XXVII

74 5 0
                                    

Ich hatte so viele schlechte Tage in der Schule, dass sich die guten über die Jahre mit der Hand hatten abzählen lassen. Das galt auch für heute und ich wusste wirklich nicht, wie ich es aushielt, ohne mir die Birne von den Schultern zu schießen.
Alles zog sich elend lang. Jedes Geräusch war mir zu laut und schien sich ihren Weg, wie ein reißender Klettverschluss durch meine Gedanken zu bahnen.
Genau deshalb war ich schon in der ersten Pause auf dem Weg eine Rauchen zu gehen. Mein Konsum schien mit den letzten Woche gestiegen zu sein, doch es scherte mich nicht. Es war tödlich und beruhigte die Nerven. Also ein Win-Win.
Jedoch musste ich diesmal am Haupteingang vorbei. Oder wie ich es nannte: Das Höllentor.

"Ey, Anerston!"
Abrupt blieb ich stehen und drehte mich krampfhaft zu der tief rufenden Stimme.
Zuerst begegnete ich einigen neugierigen Augenpaaren von Schülern, bevor ich in das Gesicht von Eric sehen durfte, dass dabei war durch den Eingang nach draußen zu gehen. Einige störte Erics großer Körper im Eingang, doch niemand wagte es etwas zu sagen.
Sofort weiteten sich meine Augen, doch weniger vor Schreck als vor Wut. Dieser Idiot hatte sich seit seinem 'Streich' nicht mehr blicken lassen, während ich mit den rumkursierenden Gerüchten zurechtkommen musste. Und jetzt rief er und winkte mich zu sich, als wäre Nichts? Dieser Typ kannte definitiv soetwas, wie Hemmungen nicht!

Dennoch versuchte ich nicht zu gifitg auszusehen, sondern mahnte mich vorsichtig mit ihm zu sein. Denn obwohl ich auf der Party gut mit ihm zurechtkam und zum ersten Mal einen gewissen Vorgeschmack bekommen hatte, wie es sein könnte wieder eine Freundschaft zu haben - war ich auf der Hut vor Eric.
Ich hatte so viele unglaubliche Geschichten von ihm gehört, die ich nun vielleicht doch noch in Betracht zog.

Alleine die Körperhaltung eines Menschen konnte viel über einen verraten. Und die von Eric, während ich mit verzerrter Miene auf ihn zuging, strotzte nur so vor Selbstbewusstsein, was nicht nur an dem guten Körperbau lag. Nein, Eric war durch und durch sicher in sich selbst und solche Menschen machten mir Angst. Sie würden alles in die Tat umsetzen, was ihnen in den Sinn kam und bis zum Ende dazu stehen. Doch was spuckt in seinem Kopf, dass eines Tages seinen Weg in die Realität findet?
Er strahlte das Selbstbewusstsein überall aus. Durch seine dunklen Augen, seinem Ausdruck auf dem markanten Gesicht, selbst mit seinen schmalen Lippen, die in diesem Moment verächtlich verzogen waren.

"Wohin wolltest du gerade?" fragte seine dunkle Stimme skeptisch.
Verwirrt verzog ich die Brauen. Was hatte es ihn zu interessieren? Aber mir wurde schon lange zuvor bewusst, dass eine Diskussion mit Eric zu nichts führte, wenn sie gegen ihn gingen, weshalb ich meine Schultern mit einem deprimierten Seufzen sinken ließ. "Eine rauchen, weil ich wegen dir von alles und jeden komisch angeguckt werde und es nervt..." brummte ich.

Verwirrt verzog er die Brauen und zeigte auf sich selbst. "Wegen mir?"
War das sein ernst? Einen Moment starrte ich ihn ungläubig an und hoffte darauf, dass er scherzte, bevor ich direkt vor ihn trat. Mir viel auf, dass er nicht zurück weichte, dennoch fing ich mit gesenkter Stimme an zu zischen, sodass nur er mich hören konnte: "Weil ihr mich in euren kleinen Streich gezogen habt kursieren jetzt Gerüchte über mich und alle fragen mich aus. Polizei, Lehrer, Schüler, Alle!" Ich unterdrückte das Beben in meinen Armen. "Und dir ist wohl Bewusst, dass ich Aufmerksamkeit hasse."
Obwohl er einen Kopf größer war, sah ich ihm sauer in die Augen und zeigte meine angestaute Frustration, doch er zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern Blickte unberührt auf mich hinab. Es ließ ihn kalt, dass ich nur eine Handbreite von seinem Gesicht entfernt war, und sein Blick ließ mich innehalten.
"Wieso versuche ich es eigentlich." murmelte ich ohne es zu beabsichtigen. Doch ließ mich nicht aus der Rolle bringen.

Ein fettes Grinsen zeigte sich mir darauf, bevor er sich zu meinem Ohr bückte. Sein heißer Atem striff meine Ohrmuschel und fegte meinen Hals hinab, was eine eigenartige Gänsehaut verursachte und meinen Bauch zusammenziehen ließ.
Eric war mir ungewöhnlich nah.
"Da musst du ja sehr intelligent sein, um das kapiert zu haben." flüsterte er heiß entgegen und schnalzte kaum hörbar mit der Zunge, doch ich hörte es und es trieb mir dir Röte ins Gesicht.

Als wäre nichts lehnte er sich wieder vor mein Gesicht und unter der Vertiefung seines Grinsens konnte man erkennen, dass ihm mein Anblick gefiel. Ich wollte unbedingt etwas kontern, aber die Worte blieben mir im Hals stecken.

"Kommst du mit?" lächelte er zufrieden und unschuldig und lehnte sich endlich weg. Auch wenn nicht komplett.
Es dauerte einen Moment voller tiefer Atemzüge, bevor ich mein Herzrasen einigermaßen unter Kontrolle hatte.
"Wohin." gab ich nüchtern ab, doch blickte intensiv zurück.
Er zuckte die Schultern und trat vollkommen von mir weg. "Irgendwohin. Wir haben keine Lust mehr." Sein Daumen zeigte über seine Schulter nach draußen, wo ich seine wartende Freundesgruppe erkannte, die mir zuvor nicht aufgefallen war.
"Die Schule hat doch erst angefangen." sah ich ihn unter Furchen wieder an.
"Und? War uns doch zu öde. Also?"
Ich zögerte. Noch nie hatte ich richtig geschwänzt, obwohl ich das manchmal echt nötig hatte. Vor allem jetzt. Ich konnte es kaum noch aushalten, doch der Stress der damit zusammengebunden war, wäre sicherlich unerträglich und es nicht Wert.
Aber Eric könnte dich auf andere Gedanken bringen, zwitscherte eine Stimme in mir.
Ja, oder ein schlechtes Zeugnis.
Das hast du doch so schon..

Mit zusammengepressten Lippen starrte ich über seine Schulter hinweg auf den sich leerenden Hof. "Ich wollte eh noch eine rauchen, also geht ruhig ohne mich."
"Rauchen kannst du auch gleich mit uns." gab er brüsk ab und griff nach meiner kalten Hand.

Cold WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt