XXV

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"Heather!"
Wortwörtlich, als würde der Tot über meinem Gesicht lasten blickte ich an meiner Spindtür vorbei und hatte eigentlich Eric erwartet, der sich endlich mal blicken ließ, doch es war Brad. Was mich erstarren ließ.
Ich sah so grauenhaft aus, dass ich gleich in meiner Höhle hätte bleiben sollen.
"Hey, wie geht's?" lächelte er aus der Puste, als er vor mir stehen blieb. "Du siehst irgendwie wieder niedergeschlagen aus. Ist es wegen dem Überfall?" verzog er darauf die Brauen und sah mich besorgt an.
Er sollte sich seine Heuchelei sonst wohin schieben. Die Leute sollten aufhören so zu tun, als würden sie sich um mich sorgen.
"Alles bestens." schloss ich meinen Spind etwas zu laut und gab ihm ein gefälschtes Lächeln. Wieso war ich so? Nur weil ich wütend auf alles war, musste ich nicht gleich Brad von mir stoßen, aber es ließ sich nicht kontrollieren.
Verzweifelt hob er die Brauen und richtete den Griff um den Henkel seines schwarzen Rucksacks, den er auf einer Schulter trug. Im Gegensatz zu mir sah er heute wieder atemberaubend aus. Ein weißes Polohemd, dass sich über seine Muskeln spannte, als würde es sich selbst in diesem Moment in ihn verlieben und ihm so nah wie möglich sein wollen. Dazu weiße Treter von Lacoste und eine dunkelblaue Jeans von Gucci.
Wie konnte ich jemanden, wie ihn, attraktiv finden? Wieso ließen sich meine Gehirnzellen nicht einfach abschalten? Ich hatte sowieso keine Chance bei diesem Typen. Und eine Beziehung wäre die Hölle für mich, wenn man bedachte, dass all die Augen, die auf ihn gerichtet waren, dann auch auf mir liegen würden. Es sollte mich sofort abschrecken, aber komischeweise gab es da einen kleinen Funken, der hartnäckig bei ihm bleiben wollte.

"Hatte man eigentlich was zu diesen Kranken herausgefunden?" fragte er ruhig und sah mich fest an.
Einen Moment kämpfte ich mit der Wahrheit, doch schüttelte einfach müde den Kopf und sah zur Seite, in der Hoffnung, er würde weiterziehen. So, wie ich aussah und rüberkam, sollte er mich eigentlich nicht sehen.
Es blieb einen Moment still, als er grübelte. "Ich kann mit meinen Eltern reden. Die werden sicherlich schneller dafür sorgen können, dass die Polizei sich mehr anstrengt, als die gesamte Schule."
Mit großen Augen sah ich ihn an, doch versichterte, dass es unnötig sei. "So schlimm war es nicht."

Als wäre ich von allen Geistern verlassen sah er mich an. "'Es war nicht schlimm.'? Ich war nicht dabei, aber von dem was ich gehört habe, war es alles andere als schön."
Seufzend schloss ich die Augen und versuchte meine letzte Kraft bei mir zu halten. Ich wollte nicht mehr darüber reden. "Bist du nur deswegen zu mir gekommen?"
Mit unergründlichen Blick betrachtete er mich. "Ich wollte nach dir sehen." meinte er fest, doch es klang fast, wie eine Beschuldigung. "Und anscheinend geht es dir nicht gut."
"Doch...Alles gut."
Wieder blieb es einen Moment still und ich spürte bei seinem Blick ein nervöses Flattern in meinem Bauch. "Dann lass mich dich auf andere Gedanken bringen, indem wir einen Kaffee trinken gehen."
Alles wurde angehalten und ich vergaß selbst meine zurzeit herrschende Deprission, während ich ihn erschüttert anstarrte. "Wieso?"
"Wieso?" hob er die Braue, nun eher amüsiert über mein Verhalten, "Magst du keine Zeit mit mir verbringen?"

Sofort öffnete ich den Mund und hätte fast überstürzt verneint, doch schaffte es im letzten Moment mich krampfhaft abzuhalten. Mich räuspernd schloss ich den Mund, bevor meine Müdigkeit wieder einkickte und ich mir kaputt durch die Haare ging.
"Du schlägst das doch nur vor, um Mitleid vorzugaukeln." kamen die Worte unkontrolliert aus mir, aber sie prasselten aus meinem Mund, wie ein lang erprobtes Gebet. "Aber ich will keines. Kein gespieltes, kein echtes. Also, nein Danke."
Die Worte schmerzten, doch mein Gesicht blieb unberührt.

Dafür musterte Brad mich mit großen Augen.
Ein Funke in mir wollte schreien, dass ich es nicht so meinte, dass ich ihn bei mir haben will, aber es war ein klägliches Echo in einer hohlen Hülle. Meine Sturheit war manchmal unerträglich, wenn es darum ging, mich als jemand starkes zu zeigen.

"Tut...mir Leid." murmelte er nach der Stille verwirrt, "Ich wollte dich nur aufmuntern und etwas näher kennenlernen." Es war wie ein Schlag ins Gesicht.
Angespannt presste ich die Lippen aufeinander und starrte tiefgründig in seine grün-braunen Augen. Scheiße.
Zerstört schloss ich die Augen. "Glaub mir. Es wäre besser für uns beide, wenn du dich nicht mit mir auseinandersetzt..." krächzte ich, bevor ich mit einem verletzten Gefühl an ihm vorbeiging.

Das war wohl der Tag, an dem ich mir jegliche Chancen mit Brad versaut hatte.

Cold WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt