XLIX

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"Ich glaube nicht, dass ich das schaffe." gurgelte ich leise, während wir auf einer mir unbekannten Straße am Stadtrand standen. "Immerhin hat das Motorrad jegliche meiner Knochen durchgerüttelt und meine Muskeln zu Wackelpudding verwandelt." Und das war nicht gelogen. Dennoch war es hinter Eric auf diesem Ding zu sitzen abgefahren und ich freute mich schon weiterzufahren.
Jedoch hatte ich auf die Aktion, die sich Eric ausgedacht hatte keinen Bock.
"Das ist keine Sache in der du Gewichte stemmst, Heather." brummte Eric und drückte mit seiner Hand zwischen meine Schulterblätter, um mich über die Straße zu führen.
"Wir können doch genauso gut mit unseren gefälschten ID's ans Ziel kommen." verzog ich das Gesicht und stemmte mich ein wenig gegen seine Hand.
"Das ist aber nicht dasselbe. Wir werden es kostenlos bekommen und..einen richtigen Kick erleben. Jedenfalls du. Ich bin diesen Scheiß gewöhnt." meinte er und ergriff von hinten meine Schultern, um mich dem Geschäft näher zu bringen. "Sei kein Weichei, Heather.."
"Ich bin kein Weichei!" maulte ich beleidigt und drehte mich abrupt zu ihm, was ihn direkt vor mir stoppen ließ. "Ich habe nur keinen Bock auf den Stress mit der Polizei."
Er verdrehte die Augen. "Und ich versichere dir, dass wir auf keine treffen werden. Komm schon. Nutze diese Ablenkung und hab ordentlich Spaß."

Wir starrten uns gegenseitig in die Augen, als würden wir sehen, wer zuerst nachgab. Natürlich war ich diejenige und seufzte, während ich mir durch die Haare ging. "Schön!" motzte ich und spürrte, wie mein Magen vor Sorge, als auch vor Aufregung rotierte.
Triumphierend grinsend legte er seine Hand um meine Mitte und dirigierte uns über den fast leeren Parkplatz zu einem kleinen Geschäft.

Sobald wir durch den elektrischen Eingang traten, ließ mich die Wärme lockerer werden. Durch die Fahrt auf dem Motorrad sind sämtliche meiner Glieder eingefroren, weshalb ich diese Aktion nicht vollkommen verachtete.
Jedoch wurde mir flau im Magen sobald ich über die vielen gefüllten Regale blickte, die hier standen. Der Kassierer war zurzeit beschäftigt mit zwei Käufern, was Eric wohl als Chance sah. Er zog mich an der Hüfte zur anderen Seite des Geschäfts, direkt in die Getränkeabteilung , und tat so als würde er sich nicht entscheiden können, was er haben wollte.
Er hatte mir auf dem Weg hierher zwar untersagt die Angestellten anzusehen, jedoch war ich in diesem Moment so elektrisiert, dass ich nicht anders konnte, als zur Kasse zu sehen.
Heute hatte scheinbar nur einer seine Schicht hier und obendrein ein junger Mann. Er konnte nicht viel älter, als wir sein. Jedoch war er fast so dürr, wie ich und führte scheinbar ein stressiges Leben, da sein Gesicht voller Pickel war. Er tat mir schon fast Leid, wenn man bedachte, dass ihm unsere Aktion keine Erleichterung bringen würde.
"Hier." riss mich Erics leises Brummen zurück ins Jetzt und ich sah, wie er mir eine Rotweinflasche entgegenstreckte.

Mit erhobenen Brauen musterte ich sie, bevor ich sie irgendwie mit meiner Jacke verdeckte und an mich presste. "Wie soll ich so ein Ding verstecken?" flüsterte ich über die Radiomusik, die spielte.
"Du musst sie nur bis zum Ausgang versteckt halten." murmelte er und hockte sich schon zum nächsten Getränk runter. "Hör auf so nervös zu sein. Ich habe das oft genug gemacht."

Angegriffen spitzte ich die Lippen. "Ich ja auch. Aber keine so großen Flaschen." Ich war einmal sogar extra über einen Tresen geklettert, als niemand da war, um mir eine Zigarettenschachtel zu schnappen. Also sollte er mir nicht so kommen.
Während ich angepisst vor mich hin kochte, hatte Eric eine Cola und Rumflasche unter seine Jacke gepackt und fing nun an mich Richtung Eingang zu drängen. Gott bewahre. Wir taten das wirklich.


Kurz vor dem Eingang schmulte ich noch zum Kassierer, der in diesem Moment aufmerksam wurde und mich direkt mit seinen blauen Augen ansah. "Hey, wartet.." fing er aus der Ferne leise an. Darauf ging alles schnell.
Eric drückte seine Hand wieder gegen meine Schulterblätter - drängte mich zum Ausgang - und sobald wir durch waren, ging ein Alarm los.
Mit großen Augen hielt ich die Luft geschockt an und wollte mich schon panisch Eric zuwenden, doch er ließ keine Sekunde verstreichen, sondern ergriff meine Hand und zerrte mich zum rennen so hart nach vorne, dass mir die Weinflasche aus dem Versteck fiel.
Sie zerschellte laut auf dem Asphalt des Parkplatzes, doch neben einem Fluch beachtete er es nicht, sondern rannte mit mir weg.
Wie in einer Trance ließ ich mich einfach grob von ihm mitzerren und verstand nicht wirklich, was hier eigentlich passierte.
Blut rauschte in meinen Ohren, mein Herzschlag ging schneller denn je und mein Kopf fühlte sich so konzentriert und klar an, dass ich das Gefühl hatte zu schweben.
Es war nur meine Lunge, die zuerst nachgab und allmählich ihren Dienst verweigerte, doch Eric zog mich dennoch die Straße runter, sodass ich dachte, gleich tot umzukippen vor Luftmangel.


Erst, als wir in der Gasse ankamen, in der er das Motorrad abgestellt hatte, ließ er mich los und ich stützte mich sofort an den Knien ab. Hechelnd rang ich um Stand.
"Wir sollten eigentlich klar sein. Der wäre uns nie nachgerannt und die Bullen bräuchten zu lange." meinte er tief durchatmend, während er die Flaschen in eine Hand nahm, um sich durch die zerzausten Haare gehen zu können.
Ich kämpfte immer noch gegen einen Asthmaanfall an. Rauchen machte einen lächerlich unsportlich.. "Wusstest du etwa nicht, dass der Alarm losgehen würde?" japste ich mit gesenktem Kopf nach Luft.
"Nein, wozu?"
Ungläubig versuchte ich zu ihm aufzusehen, doch sah bestimmt wie eine Nutte auf Crack aus. "Damit man sowas nicht haben muss!" keuchte ich schockiert. "Ich habe immer nur Läden ausgewählt, bei denen ich wusste, dass nichts losgeht." Tief durchatmend versuchte ich mich wieder gerade zu stellen und starrte zum grauen Himmel hoch, der aus der Gasse teils zu sehen war.
"Ja, weil du ein Weichei bist und auf Nummer sicher gehen willst.."
Okay, das war eine Beleidigung gegen mein Wesen. Schon wieder. Doch ich hatte nicht mal Worte dafür. Ich starrte ihn einfach nur fassungslos beim verstauen der Getränke an, bevor er beide Helme wieder rausholte. 

Stumm streckte er ihn mir aus, doch die ungesagte Aufforderung war dafür ausdrücklich in seinen Augen zu sehen. Er erlaubte keine Widerrede, aber ich hatte auch keine Lust weiterhin hier zu hocken und das Risiko einzugehen erwischt zu werden. So viel Stress für zwei Flaschen..

Mit benommenen Fingern nahm ich ihm den Helm ab, was ihn seinen sofort überziehen ließ. "Aber diesmal wäre ich dir dankbar, wenn du meine Bauchmuskeln während das Fahrens nicht mehr so ausgiebig anfassen würdest." kam es gedämpft aus dem schwarzen Helm und obwohl ich in durch das Glas nicht sehen konnte, spürte ich seinen eindringlichen Blick.
Wieder aus der Fassung hielt ich den Atem an und starrte ihn einen Moment aus großen Augen an. "Ich habe nicht-!" fing ich schon beleidigt an, doch brach ab, als mir klar wurde, dass er Recht hatte und spürte die Hitze in meinen Wangen. Es war nicht beabsichtigt! Ich hatte noch nie Bauchmuskeln gespürt und weil ich mich beim Fahren an ihn krallen musste, war ich einfach zu überrascht, welche plötzlich zu spüren. Irgendwie hatte ich nicht erwartet, dass er welche hatte.."Hör auf mich innerhalb eines Tages so oft aus der Fassung zu bringen!" maulte ich stattdessen und setzte mir den Helm auf, bevor man mein rotes Gesicht sehen konnte.
"Gib's zu. Du magst es." Selbst durch den Helm konnte ich das Grinsen raushören, während er sich auf das Motorrad setzte.

Cold WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt