Zwanzig

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"Was ist denn in Sie gefahren? Haben Sie völlig den Verstand verloren? Was hatten Sie da draußen zu suchen?!"

Schon seit zehn Minuten schrie Professor McGonagall sie an. Nachdem sie sie im Wald gefunden hatte, hatte sie sie wortlos, vor Wut sprachlos, zurück zum Schloss und in ihr Büro gebracht. Dort war der Worthagel dann losgegangen. Seit dem starrte June auf ihre verdreckten und verschrammten Füße, die unheimlich schmerzten. 

"Das halbe Schloss haben Sie aufgeweckt! Wenn sie nicht reden, stecken Sie in ganz großen Schwierigkeiten, junge Dame! Das kann ich ihnen versprechen!"

Doch June bekam kein Wort heraus. Was hätte sie auch sagen sollen? Dass sie ihren Bruder in Werwolfgestalt gesehen hatte und wissen wollte was geschehen war? Sie hatte keine Ahnung, ob McGonagall in sein Geheimnis eingeweiht war.

"Miss Lupin!", knurrte diese und eine Ader begann an ihrer Schläfe gefährlich zu pochen.
Angestrengt dachte June nach, damit McGonagall nicht noch wegen ihr explodierte und sie noch mehr Ärger bekam.

"I-ich schlafwandle, Professor", log sie schließlich, doch McGonagall winkte schnaubend ab. "Erzählen Sie mir nichts. Kein Mensch schlafwandelt und zerkratzt sich jedes Fleckchen Haut ohne Aufzuwachen. Sie haben mit jemandem gesprochen. Wer war es?"
June schwieg und starrte angestrengter auf ihre Füße. Sie konnte ihren Bruder nicht verpfeifen.

"So, Sie wollen also nichts sagen?", meinte die Professorin und kniff die Augen hinter ihrer eckigen Brille zusammen. "Schön. Zwanzig Punkte Abzug für Gryffindor."

Damit entließ Sie sie und schickte sie in den Krankenflügel, damit ihre Wunden versorgt wurden. June stand den Tränen nahe. So ein Schlamassel. Jetzt hatte sie nicht nur eine Strafarbeit, sondern hatte auch noch einen Haufen Hauspunkte verloren. Alles lief schief.

Zum dritten Mal in nicht einmal vierundzwanzig Stunden betrat June den Krankenflügel. Madame Pomfrey bedachte sie nur mit einem tadelnden Blick, sie war wohl vom Geschehen unterrichtet worden. Als sie begann Junes  Wunden mit einer brennenden Tinktur zu beträufeln starrte June auf den Vorhang, der noch immer das Bett ihres Bruders verdeckte. Es musste leer sein. Ob es jemandem aufgefallen war? Bestimmt nicht.

"So, fertig. Bleib für ein paar Minuten liegen, damit die Wunden nicht sofort wieder aufreißen. Danach kannst du gehen." Mit diesen Worten verschwand Madame Pomfrey in ihrem Büro und löschte das Licht. June blieb einen Moment liegen und lauschte, ob sie noch Schritte der Madame hörte. Alles war still und fast sofort erhob June sich. Ihre Füße schmerzten noch immer, als sie den kalten Boden berührten, doch es war nicht so schlimm, wie zuvor. Vorsichtig tapste June zum Bett ihres Bruders und griff nach dem Vorhang. Mit klopfendem Herzen zog sie ihn schließlich zur Seite und stockte. Seelenruhig, mit einem Verband um die Hälfte des Kopfes und das linke Ohr, schlief Remus.

June stolperte ein paar Schritte zurück und stieß gegen das nächstgelegene Bett, auf das sie sich plumpsen ließ. Durch die Geräusche erwachte Remus und blinzelte sie verschlafen an. Als er seine völlig geschockte Schwester erblickte wurde sein Blick klarer und er setzte sich auf. "June? Was machst du hier?", fragte er alarmiert. "Du - du", stotterte June völlig verwirrt und deutete auf ihn. "Der Wald - ich-" Remus stand auf und kniete sich vor ihr hin. "Ganz ruhig, June. Was ist passiert?", fragte er sanft und nahm ihre zitternden Hände, in die Seine. "Welcher Wald? Der verbotene Wald?"

June konnte nichts anderes tun, als zu nicken und ihren Bruder anzustarren, als wäre er ein Geist. "Was ist mit dem Wald?" June schluckte. "Ich war da." "Du warst da? Im verbotenen Wald? Alleine? Was hattest du dort zu suchen?", fragte Remus aufgebracht und betrachtete sie besorgt. "Ich war nicht alleine", antwortete June mit zitternder Stimme. "Du warst auch da."

Perplex starrte Remus seine Schwester an. "Das kann nicht sein", meinte er schließlich erstaunlich ruhig. June blinzelte und eine Träne rann ihr über die Wange. Sie war komplett verwirrt. Sie hatte ihn doch mit ihren eigenen Augen gesehen! "Doch! Du warst da! Ich hab mit dir geredet - dich berührt, Remus!", brachte sie unter Tränen hervor und packte nun seine Hände. "Du musst da gewesen sein! Ich bin doch nicht verrückt!" Hilflos schluchzte sie.

Erschrocken senkte Remus den Blick. "June, ich war die ganze Nacht hier und habe geschlafen." June starrte ihn an. "W-was?" Remus erhob sich wieder, um sich neben sie zu setzen. "Ich war hier", wiederholte er so ruhig wie möglich und reicht ihr ein Taschentuch. Schweigend nahm sie es an. Was war nur passiert? Wenn Remus nicht dort gewesen war, mit wem hatte sie dann geredet? Und wen hatte sie berührt?!

"Da war ein Werwolf, Remus", murmelte sie und starrte auf das Taschentuch in ihrer Hand. "Was?!", platzte Remus heraus und riss die Augen auf. "Ich habe ihn gesehen. Ich dachte, du wärst es ... " Ihre Stimme war leise, sie weinte noch immer. Remus musste schlucken. Wenn das wahr war, wenn das keine Einbildung gewesen war ... dann hatten sie ein riesiges Problem. Um sich nicht anmerken zu lassen, wie geschockt er war, legt er einen Arm um seine Schwester. "Beruhige dich", murmelte er, als sie ihren Kopf gegen seine Schulter drückte. Irgendwann schlief June vor Erschöpfung ein.



Werewolf's Sister// Rumtreiber FfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt