LXIV

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Während der gesamten Fahrt unterhielten wir uns über banale Dinge, die uns näher hatten kennenlernen lassen, während er zuerst die eine und dann andere Band abspielte, die ich ihm nannte. Dass er Coldplay mochte überraschte mich - vorallem, weil ich sie nicht all zu groß hörte - aber sobald die ersten Songs spielten konnte ich sagen, dass sie doch nicht so schlecht und schnulzig waren, wie ich angenommen hatte.
Dabei fuhren wir eine der höher liegenden Regionen hinauf, die in den Berganfängen lagen und mussten für einige Minuten sogar einen Wald durchfahren, was mich nervös machte.

Die Hausregionen, die sich kurz darauf ausbreiteten waren alles andere als gewöhnlich.
Unter den Laternen herrschte vollkommene Ruhe und zeigte Wege zu vielen großen Häusern. Einige davon richtige Villen.
Und zum ersten Mal fragte ich mich so richtig, wo Brad eigentlich wohnte. Nach all den Geschichten und Erzählungen musste er wohl in einer solch ähnlichen Gegend wohnen..

"Warst du schon Mal auf einer Party?" fragte er plötzlich mit dem Blick zur Straße.
Erstarrend hiel ich die Luft an. "Einmal schon irgendwie.." gab ich leise von mich, "Wieso? Erwartet man das nicht, sobald man mich sieht? Oder habe ich mich falsch angezogen?"
"Nein, nein, nein." ruderte er sofort zurück, "Ich war nur neugierig, weil du nicht wie eine Partymaus wirkst." Das Wort ließ mich die Lippen angewidert verziehen. "Und mach dir keine Gedanken. Du siehst-.." er hielt kurz inne und checkte mich für einen Sekundenbruchteil ab, bevor er sich wieder aufs Fahren konzentrierte und hauchte: "..du siehst unglaublich aus."

Mit anhaltendem Atem presste ich die Beine zusammen und spürte die abrupte Hitze in meinem Gesicht und Dekoltée. Aber was krass war waren die vielen verschiedenen Empfindungen innerhalb meines Körpers. Das Herzrasen, das übelmachende Rumoren in meinem Bauch und das erhellende Kribbeln, das sich auf jeder Hautpartie meines Körpers verteilte, während ich mir das dümmliche Grinsen so gut es ging unterdrückte. "Danke." versuchte ich normal zu klingen, was diesmal jedoch schief ging und mir einen Blick von Brad einhändigte, der sofort anfing zu grinsen, als er mich genauer ansah.
"Das bekommst du wohl nicht so oft zu hören."
"...Nicht wirklich.." Mal ganz zu schweigen, dass ich sogar die gegenteiligen Worte verwendete, wenn ich mit mir alleine war. All die Jahre hatte ich mich schlecht und unglücklich gemacht. Zwar hatte es geholfen emotionslos und unantastbar zu werden, doch es war immer nur auf andere anzuwenden. Sobald ich selbst Kommentare über mich verlor konnte ich mir nicht mehr helfen. Bei mir konnte ich nicht wegrennen.

Gedankenverloren drehte ich an dem silbernen Ring. Ich kam durch Eric auf den Geschmack, welche zu tragen. Ich hatte gemerkt, wie es einem Halt gibt, auch wenn das merkwürdig klingen mochte, und den brauchte ich heute.
Zusätzlich konnte ich nicht aufhören mir auszudenken, dass mich Brads Freunde ausschließen werden, so, wie es die Jahre passiert war. Und sobald das der Fall sein sollte, würde ich auf diesen Ring gucken und mich daran erinnern, dass ich sehrwohl einen Freund hatte und somit nicht alleine war. Ich werde es Brad zwar nicht sagen, aber mir war es nicht wichtig auf eine gute Welle mit seinen Freunden zu kommen. Sie konnten mir gestohlen bleiben, sobald sie mir bestätigten genau die Art von Menschen gewesen zu sein, für die ich sie all die Jahre gehalten hatte.


"Okay, jetzt werde nicht nervös.." meinte Brad beschwichtigend, als wir uns einem großen Haus näherten, welches an vielen Stellen verglast war.
Doch ich hörte ihn kaum, denn all die Autos vor dem riesigen Rasen, die Silhouetten im Inneren und die vielen bunten Lichter, die in die Nacht hinausgestrahlt wurden und sich hektisch bewegten, waren ein kleiner Schock.
Ich merkte noch, wie wir auf der anderen Seite am Rand parkten und schluckte mit dem Blick verunsichert zum unglaublichen Haus. Dabei merkte ich im Augenwinkel Brads Blick an mir, weshalb ich versuchte mich zusammenzureißen. "Dieser George muss wohl viele Freunde haben." versuchte ich ihn anzulächeln.
"Du hast Angst." bemerkte er ernst, doch es war der einfühlsame Unterton, der mich zwickte.
"Was? Nein! Alles gut. Es war nur unerwartet. Komm!" versuchte ich enthusiastisch zu klingen - was mir auch gelang - und sprang schon fast aus dem Jeep, was in meinen Schuhen zu riskant war. Aber ich tat in diesem Moment alles, um nicht stillsitzen zu müssen.

Trotz der schwarzen Strumpfhose umschmeichelte mich die Kälte der Nacht sofort, was mich kurz aus der Rolle brachte. Oh man...ich werde das rauchen so sehr vermissen heute..Vor allem, wenn ich Alkohol trinken werde.
Warte. Trank Brad überhaupt Alkohol? Ich musterte ihn beim umgehen des Wagens. Danach aussehen tat er nicht, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Jugendlicher, wie er Alkohol ablehnen würde, nur weil es ungesund war.
Er überredete mich meine Jacke im Auto zu lassen, da ich sie im Haus noch verlieren könnte, und obwohl ich grummelnd in mich fluchte, wusste ich, dass es das richtige war.
Dafür stöckelte ich jedoch schnell zum Haus, ohne auf ihn zu warten. Ich hörte nur sein aufrichtiges Lachen hinter mir und konnte nichts gegen das Herzwummern tun.

Sobald ich jedoch vor der hölzernen Doppeltür stand und schon die Musik hörte, bereute ich es vorgelaufen zu sein. Ich traute mich kein bisschen ohne Brad einzutreten. Auch wenn meine Glieder anfingen Blut zu verlieren.
"Nur keine Scheu." öffnete er die Tür sofort, "Wilkommen im Hause der Ofthorns, dass selbst mich neidisch macht."


Normalerweise schaffte es jede einzelne Zusammenkunft von Menschen es als aller erstes einen Minuspunkte zu erlangen, sobald ich sie betrat, doch diesmal war dem nicht so, als ich Bleu Chanel laut und basslastig spielen erkannte. Niemals hätte ich gedacht, dass jemand aus meiner langweiligen Schule diesen Song hören würde. Aber gut..wer würde schon erwarten, dass ich das hörte..
"Macht dieser George die Musik?" konnte ich es mir nicht verkneifen, als wir endlich ins Warme traten und von verschiedenen warmen Holztönen und Glas begrüßt wurden. Das meiste lag offen, weshalb man schon vom Eingang in das Wohnzimmer blicken konnte, das fast vollkommen aus Glaswänden bestand und von dort aus auf drei weitere Etagen blicken konnte, auf denen sich Jugendliche tummelten.
"Ich glaube, das ist seine Playlist, ja. Magst du den Song?"
Vor lauter Staunen konnte ich erstmal nichts anderes tun, als ihn anzustarren, bis ich lächelnd nickte und plötzlich das Verlangen spürte, alles sofort zu erkunden. Dieses Haus war bombastisch!

Ich wollte schon die gewachste Treppe aus saftigem Holz heraufsteigen, als Brad mich bei der Hand packte und ich schon alleine durch den Kontakt seiner Haut auf meiner innehielt, um zurückzublicken.
Ich wusste ein ernstes nicht, ob er diese verdammte Verbindung nicht auch spürte, aber es brauchte nur eine kleine Berührung, um mich aus der Rolle zu bringen und das machte mich wahnsinnig. Ich hasste es, die Kontrolle zu verlieren und wollte anderen keine Macht über mich geben, aber Brad war wohl eine kleine Ausnahme. Und vielleicht Eric...Der hatte auch schon Dinge geschafft, die ich bei mir nicht für möglich gehalten hätte.
"Warte. Ich weiß, dass das alles cool ist, aber lass uns erstmal George finden." lächelte er amüsiert und hatte ein so helles Strahlen in den Augen, dass ich für einen Moment nicht wusste, wohin mit mir.

Peinlich berührt nickte ich und ließ mich von der Treppe führen. Selbst ins Wohnzimmer führte er mich noch bei der Hand, bis er langsam abließ und mir zeigte, dass ich mal von meinen dümmlichen Tagträumereien runterkommen sollte. Das alles war nicht echt. Ich folgte einer unrealistischen Idee und das wusste jeder. Und doch vergaß ich es bei jedem mal, indem Brad kurz den Kopf drehte, um sicherzugehen, dass ich noch bei ihm war und mit einem leisen Lächeln wieder voraus blickte, um seinen Kumpel zu finden.

Cold WinterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt