KAPITEL 1

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Mark

SÜDAFRIKA 2017

Mark wusste nicht genau, worauf er sich da eingelassen hatte. Es hatte sich ganz interessant angehört, Musiker, die sich trafen, um die Songs der anderen Teilnehmer der neuen Fernsehshow in ihrem eigenen Style zu interpretieren. Ein Format, das derzeit ankam in Deutschland, und als sein Management ihm die Teilnehmerliste schickte, war Mark überzeugt, dass er eine Menge Spaß haben würde.
Von allen Teilnehmern konnte er nur einen nicht richtig einordnen, Michael Patrick Kelly. Selbstverständlich kannte er den Teenie-Star, zwar nicht persönlich, noch nicht, wie sich jetzt herausstellte. Denn der Kelly war in den letzten Jahren langsam wieder im Showbiz aufgetaucht, und ihre Musik lag, soweit Mark informiert war, ungefähr so weit auseinander wie Berlin und Südafrika. Nichtsdestotrotz freute er sich tierisch auf Tilmann, Lena und Stef, und die Cowboys konnten sicher auch einen Spaß vertragen.

Das Hotel jedenfalls konnte sich sehen lassen. Sie waren ziemlich abgeschottet hier in dem Reservat an der Walker Bay, besonders der Blick hinaus auf die Klippen und das Meer, das sich an der Küste brach, war unglaublich inspirierend. Hier würden sicher ein paar gute Sachen entstehen, wenn er zwischen Drehs, Proben und Showaufzeichnung überhaupt Zeit für das Songschreiben haben würde. Er hoffte es, denn ein bisschen sollte die Sing meinen Song-Zeit auch eine Auszeit sein, das zumindest war der Plan. Und soweit Mark informiert war, würden die Drehs abends stattfinden, sodass er sich möglicherweise tagsüber Zeit freischaufeln konnte. Besonders der weitläufige Balkon, der sich an der ganzen Wandfront der Suiten entlang zog, hatte es ihm angetan.

Als sie sich dann gegenüber standen, das erste Mal so richtig, weil bei den ersten Meetings zur Vorbesprechung für die Produktion keine wirkliche Zeit gewesen war, sich zu begrüßen oder gar kennenzulernen, stellte Mark zuerst belustigt fest, dass Michael Patrick mindestens einen halben Kopf kleiner war als er selbst. Er hatte die anderen umarmt, Tilmann war noch nicht angekommen, sein Flug verspätete sich, aber Lena hatte er an sich gedrückt, die Cowboys, Moses, Cassandra und Stef. Es war eine coole, witzige Truppe, bis auf Michael Patrick kannte er alle, denn im Prinzip war die Popfamilie klein. Vielleicht würde Michael Patrick ja bald dazu gehören.
»Hi«, grüßte er den Kelly, von dem er inzwischen auch wusste, dass er mindestens fünf Jahre älter als er selbst war. Unschlüssig, wie ihre Begrüßung ausfallen sollte, hielt er ihm die Hand hin. »Mark. Äh... Au Revoir, falls dir das etwas sagt.«
Da lächelte Michael Patrick amüsiert. »Ich weiß, wer du bist. Hi.«
Neugierig musterte er den Älteren, während der sich schon Lena zugewandt hatte. Michael Patrick wirkte jünger als er tatsächlich war, sein Lächeln war breit und seine Wangenknochen markant. Seine Schultern waren recht schmal, ebenso wie seine Statur, seine Haare an den Seiten kurz und oben am Kopf lang und durcheinander gestylt. Er fühlte Michael Patricks Blick wieder auf sich ruhen und schob die Hände die Hosentaschen.
»Äh, ganz vergessen, ich bin -«
Erneut schmunzelte Mark. »Ich weiß. Paddy, ne?«

Er hatte es kaum ausgesprochen, da traf ihn ein finsterer Blick aus grau-blauen Augen, und in den Augenwinkeln sah er, wie Lena heftig den Kopf schüttelte, mit der Hand an ihrem Hals entlangwischte und das »du-bist-sowas-von-tot«-Zeichen machte.
Verdammt - hatte er sich gleich beim ersten Aufeinandertreffen die Zunge verbrannt? Gab es etwas, dass alle wussten, aber er nicht? Und wenn dem so war - warum zum Teufel hatte Lena ihn nicht gewarnt?
Michael Patrick nickte nur, wandte sich dann wortlos ab und ging weiter zu den Cowboys. Mark seufzte innerlich. Er wusste nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund hatte er es offensichtlich total verbockt.
Wie so oft.

»Du Hornochse«, raunte da Lena neben ihm und stupst ihn unsanft in die Seite. »Er hasst den Paddy-Spitznamen. Steht überall in der Presse, du Nase.«
Mark riss die Augen auf. »Verdammt. Hab ich wohl verkackt, hm?«
Er sagte es halb grinsend, halb verärgert, denn es war sicher nicht hilfreich, wenn Michael Patrick ihn nicht leiden konnte und während der Produktion kein Wort mit ihm sprach. Zumal morgen der erste Drehabend war und es ausgerechnet um Marks Songs ging. Das hast du wunderbar hinbekommen, Forster, fluchte er in Gedanken. Manchmal nannte er sich selbst bei seinem Künstlernamen, was mitunter erschreckend, aber irgendwo auch völlig normal war. Schließlich arbeitete er mit diesem Namen.

Bauch und KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt