Gestresst überquerte ich die nasse Straße und achtete auf den ganzen Verkehr, während ich den winzigen Laden ansteuerte, der auch schon nicht sonderlich frisch aussah.
Die Tür klingelte, sobald ich mit dem kühlen Wind hindurch trat und ich stellte erleichtert fest, dass nur ein Kunde anwesend war, der sich in dem Moment sogar mit seinem Einkauf verabschiedete. Freundlich lächelnd ging er in dem beengten kleinen Gang an mir vorbei und raus aus der Tür. „Ah! Heather. Schon lange nicht gesehen." kommt es weiter vorne von der Kasse, wo der 40 jährige schon gespannt auf mich wartete. Sobald sich die Tür hinter dem letzten Kunden schloss, umgab uns eine unangenehme Stille.
Unwohl versuchte ich ein Lächeln hervorzubringen, während ich die Hände tief in der Jacke hatte und durch die randvollen Regale zu meinen Seiten zu ihm durchtrat. In diesem Laden konnte man schnell Klaustrophobisch werden. „Wie geht es dir? Wie läuft die Schule?" fragte er und lächelte genug, um seine vergilbten Zähne zu präsentieren. Die gebräunte alte Haut, wies bei ihm noch mehr Falten auf, als es sonst gewesen wäre.
„Ganz gut. Wie läuft der Laden?" Ich spürte, wie mein Herz immer schneller schlug. Ich hatte so was noch nie gemacht. Er kam bei einem Einkauf selbst auf mich zu und fragte, ob ich denn nicht eine ID haben wollte. Ich hatte nie selbst danach gefragt.„Ach, relativ gut. Jedenfalls gut genug um definitiv noch ein weiteres Jahr hier zu bleiben." grinste er mit seinen komisch blauen Augen. Manchmal konnte ich schwören, den Wahnsinn in ihnen zu sehen. Doch bisher war er ein ganz entspannter Typ. Mit komischen Phasen. „Was hat dich heute hierher verschlagen? Marlboro?" drehte er sich schon hinter sich und zog an der Schachtel. Seine Frage schnürte mir jedoch die Kehle zu.
Verdammt, Heather, bleib cool. Er wird dir schon nicht schaden für's fragen. Tief durchatmend nickte ich und schaffte es, ein Lächeln hervorzubringen. „Und das." legte ich einen Lollipop mit saurem Guss dazu.
„Alles klar." lachte er oder eher gesagt krächzte. Ich wollte schon meine ID hervor bringen, aber stoppte mich mit verzogenem Gesicht, weil es keinen Sinn ergab. Manchmal konnte ich mich selbst schlagen. „Das macht dann 6. Der Rest geht auf's Haus." zwinkerte er und ich erweiterte die Augen.
„Danke." meinte ich verwundert und gab ihm eines meiner letzten Taschengelder und steckte alles in die Innenseite meiner Jacke. Eigentlich brauchte ich keine neuen. Ich hatte genug. Aber einfach anzukommen nur um zu fragen, wollte ich nun auch nicht abziehen.
„Was macht nun die Schule?" lehnte er sich gespannt gegen den Tresen.
Ich konnte nur die Augen verdrehen und es reichte, um ihn zum lachen zu bringen. Er kannte meine Einstellung gegenüber der Schule. „So scheiße, wie immer."„Ja, ich weiß, was du meinst." krächzte er und blickte kurz zu dem Fenster, dass durch die ganzen Mainstreamsticker die ergraute Straße präsentierte. Ich hatte die ganze Zeit Sorge, dass es bald wieder anfing zu regnen. Auch wenn Regen an sich etwas beruhigendes hatte.
„Und wie sieht's inzwischen mit deinen Kindern aus?" fragte ich bedrückt. Wir haben oft genug über seine gescheiterte Ehe geredet und wie seine Ex-Frau ihm die letzten Jahre den Kontakt zu ihnen verweigerte.
Seufzend sah er mich an und ich konnte die versteckte Trauer hinter ihnen erkennen, die mich mitfühlen ließ. „Nicht gut. Und einen Anwalt kann ich mir nicht im geringsten leisten. Ich meine, ich laufe schon in schäbiger Kleidung umher, um dieses Geschäft zu finanzieren. Da habe ich keine tausend Dollar für so was."
Verstehend nickte ich. „Könnte ich helfen, würde ich es tun, Pete, aber ich bin selbst immer knapp bei Kasse."
Auflachend winkte er ab. „Das weiß ich doch. Du hilfst mir genug, indem du mit mir redest. Ehrlich."Gepresst lächelnd sah ich ihn an. Pete hatte eine gute Seele. Dabei fiel mir ein, dass ich aus bestimmten Grund hier war und bekam ein schlechtes Gewissen, weil das gerade gar nicht reinpasste. „Hey, Pete?"
Er sah zu mir auf.
„Ich wollte dich etwas fragen, aber wenn es nicht geht, würde ich es zu hundert Prozent verstehen ok?"
Komisch grunzend verzog er das Gesicht, doch lächelte immer noch. „Jetzt bereitest du mir Sorgen, Kind."Auf der Lippe kauend versuchte ich die richtigen Worte zu finden. „Weißt du...ich habe da jemanden, dem aufgefallen ist, dass ich eine gefälschte ID habe.."
Abrupt erlosch das Lächeln. „Die Bullen?" flüsterte er geschockt.
Schnell ruderte ich zurück. „Nein, nein! Niemand in der Richtung. Ein...Kumpel könnte man meinen. Er wollte wissen, ob...du ihm auch eine machen könntest."
Sichtbar erleichtert griff er sich an die Brust und lachte leise. „Gott, Heather. Sag' das doch gleich. Natürlich kann ich ihm auch eine machen."
„Ehrlich??"
„Ja, kein Problem. Deine Freunde sind auch meine. Er muss es nur dementsprechend bezahlen und mit einem Foto von sich herkommen."
Erleichtert und überglücklich grinste ich. „Perfekt. Danke! Dann siehst du mich bald wieder."Lachend griff er unter den Tresen. „Hier, weil du so treu bist." Eine Miniaturflasche von Wodka wurde mir auf den Tresen gelegt. Mit erhöhten Brauen sah ich ihn an und musste mir ein Grinsen unterdrücken.
„Wahrhaftig?"
„Klar." krächzte er und lächelte schlapp.
„Du bist zu nett." meinte ich noch, während ich es in die Hand nahm und langsam zur Tür ging.
„Und nicht zu viel rauchen!"
„Keine Sorge!" zwinkerte ich lachend und ging auch schon aus dem Laden.Dieser Typ war super. Grinsend machte ich mich dran, mein Portemonnaie mit der Flasche zu verstauen.
„Sieh mal an. Du kannst grinsen." Erschrocken zuckte ich zusammen, sodass mir alles aus den Händen viel. Direkt vor mir lehnte Eric an der Wand zum Kiosk. Ich hatte sogar einen kleinen Schreckensschrei ausgelassen und der Typ konnte nur grinsen. Wütend funkelte ich ihn an, bevor ich mich hastig bückte, um alles aufzusammeln. „Was tust du hier?" presste ich hervor.
„Dachte ich schaue mir mal deinen illegalen Typen an. Ihr seid ja richtig gut miteinander. Warst lange drinnen. Seid ihr zusammen?"
„Halt die Klappe." knurrte ich.Das klirren der Wodkaflasche ließ mich zusammenzucken. Hoffentlich hatte das niemand gesehen. Und noch um alles zu toppen, viel mir die ungeöffnete Zigarettenschachtel aus der Jacke. Das Verlangen Eric zu boxen wuchs dabei in mir. Was fiel ihm überhaupt ein??
„Ach, Raucherin bist du auch? Interessant."
„Du hast hier nichts verloren, Eric." brummte ich und richtete mich auf, nachdem alles wieder relativ gut verstaut war.
„Und das kommt von dem Außenseiter, die sich heimlich betrinkt."
Augen verdrehend ging ich einfach los, an ihm vorbei. Doch im Augenwinkel sah ich, wie er sich von der Wand abstieß und anfing die Straße mit mir hinunterzulaufen. „Also, was hat er gesagt?"Aus Trotz blieb ich für einen Moment stumm und ging mit einer absichtlich gezogenen Fresse weiter. „Du bist wohl gar nicht gesprächig, was? Deshalb bist du also ein Außenseiter."
Den Nerv getroffen funkelte ich sein zu schönes Gesicht an, bevor ich wieder voraus blickte, wo am Horizont die Sonne sich mühselig aber stark durch die dichten Wolken brach. „Er macht's, wenn du nächstes Mal mit Geld und Foto mitkommst."
Verdammte scheiße, mir ist erst in dem Moment klar geworden, dass ich somit wieder gezwungen sein werde, Zeit mit Eric zu verbringen. Na klasse.„Perfekt. War das denn so schwer?"
„Ich warne dich." knurrte ich, ohne ihn anzusehen.
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Cold Winter
Teen FictionMein Leben hatte schon für Jahre ein Ablaufdatum, aber ich hätte nie gedacht, dass jenes so früh antreten würde. Dass mein Leben so schnell miserabler werden konnte, als es schon war. Dabei war ich allem so gut es ging aus dem Weg gegangen, was mir...