trainings saß er meist unter den Bäumen, steckte seine Nase in ein Buch und dachte ich würde nicht bemerken wie seine goldenen Augen mich verfolgten. Keine meiner Bewegungen schien ihm zu entgehen und langsam fragte ich mich, warum sein Interesse an meinen Leistungen so hoch zu sein schien. 

Es war nachts. Der Vollmond strahlte über dem Wald und ich übte mal wieder heimlich. Dazu hatte ich einen Salzkreis gezogen und studierte ein Buch. Ein besonders interessantes Buch, welches ich unter den Dielen versteckt gefunden hatte. Es war in der alten Sprache verfasst worden und sah auch schon sehr mitgenommen aus. Aber der Titel, der weckte großes Interesse bei mir. Grob übersetzt stand dort "Das Rauben von Mächten". 

Ich hatte es schon mehrmals gelesen und war mir inzwischen sicher, dass ich diesen Zauber perfekt beherrschte. 

Währenddessen entging mir nicht Corvin, der auf seinem Bett saß und mich skeptisch beobachtete. Es nagte nun endgültig an mir und ich stürmte geradezu auf ihn, baute mich vor ihm auf.

 "Was soll das!" fuhr ich ihn an. 

"Was meinst du?" 

Damit brachte er mich zum kochen. 

"Du beobachtest mich schon ständig seid wir hier sind!" Mein Zeigefinger bohrte sich in seine Brust. Er wirbelte mich herum, sodass mein Rücken nun zur Wand stand und stemmte seine Hände neben meinen Kopf. Starr sah ich ihn an, während er einmal durch mein langes Haar Strich.

"Du weißt doch genau wieso.", hauchte er und sein warmer Atem straf meine Stirn. 

Ich war wie versteinert und rührte keinen Muskel. Mein Ärger hatte sich soeben in Luft aufgelöst und ich fühlte anders. 

Die Hexen des ZirkelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt