Dreiundzwanzig

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Am Samstag war die Stimmung am Frühstückstisch ein wenig unbehaglich. Mit Sirius war June zwar wieder im Reinen, doch James wirkte noch immer etwas pikiert, wenn sie etwas sagte. Dass Sirius beim letzten Training nicht antreten konnte, schien ihm wirklich zu schaffen zu machen. Doch June machte sich keine all zu großen Sorgen um ihn, ihrer Meinung nach war er ein bisschen zu besessen von Quidditch.

"Ich weiß nicht, wie ich heute gescheit spielen soll", murmelte Sirius und massierte sich die Arme, die wegen der ganzen Putzerei ganz verspannt waren. James warf June einen kurzen, miesgelaunten Blick zu und June blickte auf ihren Teller. Auch ihr ganzer Körper schmerzte, sie hatte Muskelkater ohne Ende, aber sie hatte auch kein wichtiges Quidditchspiel, das sie gewinnen musste. "Du schaffst das schon. Du hast schon in einem weitaus schlechteren Zustand gespielt", meinte Remus aufmunternd und genehmigte sich einen Pfannkuchen. Im Gegensatz zu den anderen schien er bester Laune zu sein. Er war froh nicht mehr zwischen seiner Schwester und seinen besten Freunden hin und her pendeln zu müssen. "Das war aber nicht das erste Spiel der Saison und es war auch ganz sicher nicht gegen diese Slytherin-Bratzen", entgegnete Sirius und warf einen bösen Blick zum Slytherintisch, als wären sie an seinem Elend Schuld. "Du könntest Madam Pomfrey nach einem Schmerzmittel fragen", schlug June vorsichtig vor, doch Sirius schüttelte den Kopf. "Ich werde erst wieder einen Fuß in diesen Teil des Schlosses setzen, wenn ich im sterben liege. Vergiss es." June seufzte und zuckte mit den Schultern. Dann war er eben selbst dran Schuld.

Plötzlich hörte sie jemanden scharf die Luft einziehen. Alle vier hoben die Köpfe und starrten Remus an, der geschockt auf die Zeitung in seiner Hand starrte. Seine Hände umklammerten das Papier so fest, das es ganz zerknitterte und sich die Leute auf den Bildern entrüstet beschwerten.

"Remus? Was ist los?", fragte June sofort. Ihr Bruder antwortete nicht sondern starrte weiterhin auf die Zeitung. Seine Augen huschten von Zeile zu Zeile, während sie einen Artikel lasen. "Remus?"

"Jetzt erzähl schon!" Sirius wollte sich erheben und ihm die Zeitung aus der Hand reißen, doch Remus streckte den Arm so weit weg, dass er ihn nicht erreichen konnte, ohne den Blick von den Zeilen zu nehmen. "Das kann nicht wahr sein ...", hauchte er dabei fassungslos. "Was denn?", wollte Sirius ungeduldig  wissen und zappelte auf seinem Platz herum.

"Rück schon raus mit der Sprache, Moony", meinte jetzt auch James und trommelte genervt mit den Fingerkuppen auf dem Tisch herum.

Doch Remus beachtete sie nicht, sondern stand abrupt auf und fuhr sich gestresst durch die Haare. "Ich muss was erledigen", sagte er zu niemand bestimmten und lief, rannte schon fast aus der Großen Halle, die Zeitung flatterte hinter ihm her.

Verdutzt sahen seine Freunde ihm nach. "Was war das denn gerade?", fragte June verwirrt und drehte sich wieder zu den anderen. Alle hatten denselben fragenden Blick.

Sie hätten noch weiter über Remus Verhalten gerätselt, wenn James nicht auf seine Armbanduhr geschaut und verkündet hätte, dass sie sich nun langsam auf den Weg zu den Umkleiden machen sollten. "Ich will die Taktik noch einmal mit dem Team durchgehen", fügte er hinzu und warf Sirius einen besorgten Blick zu.

June und Peter folgten den beiden Richtung Ausgang, um sich schonmal gute Plätze zu sichern, als June innehielt und sich ihre Miene plötzlich aufhellte. "Ich komme gleich nach. Ich muss noch etwas holen, was euch vielleicht motiviert", grinste sie, ließ die drei Jungs stehen und raste in den Gryffindorgemeinschaftsraum.

Im Mädchenschlafsaal angekommen griff sie unter ihr Bett und zog ein großes rotes Plakat hervor auf dem in goldenen, sich in Wellen bewegenden Lettern Gryffindor für den Sieg draufstand. Um den Schriftzug herum hatte sie jeden einzelnen Spieler der Gryffindor-Mannschaft auf ihren Besen gemalt und die Malerei so verzaubert, dass die kleinen Quidditchspieler um und zwischen den goldenen Buchstaben hindurchflogen.

Zugegeben: Mit Picasso oder Van Gogh konnte es dieses Plakat nicht aufnehmen, doch June hatte die ganze letzte Nacht daran gesessen und ihr bestes gegeben.

Mit dem Plakat unter dem Arm lief sie wieder aus dem Schlafsaal und stieß prompt mit jemandem zusammen. "Oh", sagte sie und rieb sich den Kopf, als sie Noah erkannte. "Hast du es eilig?", fragte er und bedachte sie von oben bis unten mit seinem undefinierbaren Blick.

Sie kniff die Augen etwas zusammen. "Ich sehe mir das Quidditchspiel an", antwortete sie vorsichtig und sah nun ihn von oben bis unten an. Er trug einen normalen Freizeitpullover und sah nicht so aus, als hätte er vor nach draußen zu gehen. "Bleibst du hier?" Verwundert zog sie eine Augenbraue in die Höhe.

Noah warf einen Blick auf das Plakat unter ihrem Arm. "Ich finde es nicht besonders interessant, anderen dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig von ihren Besen hauen", meinte er nur schlicht. Verdutzt schwieg June. Sie hatte bisher niemanden kennengelernt, der Quidditch nicht mochte.

"Dir scheint es besser zu gehen, als das letzte mal", bemerkte er und studierte ihr Gesicht. Die Erinnerung an ihr letztes Zusammentreffen schlich sich in Junes Gedächtnis und sie wurde rot. Sie hatte geweint. Sie nickte.

"Und ich hab gehört du hattest einen Nervenzusammenbruch und bist ziellos im Schloss umhergeirrt?"

Sah sie da ein Schmunzeln? Etwas beleidigt ging sie einen Schritt zurück. "Du scheinst ja wirklich Nachforschungen anzustellen", entgegnet sie.

"Die sind nicht nötig, wenn jeder darüber redet."
Darauf hatte sie keine Antwort. "Das nächste Mal solltest du einfach liegen bleiben", sagte er plötzlich. June runzelte die Stirn, doch er redete schon weiter. "Es ist gefährlich." "Gefährlich?" "Für dich, ja." "Ich kann auf mich aufpassen." "Tut mir leid dir das sagen zu müssen, aber das bezweifle ich sehr."

Noch beleidigter als zuvor presste June die Lippen zusammen. Was fiel ihm ein, so über sie zu reden? "Ich kann auf mich aufpassen", wiederholte sie.

Noah legte den Kopf etwas schief und sah auf sie herab. Sein Gesicht hatte denselben arroganten Blick drauf, den sie schon oft bei ihm beobachtet hatte, wenn er den anderen Schülern im Unterricht beim Unsinn anstellen zusah. "Nachdem du jahrelang nie auf dich aufpassen musstest?"

Diese Frage traf sie wie einen Schlag in den Magen. "Was weißt du schon?", fauchte sie und stieß sich an ihm vorbei. Das Ganze war ihr zu blöd. Sie stand doch nicht herum und ließ sich von so einem Hornochsen beleidigen!

"Mehr als du denkst ...", hörte sie ihn noch murmeln, bevor sie durch das Porträtloch verschwand.

Werewolf's Sister// Rumtreiber FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt