IV

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Sobald der Gong wieder ertönte machte ich mir nicht einmal die Mühe meine Sachen einzupacken, sondern presste sie irgendwie an die Brust, nachdem ich den Rucksack schulterte, und verschwand so schnell wie möglich aus dem Raum.

Doch sobald ich nur wenige Schritte in dem Flur gegangen war, hörte ich meinen Namen von einer tiefen warmen Stimme, die mir einen Schauer verpasste. Im gehen drehte ich den Kopf mit verzogenen Brauen nach hinten, bevor ich sie geschockt hochschießen ließ. Es war Erics markantes Gesicht, dass sich mir näherte. Panisch sah ich wieder voraus und wollte schnell weg, doch da war er schon neben mir. „So heißt du doch, oder?"
„Ja, wieso?" presste ich hervor ohne ihn anzusehen, weil ich genau wusste, dass sein Blick auf mir lag.
„Nur so. Bin zu selten in der Schule, um mir irgendwelche Namen zu merken, weißt du?"

Verstohlen sah ich zu ihm, wo mich ein schiefes Lächeln erwartete, während er mir durch den Flur folgte.
„Ja, das ist mir bewusst." murmelte ich nur und sah schnell wieder in den vollen Gang. Ich hoffte, dass er damit wieder ging, aber nichts da.
„Jedenfalls..Ich könnte mich irren - was ich selten tue - aber kann es sein, dass du Vorgestern nicht in der Schule, sondern stattdessen in der Stadt warst?" Schwer schluckend presste ich meine Notizen enger an die Brust. „Ich frage nur, weil ich mir ziemlich sicher war, dass wir uns dabei in der Keveronstreet gesehen haben."
„Ah, du meinst da, wo du mit deinen Freunden ein Fahrrad geklaut hast? Ja, das war ich." Bitte was?
Sprachlos von mir selbst verkrümmte ich das Gesicht. Ich legte es manchmal echt darauf an, was?

Jedoch klang seine Stimme darauf nicht verärgert, sondern amüsiert. „Wir haben es nicht geklaut. Es stand schon lange in dieser Gasse und bevor die Einzelteile angefangen hätten zu rosten, haben wir entschieden es zu retten."
„Ah, es retten. Interessant." gab ich monoton von mir.

„Ja, wieso etwas in Verschwendung gehen lassen, wenn jemand anderes noch Verwendung dafür hat?" umgriff er die Schlaufe seines schwarzen Rucksacks mit der einen Hand und blickte voraus, was mir die Sicht auf sein Profil freigab. In diesem Moment war ich sicherlich noch verwirrter, als die Schüler, die eben aus dem Biologieunterricht gekommen waren. Ich hatte keinen Schimmer, wieso dieser Typ, der scheinbar keinen Wert auf irgendjemanden hier legte, mit mir sprach. „Wieso warst du nicht in der Schule?" trafen sich unsere Augen und fuhr innerlich zusammen, was ich ihm jedoch nicht zeigte. Ich blickte einfach desinteressiert voraus.

„Nicht schwänzen."
„Ach, nein?"
„Nein, ich bin nicht, wie du."

Er lachte leise, was mich noch panischer machte, als meine ausgerutschten Worte. „Warum warst du dann dort?" legte er das Gesicht schief. Musste er nicht zu einem anderen Raum? Vielleicht ganz zufällig auf der anderen Seite unserer riesigen Schule?
Auf meiner Lippe kauend versuchte ich ihn zu ignorieren. „Ich war krank und brauchte einen Spaziergang."
„Mit einem Bier?" Scheiße.
„Ja, wieso nicht?" zuckte ich die Schultern. Entspann dich, Heather. Typen, wie Eric sollten dir am Arsch vorbeigehen.
„Du bist glaube ich noch nicht volljährig. 17, wenn ich mich nicht irre?" Sein Blick auf mir wirkte ruhig, aber sicher. Ja, ja. Er irrte sich wohl echt selten.
„Ist doch mein Problem." brummte ich leise und sah weg.
„Ich bin nur interessiert. Das ist alles."
„Interessiert?" abrupt blieb ich stehen und sah ihn entgeistert an. Ein Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht.
„Wow, Heather Anerston kann neben grimmig auch überrascht aussehen, wer hätte es gedacht." Sein Kommentar ließ mein Gesicht wieder steinhart werden. „Ich will nur wissen, woher du deine gefälschte ID hast."
Mit einem Mal nervös, kribbelten meine Fingerspitzen. „Gefälschte ID? Ich...weiß nicht was du meinst."
„Komm schon. Ich bin nicht blöd. Jemand wie du hat keine älteren Freunde, die einem mal schnell ein Bier verkaufen. Aber anscheinend Kontakte, die einem bestimmte Dinge besorgen können." kam er mir minimal näher.
„Eeeh..."
„Von wem?"
„Was?" fragte ich mit großen Augen, was ihn kurz den Kopf sacken ließ, bevor er ihn wieder locker lächelnd zu mir richtete. Mit der einen Hand stützte er sich neben meinem Kopf an der Wand ab gegen die er mich immer mehr drängte.

„Von wem hast du die ID? Ich würde nämlich sehr gerne auch eine haben, aber kenne niemanden, der so was kann."
Erstarrt stand ich da. Ich konnte doch niemals sagen, dass sie von dem vierzigjährigen Typen aus dem Lottogeschäft kam, der mich anscheinend gut leiden konnte. Erst recht nicht, weil der Typ einer der Einzigen war, mit dem ich einen entspannten Wortwechsel haben konnte. Auch wenn er manchmal echt creepy sein konnte. Es wäre mir peinlich so was zuzugeben..
„Sorry, muss weiter." gab ich schnell von mir und wollte panisch an ihm vorbei, als er mich plötzlich fest am Oberarm ergriff und mich wieder vor sich zerrte. Sein Griff war erschreckend stark, weshalb ich nun eingeschüchtert aus geringster Entfernung in sein Gesicht starrte.
„Die Pause ist lang genug für einen einzelnen Namen, Kleine." lächelte er.
„Nenn mich nicht ‚Kleine' du bist selbst vielleicht mal 18."
„Und genau deshalb musst du mir sagen, woher du deine ID hast."
„'Muss'?"
„Oh ja."
„Und wenn nicht?" verzog ich die Brauen.
Einen Moment betrachtete er meine Augen abwechselnd, aber eingehend, bevor seine so weich wie sein Lächeln wurden. „Dann werde ich wohl deftige Nachrichten für den Direktor und deine Eltern haben."
„Das würdest du nicht-"
„Wieso nicht?" Überfordert blickte ich ihn an. Und sobald klar wurde, dass genau das gereicht hatte, um mich in die Klemme zu bringen, lachte er leise und tief, was mir erneut einen Schauer verpasste. „Also?"

Scheiße! Dieser Mistkerl war doch nicht so nett, wie ich manchmal annahm. Seufzend legte ich den Kopf in den Nacken, bevor ich ihn wieder fixierte. „Ich kann sehen, was ich tun kann." und versuchte wieder weiter zu gehen. Doch die Hand um meinen Oberarm ließ es nicht zu, weshalb ich leise fluchend wieder vor ihm stand. Langsam machte er mich wütend.
„Nicht so schnell. Gib mir seine Nummer. Dann regle ich das selbst."
„Was? Nein! Ich weiß nicht einmal, ob ich eine rübergehauen bekomme, wenn ich die Person alleine danach fragen werde. Ich mache das selbst." Er merkte wohl, dass ich wieder weg wollte, weshalb sein Griff sich schmerzhaft intensivierte, bevor ich meinem Plan nachgehen konnte, doch ich hielt den grimmigen Blick.
„Dann gib' mir deine Nummer."
„Was?"
„Ich will deine Nummer. Dann können wir nach der Schule weiter reden."
„Niemals."
„Entweder das oder der Direktor wird heute denken, ich wäre der gehorsamste Schüler geworden, wenn ich illegale Tätigkeiten weitergebe. Dann würde man deinen Freund sicherlich anhand der Polizei finden."

Ich funkelte ihn wütend an. Dieser Bastard zeigte wirklich keine Gnade, huh? „Na gut!" presste ich hervor und holte mein Handy aus den tiefsten meiner Hosentasche hervor. Ich konnte nicht fassen, dass er meine Nummer bekommen sollte.
„Wow, du hast ja einen Dinosaurier als Handy." ließ er mich los.
„Diktiere mir deine Nummer."
„Oohoho, nein. Ich meinte nicht umsonst, dass ich deine will."

Wutentbrannt sah ich zu seinem fetten Grinsen auf. Ich würde heute noch morden.

Es endete mit der ungewollten ‚Vereinbarung', dass ich eine Woche Zeit bekommen sollte, um den Typen zu fragen. Sonst wird mir, Zitat: „Das Leben zur Hölle gemacht." Ich hätte kotzen können.
Wenigsten durfte ich alleine nachfragen gehen.

Cold WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt