LXV

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"George!" rief Brad plötzlich voller Freude durch die Menge, die - wie Eric mich letztens ja so freundlich darauf hingewiesen hatte - mir vollkommen fremd war.
Zuerst konnte ich nicht erkennen, wer wohl der besagte Gastgeber unter all den Menschen war, doch folgte Brad zur anderen Seite des großen Wohnzimmers, dass modern und kantig gestalten war, und versuchte nicht unterzugehen. Dabei merkte ich, wie ich mit meiner Kleiderauswahl wohl doch nicht so schlecht gelegen hatte, denn die meisten Mädels hier waren so aufgetakelt, wie ich sie bisher noch nie in echt erlebt hatte. Bei ihren farbenfrohen oder gar glänzenden Outfits ging ich schon unter, was aber keine Neuheit für mich war.
Selbst wenn ich im voraus gewusst hätte, wie alle aussehen würden, hätte ich mich nicht noch extravaganter angezogen, da ich mich nicht unwohl fühlen wollte oder zu der Farbe absagen wollte, die ich am liebsten trug. Auch wenn schwarz technisch gesehen keine Farbe war.

"Aaahh, Brad, mein Bruder!" erklang darauf eine feste Stimme und ich bekam mit, wie Brad ruckartig von mir weggezerrt wurde, um in eine feste Umarmung gezogen worden zu sein, die bei mir jegliche Knochen gebrochen hätte. "Wie geht es dir?" löste sich George darauf, wodurch ich endlich sein Gesicht sehen konnte.
Wie erwartet, war ein Kumpel von Brad nicht weniger attraktiv, als er selbst. Das schwarze Haar biss sich zwar ein wenig mit dem unglaublich stark ausgeprägten Kinn, an dem man sich locker hätte schneiden können, doch verbandt sich durch den ebenso schwarzen Dreitagebart auf angenehme Art. Es waren eher die grünen Augen, die etwas blass wirkten und bei weitem nicht so viel Gefühl ausstrahlten, wie Brad es seine taten. Doch an Körpermasse fehlte es beiden nicht.

"Perfekt, wie immer!" meinte Brad euphorisch, als er sich plötzlich etwas ernster zu mir drehte und erleichtert auflächelte, bevor er mir weiß machte, dass ich mich zu ihnen stellen sollte. Ugh..hier fing es wohl mit den Bekanntschaften an. "George, darf ich dir vorstellen? Heather. Sie geht auf meine Schule und ist heute meine...meine freundschaftliche Begleitung."
Ich verpasste nicht das interessierte Funken in Georges Augen, bevor ich mit zusammengepressten Lippen zu Brad sah und hoffte, nicht wehmütig auszusehen. Seine Worte hatten wohl genug zu unserem Stand gesagt..
Hab's dir doch gesagt!
"Heather, das ist mein bester Kumpel aus Grundschulzeiten." verkündete er stolz und legte seinen stammigen Arm um dessen Schultern.
"Der einzig Wahre." boxte George ihn spaßeshalber und die beiden lachten.
Beste Freunde...Wie das wohl sein musste? Wie konnte soetwas überhaupt exestieren? Grübelnd musterte ich die beiden. Waren Eric und ich sowas wie beste Freunde?
Im nächsten Moment verwarf ich die Frage, weil sie vollkommener Quatsch war. Eric hatte Lucas. Und ich war nie dazu fähig gewesen etwas wie eine beste Freundin zu halten. Jedenfalls hatte mir das eine falsche Freundin vor einigen Jahren direkt ins Gesicht gesagt.

In Wirklichkeit hast du doch keine Lust auf mich!'

In Gedanken verloren merkte ich nicht, wie ich zur Seite gestarrt hatte, während ich mich an all die Worte meiner letzten Freunde erinnert hatte.
"Heather?" Ich spürte eine warme Hand an meinem Arm und blickte teils überrumpelt auf, wo mich Brads Augen besorgt musterten. Auch jetzt kam die Musik wieder bis zu meinem Kopf durch und ich versuchte zu Lächeln. Auch wenn dieses durch die Jahre ganz schön eingerostet war.
"Tut mir Leid, was?"
"Ich wollte wissen, wie ihr euch kennengelernt habt." entgegnete George locker und tat dabei so, als wäre nichts passiert, worfür ich ihm dankbar war. Ich wollte nicht komisch wirken und doch hatte ich es soeben wohl geschafft.
Mit einem verräterischen Blick zu Brad versuchte ich die Verunsicherung runterzuschlucken.
"Wir sind im Sportunterricht zusammengestoßen, worauf ich sie kennenlernen wollte." entgegnete Brad grüblerisch bevor er von mir wegsah.
"Oh. Das ist ja...ganz anders, als ich es erwartet habe, aber okay. Schön, dass ihr hier seid schon mal." lächelte er matt. "Kommt. Ich versorge euch mal mit etwas zu trinken."
Das schien Brad vollends zurückzubringen und er lächelte entschuldigend, während wir seinem Kumpel folgten. "Gut, aber für mich nichts starkes. Ich muss uns noch heil nach hause fahren."

Während wir ihm durch einen kurzen Gang in eine riesige Küche folgten konnte ich nicht anders, als die vielen Menschen um uns anzusehen und ein vertrautes Gesicht suchen. Jedoch erkannte ich kaum jemanden von unserer Schule.
An George konnte ich mich auch nicht erinnern, weshalb er wohl auch auf eine andere Schule gehen musste.

Versunken in meinen Bedenken, merkte ich nicht, dass Brad langsamer geworden war, um sich im gehen zu mir zu bücken und mit gesenkter Stimme zu mir zu sprechen. "Ich kann es verstehen, wenn du ein wenig verunsichert bist und deshalb nicht unbedingt nein sagen kannst, aber willst du überhaupt trinken?"
Schluckend versuchte ich die Starre zu vertreiben und den getroffenen Nerv zu ignorieren. "Ich bin nicht verunsichert." lügte ich und hielt den Blick starr auf Georges Rücken. "Ich würde schon ein Getränk haben."
"Okay, gut." richtete er sich wieder auf. "Ich werde auch nur ein Bier oder so trinken, weshalb du dir keine Sorgen machen musst wegen der Rückfahrt. Aber du kannst ruhig so viel trinken, wie du willst. Ich muss dich nur vor Georges Mischungen warnen. Mit denen hat er jeden in seinem Bekanntenkreis abgeschossen." zuckten seine Mundwinkel, während er uns so durch die Menge führte, dass mich auch niemand anrämpeln konnte.
Ich presste die Lippen fest aufeinander und umgriff meine kleine Umhängetasche fester damit ich nicht sofort die Wahrheit raushauen würde. Etwas sagte mir, dass es keine gute Idee gewesen wäre Brad sofort von meinem Trinkverhalten zu erzählen. "Dann bin ich mal gespannt."

"Worüber redet ihr so geheimnissvoll?" drehte der Gastgeber den Kopf zu uns, sobald er vor einer riesigen Kücheninsel aus Holz und Marmorplatte stehen blieb. Er griff nach gestapelten roten Plastikbechern und doch bedachte er uns mit einem zweideutigem Blick, dass mein Bauch einen Hüpfer machte. Brad und ich...niemals.
Doch wie immer rettete Brad die Situation und grinste verschmitzt auf. "Ich habe sie nur vorgewarnt nichts leichtfertig von dir zu trinken. Sonst muss sie noch denselben Scham mit sich tragen, der mich durch dich mein gesamtes Leben verfolgen wird."

George lachte darauf leise und fing schon an ein Bier in den einen und eine Rummischung in den anderen Becher zu mischen, bevor er sie uns reichte. Bei der braunen Flüssigkeit in meinen Händen konnte ich jochzen, so sehr dankte ich George im Stillen. Er hätte mir nichts besseres geben können...
"Ooooh, kennt sie unsere Alkoholgeschichten schon?" strahlte er auf und hatte einen boshaftigen Schein in den Augen, während er sein eigenes Getränk zu sich nahm.

Cold WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt