Die Hexen des Zirkels

Chapter VI - II

Am Nachmittag des verabredeten Tages stand ich vor Alecs Haustür und drückte etwas zögerlich auf die Klingel. Wenn Mom wüsste, dass Asmo auch hier ist würde sie mich garantiert köpfen. Mir blieb keine Zeit um über weitere Szenarien nachzudenken, denn Alec riss sofort die Tür auf. Mit dem üblichen Handschlag begrüßten wir uns und ich folgte ihm hoch in sein Zimmer. Auf dem Sofa hatte es sich Asmo schon bequem gemacht, während er irgendetwas auf seinem Handy herum tippte. Als er aufblickte schob er seine Brille zurück und schenkte uns sein strahlendstes Lächeln. Dann bemerkte ich erst Jo, die unbeeindruckt auf dem Bett lag. Von ihr wurde ich mit einem Brummen begrüßt und als Alec sich zu ihr setzen wollte fing sie sofort an zu meckern. Genau das tat Asmo auch mit mir. "Wieso hast du dich nicht gemeldet! Ich hab mir ernsthaft Sorgen gemacht, Neo!" Beschämt sah ich auf meine Füße. "Sorry, meine Mutter hatte bemerkt, dass du ein Werwolf bist und hat es mir verboten. Sie meint du wärst gefährlich." Den letzten Satz nuschelte ich nur noch aber Asmo hatte ihn trotzdem verstanden. "Ich würde dir nie was tun! Ehrlich!" rief er bestürzt.

"Ist doch jetzt auch egal, komm zum Punkt, mann!" Jo hatte sich nun aufgesetzt und war sichtlich genervt. Auffordert sah sie uns an. Kurz schien mein Gegenüber zu überlegen, legte dann aber los. "Gut, also ich habe etwas gefunden, dass uns helfen kann rauszufinden warum du halt so bist wie du eben bist, Neo." Na vielen Dank auch, hört sich ja sehr freundlich an. "Also es gibt da eine Prophezeiung," Hilfesuchend blickte Asmo zu Jo und ohne zu zögern fing die Elfe an zu erklären. "Prophezeiungen sind etwas äußerst seltenes und werden immer stückweise von den, in diesem Moment, mächtigsten Wesen empfangen. Meistens ist Form von kristall ähnlichen Bruchstücken, die von besagten Wesen dann gefunden werden. Durch diese Stücken kann man die Prophezeiung sehen und wenn alle sich zusammen schließen auch komplett verstehen. Die letzte Prophezeiung gab es vor über tausend Jahren." Es dauerte eine Weile, bis ich diese Information verarbeitet hatte. Dann begann Asmo aber umgehend weiter zu reden. "Genau und diese Prophezeiung ist ein riesen Mysterium. Drei Teile dieser Prophezeiung hat der Hexenzirkel an sich gebracht und das einzige Gerücht über den Inhalt ist, dass es um eine männliche Hexe geht, die unsere Welt verändern wird." Damit war ich endgültig verwirrt. "Wie viele Teile gibt es?" "Vier." Mit einem leisen Pfeifen sog ich die Luft ein. Das kam überraschend. "Die Hexen haben drei von vier Teilen und genau das wichtigste Stück der Prophezeiung fehlt ihnen. Das Ende." "Wer hat es?" "Genau das ist das Problem. Um das Ende zu bekommen müssen wir jemanden in der Welt des Unvergänglichen finden." Wie vom Blitz getroffen sprang Jo auf. "Das ist doch nicht dein Ernst! Alter, das ist quasi Selbstmord. Da kommt niemand wieder raus!" "Niemand außer Neo." Alle Blicke lagen auf mir. Abwehren hob ich die Hände und schüttete heftig mit dem Kopf. "Du könntest mit dem Körper springen und uns mitnehmen. Sowas ist zwar ziemlich anstrengend aber ich habe gelesen, dass es funktioniert." beteuerte Asmo und ich wich ein paar Schritte weg. Dafür bin ich sowieso nicht geübt genug und außerdem, kam das gar nicht in Frage. "Ich hab dafür gesorgt, dass ich nie wieder springen kann!" Ihre Augen weiteren sich bis aufs äußerste und gaben so ihren Schock preis. "Wie?" keuchte Jo, während sie vorsichtig auf mich zu kam. Eine Antwort von mir erwartete wohl keiner und die Luft zwischen uns war zum zerreißen gespannt. "Das ist eine unglaubliche Gabe und du schmeißt sie einfach weg, du Idiot!" "Du weißt ja gar nicht was ich alles sehen musste!" "Mehr als jeder andere jemals könnte! Du bist so ein verdammter Idiot!" Unsere Köpfe waren durch das geschreie knall rot angelaufen und wutentbrannt standen wir uns gegenüber. "Hey, ganz ruhig Leute." Alec versuchte dazwischen zu gehen. "Er hat recht, aufregen bring jetzt nichts." pflichtete ihm Asmo bei und wühlte in seiner Jackentasche bis er einen kleinen dreckigen Zettel heraus holte. "Guckt euch lieber das an." Auffordernd streckte er uns den Zettel entgegen. Ich nahm den Zettel und erkannte, dass es sich eigentlich um eine alte Buchseite handelte. Gespannt faltet ich das Stück Papier auseinander.

Erschrocken riss ich die Augen auf, als ich die Abbildung darauf sah. Das Ding ähnelte von der Form her einem Menschen, nur viel knochiger. Das Ding sah aus, als wäre es meinem schlimmsten Albtraum entsprungen. Aschfahle Haut, die Haare waren pechschwarz, aber viel länger als meine. Augen hatte das Ding keine und der Mund war voll mit rasiermesserscharfen, spitzen Zähnen. Anstatt Hände konnte ich Klauen erkennen und das erschreckenste waren die zerfetzten, ledrigen Flügel auf dem Rücken der Kreatur. "Was ist das?" "Das ist unsere einzige Chance den wichtigsten Teil der Prophezeiung zu erfahren." Damit warf Asmo mich komplett aus der Bahn. "Dieses Ding hat den letzten Teil?" "Richtig, wenn wir uns gut mit diesem Dämonen stellen, kann er dir mehr Fragen beantworten als wir alle jemals könnten." Asmos Gesicht war ernst. Er verzog keine Miene. Ich, für meinen Teil, war aber mehr als skeptisch. "Was für ein Dämon ist es?" fragte Jo nach und riss mir das Blatt aus der Hand. "Nicht dein scheiß Ernst, Asmo!" Alec und ich verstanden beide gar nichts mehr. Wenn Jo schon so entsetzt reagiert, was hat es dann mit diesem Dämon auf sich? "Kann jetzt einer mal klartext reden?" mischte sich schließlich auch Alec ein. "Okay, okay." Asmo rückte noch mal seine Brille zurecht und nahm dann Jo den Zettel aus der Hand. "Das hier ist nicht irgendein Dämon. Das ist, laut den Überlieferungen, der Dämonenprinz und Herrscher über alle Legionen ihrer Welt, höchst persönlich. Quasi Satans Sohn." "Das mach ich nicht mit. Niemals!" Trotzig verschränkte ich meine Arme und war kurz davor einfach zu gehen. Wie kann Asmo nur von mir erwarten mit so etwas zu kooperieren? Dieser Dämon war ohne Zweifel böse bis aufs Blut. "Neo, bitte." "Wieso?" "Ich hab schon so viele Wesen von dir fern halten müssen, ohne daß du es auch nur mitbekommen hattest, dass sie hinter dir her waren. Dieser Dämon ist unsere einzige Chance herauszufinden warum es alle auf dich abgesehen haben!" Ich konnte ihm einfach nicht antworten. Schweigend stand ich da, in der Bewegung zu Eis erstarrt. "Jeder weiß, dass du etwas besonderes bist, Neo, aber irgendwas stimmt gewaltig nicht mit deiner Existenz. Es ist unsere einzige Chance das zu klären." Das alles war zu viel. Heiße Tränen sammelten sich in meinen Augen, bis sie unermüdlich über meine Wangen rannen. Ich wollte nie besonders sein. Alles was ich wollte, war ein normales Leben. Da gestand ich es mir ein, ich hatte Angst vor der Prophezeiung. Was wenn die Verantwortung, die damit kommt, zu viel für mich war? Was wenn ich diesem Druck nicht standhalten kann, sondern kläglich untergehe? Die zierliche Hand von Jo legte sich auf meine Schulter und durch ihre Elfenfähigkeiten ebbte der Sturm in mir sofort ab.
"Wir sind immer bei dir."