Als die nette Kellnerin mit unserer Bestellung zurückkam hatten wir kein weiteres Wort gewechselt. Ich wusste nicht, was ich auf seine Worte antworten sollte und war ihm im Stummen dankbar, dass er mich nicht danach drängte. Er lehnte sich einfach entspannt zurück und hatte wieder ein sanftes Lächeln auf den Lippen, während er geduldig wartete, dass die Kellnerin alles abstellte. Jedoch merkte ich eine leichte Veränderung des Strahlens in seinen Augen.
"Oh, nein. Der ist für meine Begleitung." brummte er und blitzte mich amüsiert an, als ich den Kuchen schockiert vor mich hatte hinstellen lassen.Sobald sicher war, dass die Kellnerin außer Hörweite war starrte ich Brad unverhohlen an. "Ich wollte keinen."
Er winkte ab. "Du kannst mir nicht erzählen, dass ein Mädchen nein zu einem Kuchen sagen kann. Nimm ihn einfach an."
Mit warmen Wangen starrte ich auf den Schokoladenkuchen, der liebevoll dekoriert vor mir stand, doch verspürte dabei eine leichte Kühlung meines Inneren. Natürlich wusste Brad Bescheid, was ein Mädchen mochte. Immerhin hatte er mit genügend etwas am Laufen und ich war sicherlich nur eine weitere Nummer unter vielen.
Genau. Das alles diente nur seinem Ego. Seinem Ego und seiner Selbstüberschätzung absolut jedes Mädchen zu bekommen. Selbst die komische Stumme, die sich vor jedem verschloss. Doch ein Teil meines Hirns wollte sich nicht auf mein Einreden einlassen. Protestierte sogar.Erschöpft drängte ich alles einfach weg und griff nach der Kuchengabel. Ich hatte langsam keine Lust mehr alles zu überdenken und multiple innere Kämpfe mit meiner selbst auszufechten.
"Schmeckts?" erkundigte sich Brad gespannt und trank genüsslig seinen Cappucino, während er sein eines Fußgelenk auf seinem Knie anlehnte.
Teils angefressen von der ganzen Aufmerksamkeit nickte ich und verbot es mir, mein Gesicht genüsslich zu verziehen, da dieser Kuchen himmlisch schmeckte.
"Was ist deine Leibspeise?" Oh Junge..Alles in mir windete sich gegen die Vorstellung von mir selbst zu erzählen, jedoch murmelte ich leise und ohne zu überlegen: "Grilled Cheese-Sandwich."
Er hob die Brauen. "Ach, echt?"
"Was?" brummte ich mit grimmigen Blick, während mein Mund vollgestopft mit Satans Äpfeln war. Ich wäre für diesen Kuchen auch gestorben. Jedoch hatten solche Behauptungen kaum an Wert bei meinem Zustand. Ich hätte in fast jeder Situation meinen Tod bevorzugt.
"Nichts, nichts. Eine so ehrliche Antwort hatte ich schlichtweg nicht erwartet. Die meisten hätten jetzt Salat oder irgendein langweiliges Mainstream-Gericht gewählt, um sich als etwas besseres hinzustellen. Am besten noch vegan!" Dabei versuchte er krampfhaft das Verdrehen der Augen zu unterdrückten, was ihm bei mir ungewollt Pluspunkte einhandelte.
"Ich bin aber nicht, wie die meisten." antwortete ich brüsk, "Und mit veganem Scheiß braucht man erst gar nicht bei mir ankommen."
Er lachte auf, was mich fast schockierte, bevor er mich wieder ansah. "Ja, das habe ich gehofft."
Überrumpelt musterte ich ihn und spürte ein Kitzeln im Brustkorb, bevor ich die Lippen aufeinander presste. "Du hoffst aber viel.." murmelte ich, da ich keine andere Antwort parat hatte."Schon." zuckte er in seiner schwarzen Bomberjacke die Schultern. Ich fragte mich schon die ganze Zeit, wie ihm nicht kalt sein konnte. "Aber ohne Hoffnung gibt es kein Ziel. Deshalb wird das wohl ein Charakterzug an mir sein, den du wirst akzeptieren müssen." grinste er belustigt. "Willst du sagen, dass du keine Ziele hast? Einen Plan, den du irgendwann beenden willst? Wie zum Beispiel dein Plan nach der Schule."
Ein Glück hatte ich den Kuchen schon aufgegessen, denn mir wurde mit dieser unschuldigen Frage der Appetit verdorben. Ich hatte nur ein Ziel. Und dieses würde noch lange vor meinem Abschluss erfüllt werden. Jedoch war dieser anders, als Brad es in diesem Moment vermutet hatte. Aber das hätte ich ihm niemals erzählt. "Ich schätze, ich habe nichts." seufzte ich und blickte alles, nur ihn nicht, an.
"Das klingt öde." bemerkte er stirnrunzelnd. "Es muss doch etwas geben, was du gerne machst."Sofort sah ich ihm in die grün-braunen Augen. "Das schon. Ich zeichne gerne. Aber das hat nichts mit Zielen zu tun."
"Naja, du hast sicherlich das Ziel besser darin zu werden, oder nicht? Und du kannst deinen Beruf danach richten."
Ich biss mir auf meine Unterlippe und zuckte einfach die Schultern, weil ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte.
Damals hatte ich noch mit der Idee gespielt, was ich später werden wollen würde, aber das war Jahre her. Bis ich gemerkt hatte, dass ich es bis dahin sowieso nicht schaffen wollte. Alleine darüber zu spekulieren, was ich mit mir anstellen wollte brachte mich in Tieflaune.
Zu meinem Glück sprach Brad dieses Thema nicht weiter an. Er schien zu merken, wann man weiterbohren und wann aufhören sollte. Und genau das machte ihn zu dem charismatischen Typen, den alle vergötterten.

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Cold Winter
Ficção AdolescenteMein Leben hatte schon für Jahre ein Ablaufdatum, aber ich hätte nie gedacht, dass jenes so früh antreten würde. Dass mein Leben so schnell miserabler werden konnte, als es schon war. Dabei war ich allem so gut es ging aus dem Weg gegangen, was mir...