Chapter IX - II

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"Was machen wir wenn er nicht wieder aufwacht?" 

"Der wird schon wieder… Oder?"

Skeptisch blickten Asmo und ich zu Corvin, der ohnmächtig auf dem Sofa lag. Wir waren zurück in Asmos Wohnung und es war bereits 02.00 Uhr. Trotzdem saßen wir noch auf den beiden Sesseln vor dem Sofa und schwiegen uns eigentlich nur an. Es verstrich Minute nach Minute und nichts veränderte sich. Corvin war so blass und schon wieder ziemlich verdreckt und blutverklebt. Wieso war er in diesem Zustand auch einfach abgehauen?

Laut seufzend stand ich auf. "Ich hole jetzt einen Waschlappen und Wasser." Verwirrt sah Asmo mich an, aber ich war schon gegangen und als ich zurück kam sah ich ihn telefonieren. 

"Ja, okay, mach das." es folgte eine Pause. "Neo geht's gut, ja." wieder Stille. "okay, gut. Das wird reichen." Nochmal Stille. "Bis dann und sorry nochmal, dass ich dich wach geklingelt habe." dann legte er auf. 

Vorsichtig platzierte ich die Schüssel mit Wasser neben dem Sofa auf Höhe von Corvins Kopf und kniete mich daneben. Einen Verbandskasten hatte ich auch gleich aus dem Bad mitgebracht. Fragend drehte ich meinen Kopf zu dem Werwolf. "Ich hatte Jo angerufen und gefragt ob sie irgendwas hat damit unserer Freund hier schneller wieder aufwacht. Sie kommt Mittag vorbei, hat sie gesagt." Ich quittierte das ganze nur mit einem Nicken und tauchte den Lappen in das warme Wasser. Sachte tupfte ich das Blut, sowie den Schmutz aus Corvins Gesicht. 

Es dauerte und darunter offenbarten sich tiefere Wunden als gedacht. Er sah schlimm aus und selbst an seinem Hals hatte er plötzlich tiefe Fleischwunden. Was hatte er getrieben nachdem er abgehauen war? Jetzt bemerkte ich noch, dass der Ärmel des Pullovers zerfetzt und blutgetränkt war und schob diesen langsam hoch. Darunter verbarg sich ein mindestens dreißig Zentimeter langer und drei Zentimeter tiefer Schnitt. Das musste eigentlich genäht werden aber da die Wunde offensichtlich einen übernatürlichen Ursprung hatte, konnten wir ihn damit ja schlecht ins Krankenhaus bringen, also mussten Verbandszeug und Desinfektionsmittel erstmal reichen. Natürlich wäre es leichter, mithilfe meiner Fähigkeiten, es einfach zu heilen, aber dafür war ich selbst noch zu geschwächt und seufzend wurde mir das auch bewusst. 

"Du schuldest ihm nichts, Neo. Und außerdem solltest du auch endlich schlafen gehen. Die Ruhe hast du nötig. Belehrte Asmo mich, nachdem ich den Lappen zur Seite getan hatte. "Du hast vermutlich recht." Mit trägen Augen sah ich zu ihm hoch. "Hast du eine Decke für mich, dann schlaf ich hier auf den großen Sessel." "Ich möchte dich eigentlich ungern mit dem Dämonen alleine lassen." äußerte Asmo seine Bedenken während er seine Brille zurecht schob. "Das ist schon okay. Offensichtlich will er mich ja nicht tot sehen." Angespannt lachte ich. Oder versuchte es zumindest. "Nagut, dann hole ich dir mal eine Decke." 

Kurz darauf kam der Werwolf schon wieder, samt Decke und Kissen, die er mir auf den Sessel legte, bevor er 'Gute Nacht' sagte und selbst schlafen ging. 

Tatsächlich dauerte es nicht lange bis ich Schlaf fand. Relativ tief schlief ich eine Weile, bis etwas, wie ein erstickter Schrei in mein Bewusstsein trat. Davon geweckt schlug ich die Augen auf und blickte in tiefste Dunkelheit. So lange konnte ich also noch nicht geschlafen haben. Ich hörte schweres Atmen und ein Schniefen im Zimmer, sodas ich nach der Stehlampe neben dem Sessel tastete und diese schließlich einschaltet. 

Kerzengerade saß Corvin auf dem Sofa, der Blick leer und die Hände auf die Beine gestützt. Er war wach. Langsam sackte er nach vorne, sodass er zusammengekauert auf dem Sofa saß und sich krampfhaft in die Decke krallte. "Corvin?" flüsterte ich und seine Augen huschten panisch zu mir rüber. "Lass das Licht an… Bitte." keuchte er und wendete den Blick von mir ab. "Hast du Angst im Dunklen?" fragte ich vorsichtig aber er reagiert nur gereizt. "Natürlich nicht. Lass es einfach an."

Er hatte also panische Angst vor dunklen Räumen, wollte es aber nicht zugeben. Gut zu wissen und wieder tat er mir nur leid aber ich könnte wetten, dass er dieses Mitleid nicht wollte und ich konnte es nachvollziehen. Ich würde es auch nicht wollen. 

Er dreht sich mit den Gesicht zur sofalehne, sodass er mich nicht ansah. "Brauchst du etwas?" fragte ich, worauf Corvin nur "Halt die Klappe." erwiderte. Angepisst drehte auch ich mich weg. Soll der doch selbst zusehen wie er klar kommt, nur, weil er zu stolz ist um zuzugeben, dass er Angst hat. Aber es hatte mich um meinen Schlaf gebracht. Ich fand einfach keine Ruhe mehr und ich spürt, dass es Corvin nicht anders ging. Es war komisch aber irgendwie konnte ich genau spüren wie er wach lag, was er fühlte, als wäre ich selbst ein Teil von ihm. Dann plötzlich schlugen Erinnerungen auf mich ein, aber es waren keinesfalls meine eigenen: Dunkelheit, Schmerzen, Feuer und heiße Messer, die mir ins Gesicht schnitten. Äxte, die auf meinen Rücken einschlugen und Hämmer, die meine Beine brachen. Eine Ewigkeit alleine in der Dunkelheit, dann plötzlich eine Hand und eine herraus geschnittene Zunge. 

Erschrocken fiel ich fast vom Sessel, als Corvin bedrohlich "Lass es!" knurrte und mich so wieder ins hier und jetzt zurück holte. "Halt dich gefälligst aus meinem Kopf raus! Das geht dich nichts an!" brüllte er. Seine Stimme war plötzlich so aggressiv aber seine grünen Augen zierten Tränen, die langsam seine Wagen herunter kullerten, vorbei an den Narben, bis sie auf den Boden aufkamen. 

Die Hexen des ZirkelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt