Chapter VIII

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Stunden waren vergangen und noch immer saß ich einfach auf dem Bett. Angst lang wie ein dichter Nebel über meinen Gedanken. Sie würden mich hier behalten, vielleicht sogar umbringen oder schlimmeres und nicht einmal irgend etwas um meinen Freunden zu helfen hatte ich rausgefunden. Seufzend ließ ich mich nach hinten fallen. Aus glasigen Augen sah ich an die Decke. Verzweifelt verdeckte ich mit den Händen mein Gesicht. Ich konnte an nichts anderes als meine unfassbare Angst davor, was sie mit mir machen würden, denken. Und niemand würde mir helfen können, keiner würde meine Schreihe hören. Mein Puls begann zu rasen, meine Hände zu zittern. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen und die Panikattacke steigerte sich. Tränen rannten, wie ein endloses Meer, mein Gesicht hinunter. Ich konnte nichts sehen. Meine Augen öffneten sich nicht! Die Dunkelheit umgab mich und ohne einen Ausweg irrte ich durch die Finsternis.
Dann fiel ich.
Mit der Schulter schlug ich auf den Boden und der Schmerz brannte in meinem Körper. Unterbewusst hielt ich mir die Schulter als ich mich aufrappelte. Keine Sekunde brauchte ich um zu erkennen wo ich war. Die Bibliothek. Diese Wände und Bögen mit den vielen Ornamenten waren unverkennbar, aber es war nicht irgendein Gang in dem ich mich befand, nein. Das hier war was ich gesucht hatte, das konnte ich spüren. Ein geheimer Teil der Bibliothek, den man natürlich nur durch diese eine besondere Fähigkeit erreichen konnte und Corvin hatte dafür gesorgt, dass ich wieder springen konnte. Wie viel wusste er und warum half er mir? Dann schnellte mein Kopf nach rechts. Alles in mir zog mich zu dem Regal vor mir. Meine Eingeweide würden auseinander reißen, wenn ich nicht sofort dorthin ging, das spürte ich und gab nach.
Wie von selbst hob sich meine Hand und griff nach dem smaragdgrünem Buch. Vorsichtig zog ich es heraus wischte den Staub hinunter. Wie lange war keiner mehr hier gewesen? Die schwarzen Lettern waren geschrieben in einer Sprache die ich noch nie gesehen hatte. Umso mehr überraschte mich die Bedeutung der Worte, "Hekates Macht" und damit der Fakt, dass ich es überhaupt lesen konnte. Bevor ich dazu kam, das Buch zu öffnen, schlug der Einband auf und ein Sturmwind wehte durch den Gang. Es rauschte in meinen Ohren und die Buchseiten flatterten. Auf einen Schlag war es wieder ruhig, das Buch in meinen Händen nun aufgeschlagen. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, als ich zu lesen anfing. Genau das hatte ich gesucht.
Binnen Sekunden sog ich jedes Wort auf. Das Ritual, um den Dämonen Prinz zu befreien würde schwierig werden. Besonders schwierig, angesichts der knappen Zeit, die uns nur noch blieb. "Blut dreier Arten..." murmelte ich vor mir her. Das hätten wir schon mal und das passende Ritualmesser werde ich auch noch finden. "Mondsteine, gebadet im Blutmond." Das würde Asmo dann wohl besorgen müssen. Salz wird einfach zu bekommen sein, genauso wie die restlichen Kräuter, die hat Mom garantiert in Massen Zuhause. "Ein Teil des Ziels, in den Händen einer Jungfrau…"
Mir entwich ein lautes seufzen, die Jungfrau-Rolle werde ich dann wohl übernehmen müssen. Aber 'ein Teil des Ziels', was bedeutet das? Doch nicht etwa, dass ich etwas aus der Welt des Unveränderlichen brauche? Vielleicht reicht ja das Bild, des Dämonen. Hoffentlich reicht es, was anderes haben wir schließlich nicht.
Am Ende der Seite fand ich noch eine Formel, die gesprochen werden soll, wenn der Vollmond am Himmel steht und alle Beteiligten sich in dem Salzkreis versammelt haben, dann beginnt das Ritual. Nach der Formel stand in großen, dicken Runen eine Warnung. Machen Hexen sind bei dem Versuch, dieses Ritual durchzuführen ihrer Macht beraubt worden oder gar nie wieder zurückgekehrt. Aber bin ich denn mächtig genug? Zweifel keimten erneut in mir auf und es machte mir Angst. Schon fast panisch schlug ich das Buch zu und versteckte es unter meinem Hoodie.
Als könnte ich es kontrollieren, zog es mich zurück in meinen Raum. Erstaunt lag ich wieder auf dem Bett. Dieses Mal hatte ich nicht durch grausame Dunkelheit wandern müssen. Vielleicht würde ich das Ritual ja schaffen? Mit einem Ruck sprang ich auf. Ich musste es versuchen! Sonst würde das Gleichgewicht zwischen den Arten schwinden und wohlmöglich eine Schreckensherrschaft der Hexen anbrechen. Das konnte und wollte ich nicht zulassen! Ich gehöre zwar selbst zu ihnen, aber das heißt nicht, dass ich ihr Streben nach macht unterstützen werde.
Eilig stopfte ich alle meine Sachen in den Koffer und verstecke das Buch darunter. Ein Blick aus der Tür verriet mir, dass es auf dem Flur leer war und ohne weiter nachzudenken, packte ich den Koffer und rannte. Ich musste hier weg!
Eilig hetzte ich den Gang entlang, während mein Koffer hinter mir her schwebt. Ich blieb stehen und schaute, so vorsichtig es nur ging, um die Ecke. Es war niemand zusehen und so rannte ich weiter. Ich musste hier weg sein bevor Lene nach mir suchen würde und ich wusste nicht, wie viel Zeit mir noch blieb. In Gedanken versunken hatte ich die, sich nähernden, Stimmen zu spät bemerkt. Panisch drückte ich meinen Körper gegen die Wand und im nächsten Moment bogen Jasmin und ihre Freundinnen in den Gang ein. Sie kamen auf mich zu und, sie gingen an mir vorbei? Ein kurzer Blick nach unten verriet mir, dass ich wohl unterbewusst mit der Wand verschmolzen bin, sodass sie mich nicht gesehen haben konnten. Ein einfacher Trick, der bei stärkeren Hexen sofort aufgeflogen wäre. Aber ich musste weiter, den Flur entlang, hinaus aus der Villa. Das war wohl der gefährlichste Part, den es lag freies Feld vor mir, nichts, wo ich mich hätte verstecken können. Nun musste ich auf mein Glück vertrauen und mich wirklich beeilen. Genau das tat ich und erreichte nach wenigen Minuten, die mir wie eine quälende Ewigkeit, in der, der Weg immer weiter wurde, endlich die steinernde Säulenhalle.
Erschöpft stürzte ich mich auf meinen Koffer und atmete ein paar Mal tief ein. Ich war den ganzen Weg gerannt, aber wirklich Zeit zum ausruhen blieb mir nicht, denn ich war mir sicher, mein Verschwinden würde nicht lange unentdeckt bleiben. Ich war kaum noch her über meine flatternden Nerven, als ich mich wieder aufrichtete und mich in die Mitte der Halle begab. All meine Kraft musste ich zusammen nehmen, um einen der Eingänge zu einem Ausgang für mich zu machen. Blut floss unaufhörlich aus meinen Augen und meiner Nase, als mein Schädel zu explodieren drohte. Mein Magen überschlug sich, mir wurde übel. Alles drehte sich, während Sterne vor meinen Augen in hellem Glanz zu tanzen begannen. Ich viel auf die Knie, meine Hände trafen auf Waldboden und ein spitzer Stein Schnitt mir tief in die Handfläche.
Benommen sah ich mich um und… ich hatte es geschafft, ich war im Wald, nicht mehr in der Säulenhalle und auch nicht mehr bei dem Zirkel gefangen! Mit zittrigen Fingern fische ist mein Handy aus der Hosentasche und wählte.
"Neo! Bist du schon wieder zurück?" "Welcher Tag ist heute?" Ein Keuchen entwich mir. "Du bist ja ganz außer Atem. Was ist passiert?" "Asmo! Verdammt! Der Mond!" Kurz schien der Wolf zu überlegen, antwortete dann aber genau das, was ich hören wollte. "Morgen ist Vollmond. Wo bist du?" Erleichtert ließ ich mich rücklings ins Gras fallen. Das Blut in meinem Gesicht war bereits getrocknet. "Neo! Wo bist du!" "Im Wald." Autoschlüssel klapperten im Hintergrund und eine Tür fiel ins Schloss. "Bleib da, ich komme. Dich riech ich zwei Meilen gegen den Wind." lachte Asmo und legte auf.
Benommen starrte ich gen Himmel. Es war bereits dunkel und ich konnte die Sterne so schön sehen. Wann war es dunkel geworden? Plötzlich ein Lichtstrahl, direkt auf meinem Gesicht. Wurde es wieder hell? Wieso strahlt die Sonne? Waren das Stimmen im Hintergrund? Was sagen sie? Ich schwebte irgendwo zwischen Bewusstlosigkeit und Realität. Das letzte, was ich hörte, bevor ich vollends von der Schwärze verschlungen wurde war eine der Stimmen. Sie rief meinen Namen und "Schnell! Schnell! Sonst verlieren wir ihn!"

Die Hexen des ZirkelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt