Neun

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Junes Leben auf Hogwarts war anfangs wahrlich nicht einfach. Malfoys böse Worte und Sirius anschließende Wut saßen ihr noch immer in den Knochen. Noch nie wurde sie von einem anderen Mitmenschen so unfreundlich behandelt. Naja... Sie war ja noch nicht vielen Leuten begegnet. Das Geschehene ließ sie wieder an ihrer Entscheidung, nach Hogwarts zu gehen, zweifeln. War es wirklich das Richtige gewesen? Zuhause war niemand, der böse zu ihr war, zuhause waren nur ihre liebenden Eltern. June spürte ein Stechen in der Brust. Ihre Eltern. Sie vermisste sie sehr.
Was sie jetzt wohl taten? Ihr Vater saß wahrscheinlich auf seinem Lieblingssessel, ein Buch in der Hand, die langen Beine auf einen Sesselhocker gelegt, die Brille bis zur Nasenspitze runter gezogen. Ihre Mutter saß vermutlich auf der Couch daneben, die Beine angewinkelt unter einer warmen Decke, Wolle und Stricknadeln in der Hand und ab und zu dem Fernseher oder Radio lauschend. Bei dieser friedvollen Vorstellung musste June lächeln, doch auch das Ziehen in ihrer Brust wurde stärker. Nicht nur vermisste sie ihre Eltern, sondern auch die Ruhe und den Frieden des eigenen Heims.
Auf Hogwarts war das Wort Ruhe ein Fremdwort. Hier war zu jeder Stunde Trubel, abgesehen natürlich nachts, und für June war das völlig ungewohnt. Die vielen Menschen auf einem Fleck, die lauten Stimmen, so viel Gelächter und Spaß. Selbstverständlich lachten sie zuhause auch, doch hier war es lauter, schallender. Apropos Gelächter. Wild durcheinander redend kletterte eine Gruppe von Jungs aus dem Porträtloch und füllte den Gemeinschaftsraum der Gryffindors mit Trubel. Die Rumtreiber.

Sie seufzte laut und klappte das Buch zu, aus dem sie Informationen für Geschichte der Zauberei heraussuchen musste. Daraus würde wohl nichts mehr werden.
"Hey, June!", rief Remus und lief lächelnd auf sie zu. Sie hob die Hand und schenkte ihm ein erschöpftes Lächeln. "Was machst du denn da?", fragte Sirius, als sie sich alle um June versammelten und den Tisch, an dem sie bisher noch alleine gesessen hatte, einnahmen. Ohne eine Antwort geben zu können, schnappte der Frauenheld sich das Buch und las den Titel. Er verzog das Gesicht. "Unnötiger Trolldreck", kommentierte er und ließ es wieder auf den Tisch fallen. "Hey!", beschwerte June sich, als es auf ihr frisch beschriebenes Pergamentblatt fiel. Sirius ignorierte das und ließ sich einfach lässig in einen Stuhl fallen. "Du solltest nicht hier rum hocken und büffeln. Es ist der erste Tag nach den Ferien!", meinte James. June sah ihn verständnislos an. "Eben", sagte sie verwirrt, doch er schüttelte den Kopf. "Niemand macht am ersten Tag Hausaufgaben", sagte Peter, der sonst kaum was sagte. James und Sirius nickten zustimmend, Remus schüttelte nur lächelnd den Kopf. Er wusste, dass momentan alles ein bisschen viel für seine Schwester war. "Was würdest du von einem Abendspaziergang halten?", fragte er. Sofort spitzten die restlichen Rumtreiber die Ohren. "Oh ja!", freute sich Sirius. Das Mädchen runzelte die Stirn. "Aber wir dürfen so spät doch nicht mehr nach draußen."

Anscheinend waren die Rumtreiber anderer Meinung. June konnte kaum richtig denken und schon waren sie aus dem Gemeinschaftsraum, durch die Flure und schließlich aus dem Schloss geschlichen. Es war eine relativ kühle Nacht, der Sternenhimmel war riesig und der Halbmond schien hell und klar. Eine Brise lag in der Luft. "Na los!", flüsterte Sirius ihr entgegen und stubste sie kurz in die Seite. Dann rannte er den Hügel hinunter auf dem sie standen, doch als er unten angekommen war, verkrümmte er sich. June schnappte nach Luft und wollte  ihm hinterher rennen, doch Remus hielt sie auf. "Aber Sirius-" "Sieh hin", meinte er ruhig. Sirius großgewachsener Körper krümmte sich, seine Wirbelsäule schien länger zu werden, seine Beine knickten ein, er lag auf allen Vieren. June konnte fast nicht hinsehen. Auf seinem Körper wuchs Fell, sein Gesicht wurde länger und innerhalb einer halben Minute stand ein großer, schwarzer Hund hechelnd vor ihnen. Der Hund sprang ein paar mal im Kreis und bellte kurz auffordernd.
June stand der Mund weit offen. Noch nie hatte sie so etwas gesehen. Gelesen, ja, doch miterlebt, niemals.
Sie drehte sich mit noch immer offenem Mund zu den anderen um, doch anstelle von James und Peter stand hinter ihr ein majestätischer brauner Hirsch mit großem Geweih und atmete ihr direkt ins Gesicht. Zu den Füßen des Hirsches raschelte es im Gras und ein kleiner grauer Schatten schnellte den Berg hinab. Der Hirsch atmete schnaubend aus, bäumte sich dann auf und galoppierte rasend schnell den Abgang hinunter.
"Atemberaubend, nicht wahr?", fragte Remus lächelnd und legte ihr geschwisterlich einen Arm um die Schultern, während sie den drei Tieren zusahen. Sirius jagte dem galoppierenden James hinterher, Peter war nirgends zu sehen. Aus der Ferne sahen sie aus wie komplett verrückte Tiere, die zu tief ins Glas geschaut hatten.
Sirius, der Hund, rannte dem Hirsch die ganze Zeit hinterher, bis James aprubt stehen blieb. Der Hund schlitterte und wich stolpernd aus, fiel über seine eigenen vier Beine und machte bei seinem Ausweichmanöver einen Purzelbaum. June fing an zu lachen. Das sah nun wirklich zu dumm aus.

Noch lange blödeten die Animagi und Remus und June herum, bis es an der Zeit war wieder ins Schloss zurückzukehren. Erschöpft und schmutzig von der Erde, trapten die fünf den Berg hinauf. June war nun voll und ganz glücklich. Schon lange hatte sie nicht mehr so einen Spaß gehabt. Die Rumtreiber waren wirklich etwas besonderes, dachte sie und sah kurz zu ihnen hinüber. Sirius rieb sich den schmerzenden Arm, den er sich bei seinem Ausweichmanöver zugefügt hatte, und lachte, als James ihm erzählte, wie dumm es ausgesehen hatte. Das Mädchen lächelte und ihr wurde eines klar. Egal wie gemein andere zu ihr sein würden, diese vier Jungen würden für sie da sein.

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Ich hoffe euch hat das Kapitel nach langer Zeit gefallen :)
Es ist nicht viel, aber vielleicht mochtet ihr es ja trotzdem.

Auf Wiederlesen,

Sheelou02

Werewolf's Sister// Rumtreiber FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt