LVII

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In Leggins und einem engen Bandshirt bekleidet trat ich zurück in die Halle und war innerlich verärgert, dass ich so zimperlich war.
Schon fast schleichend näherte ich mich Brads Gruppe, die größtenteils aus Jungs bestand und nur ein Mädchen bei sich hatte.
"Leute, das ist Heather." stellte mich Brad darauf vor und legte seine Hand bestärkend zwischen meine Schultern, was mich anspannen ließ. Darauf nannte er mir all die Namen der anderen, die mich neugierig musterten, obwohl ich jetzt schon wusste, mir keinen der vielen zu merken.
"Du machst das also zum ersten Mal?" fragte mich ein blauäugier Typ der ein Paar Jahre älter, als ich sein musste. Sein dunkles Haar war jetzt schon ein wenig verschwitzt, was mir sagte, dass das hier kein Zuckerschlecken werden würde.
Ich nickte ernst und faltete die Hände vor mir, um nicht nervös herumzuzappeln. Brad hatte es also den anderen schon erzählt, während ich in der Umkleide war? Na super..
"Okay. Keine Sorge, wir machen heute entspannt, sodass du dich ganz locker einordnen kannst." lächelte mir der Fremde beruhigend zu, worauf ich wieder nur nicken konnte.

"Genau. Ich weise dich auch ein, während die anderen anfangen, damit du nicht ins kalte Wasser geschmissen wirst. Immerhin soll es heute nur um den Spaß gehen." schaltete sich Brad ein. Oh, Junge...


Während die anderen nach der kurzen Begrüßung loslegten, bekam ich von Brad Schutzweste und -brille und folgte ihm in eine Ecke der Halle, wo Schilder mit abgebildeten Zielscheiben an den Wänden hingen.
Natürlich bekam ich von ihm eine Airsoftwaffe zugedrückt, die sich sofort merkwürdig in meinen Händen anfühlte.
"Warst du jemals an einem Schießstand?" bückte er sich in mein Sichtfeld, weil ich schlichtweg zu beschäftigt war, die Waffe richtig zu fassen zu bekommen.
Mit nervöser Atmung konzentrierte ich mich auf ihn und schüttelte den Kopf. Ich konnte selbst nicht nachvollziehen, warum meine Stimme plötzlich ausgesetzt hatte.
Verwundert hob er die Brauen. "Nicht einmal auf dem Weihnachtsmarkt?
Wieder konnte ich nur den Kopf schütteln und die Lippen beschämt aufeinander pressen.
Zwar wollte meine Mutter immer auf den Weihnachtsmarkt, aber ich hatte nie Lust mich unnötig viel in der Außenwelt aufzuhalten. Ich wollte nur in meinem sicheren Zimmer bleiben und meinen geschwächten Körper im Bett halten, während mir alles egal wurde. Das war mir immer lieber, statt mich auf einem überfüllten Markt aufzuhalten, indem alle Menschen meine bemitleidenswerte Existenz beurteilen konnten.
Doch Brad war da ganz anders. Er probierte alles aus. Hatte einfach Spaß und erlebte all die Interessanten Dinge im Leben, die ich mich nie traute. Er...lebte. Während ich es mich insgeheim nicht traute. Und ihm das klar zu machen beschämte mich auf so vielen Ebenen, dass ich am liebsten im Erdboden verschwunden wäre.

Als er sich noch näher zu mir bückte und die Waffe in meinen Händen umgriff, kam ich aus meinen deprimierenden Gedanken und sah ihn erschrocken an, als mich sein Duft traf.
"Du warst noch nie auf einem Weihnachtsmarkt?" blickte er mich ungläubig an.
Es schmerzte schon wieder den Kopf schütteln zu müssen. "Ich...bin nicht so oft unterwegs.."
Einen Moment starrte er mich noch an, als hätte ich soeben einen Mord gebeichtet, doch stellte sich darauf wieder aufrecht. "Das müssen wir unbedingt ändern." murmelte er mit den Augen immer noch auf mir.

Wir. Er meinte "wir". Ich glaubte mich verhört zu haben.
"Okay. Darum kümmern wir uns ein andern Mal. Aber wenn du noch nie eine Waffe gehalten hast ist das nicht schlimm. Ich zeige dir alles, bis du dir sicher genug bist." griff er nach seiner eigenen Waffe und stellte sich neben mich, gleich gegenüber der Zielscheiben, und lud nach.

Ich brauchte, bis ich mich wirklich auf seine Erklärungen konzentrieren konnte, doch selbst das wurde innerhalb kürzester Zeit zunichte gemacht, sobald er anfing meine Finger und meine Haltung zu richten und all die Bereiche meiner Haut permanent brennen zu lassen, die er berührt hatte.


Die ganze Zeit verlor er seine Geduld mit mir nicht, obwohl selbst mir klar war, dass ich mich ein wenig zu dumm anstellte. Doch irgendwann hatte ich den Dreh raus und konnte einiges treffen, wenn ich denn meine Nervösität beiseite schob, die durch ihn verursacht wurde.
"So. Ich glaube, du bist bereit, das erlernte in einem Spiel auszuprobieren."
Erschrocken starrte ich zu ihm herauf, was ihn zum lachen brachte.
"Guck nicht so, als hätte ich dir soeben das Todesurteil gegeben. Wir gehen es ruhig an. So, wie Jackson es schon gesagt hatte: Heute machen wir entspannt."
"Ich scheine dennoch zu behindert zu sein, um irgendwen zu treffen. Mit mir kommt euer Verderben." murmelte ich demotiviert, aber er lachte nur amüsiert.

Cold WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt