KAPITEL 9

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Mark

Es hatte in ihrer langjährigen Freundschaft noch nicht viele Momente gegeben, in denen Mark Lena wirklich zum Teufel gewünscht hatte. Aber in diesem Moment, als sie sich zwischen Paddy und ihn schob und, zwar unwissentlich, aber eben trotzdem diese Chance, Paddy endlich alles zu erklären, zerstörte, tat er es. Und er zeigte ihr das auch direkt mit einem sehr bösen Blick, den Lena nur grinsend erwiderte und ihn in die Rippen stieß. Und es war ihm völlig egal, wie sie darüber dachte, dass er schon wieder mit Michael Patrick ein Käffchen trank.
Denn natürlich war Mark nicht entgangen, wie zögerlich Paddy reagiert hatte, als er erwähnt hatte, wie lange Lena und er sich schon kannten. Er hatte kurz überlegt, Paddy damit aufzuziehen, dass er so offensichtlich eifersüchtig war, zumindest neugierig, aber er konnte sich gerade noch so zurückhalten. Stattdessen war er so kurz davor gewesen, sich Michael Patrick tatsächlich anzuvertrauen, weil er nicht wollte, dass Paddy auch noch glaubte, dass zwischen Lena und ihm etwas lief, aber natürlich musste Lena dazwischen platzen.

»Vielleicht so ein klitzekleines bisschen?«, versuchte Mark mit einem Scherz auf Lenas Frage zu antworten, aber ausnahmsweise war ihm gerade gar nicht danach, Witze zu reißen. Nun musste er zumindest bis heute Abend warten, um sich zu erklären, und bis dahin konnte viel passieren. Er hatte all seinen Mut zusammen genommen, auch auf die Gefahr hin, dass Paddy sein Geheimnis nicht so locker nehmen würde, wie er es sich erhoffte. Aber nach allem, was zwischen ihnen geschehen war und vor allem auch nach dem heutigen Morgen, den er sehr genossen hatte, glaubte er einfach nicht, dass Paddy ein derartiges Geständnis sonderlich aus der Bahn werfen würde. Und selbst, wenn Mark sich nur eingebildet haben sollte, dass die Nähe zwischen ihnen auch mit Michael Patrick etwas machte, glaubte er nicht, dass es etwas an ihrer so rasant gewachsenen Freundschaft ändern würde.
Einzig die hartnäckige Frage, was mit Joelle war, hielt sich in seinem Kopf – und wenn es nicht Lenas Warnungen waren, so waren es diese Gedanken, die ihn noch davon abhielten, sich gänzlich davon zu überzeugen, wie es um Paddy stand.

»Och, Forsti, jetzt sei nicht zickig«, lachte Lena. »Eigentlich wollte ich euch ja zum Frühstück abholen, aber wie ich sehe, hattet ihr schon.« Sie deutete auf die beiden Kaffeetassen.
»Nein, nur den Kaffee zum wachwerden«, zwinkerte Paddy. »Kommste mit?«, fragte er, und Mark nickte, innerlich seufzend.
Es war doch schon verrückt, dass er sogar auf das Frühstück verzichtet hätte, um diesen Moment mit Paddy noch länger hinaus zu zögern.

Sie gingen durch Paddys Suite auf den Flur, weil die dem Fahrstuhl am nächsten war. Mark stellte die Tassen auf den Cateringwagen, der immer auf dem Flur stand, falls einer der Künstler zwischendurch etwas trinken wollte (und keine Kaffeebar auf der Suite hatte). Als er sich umdrehen wollte, erstarrte er: Paddy legte ihm eine Hand auf die Schulter, während Lena schon pfeifend vor zum Fahrstuhl ging.
Die Berührung, die sanfte Wärme seiner Hand, der nahezu zärtliche Druck von Paddys Fingern auf seinem Shirt schickte einen prickelnden Schauer über Marks Rücken, und als er aufschaute, war Michael Patricks Blick ebenso sanft wie seine Stimme, als er leise sagte: »Später, okay?«

Mark ließ sich von dem warmen Blick fesseln, fühlte sich erneut so verstanden, so als bräuchte er gar nichts zu erklären. Auch das nun folgende Lächeln des Iren war beinahe zärtlich, und nun verstand Mark überhaupt nichts mehr. Wenn er sich, was ihre Momente anging, nicht irrte, und eigentlich war er sich doch ziemlich sicher, dass es auch etwas mit Paddy machte – warum, zum Henker, verhielt Paddy sich so zwiespältig? Denn er konnte Mark nichts mehr vormachen, das alles zwischen ihnen ließ ihn nicht kalt.
War das nur wegen Joelle?
Hatte Michael Patrick Kelly vielleicht ein Geheimnis, von dem nicht einmal seine Ehefrau etwas wusste? Oder wusste sie es und ihre Ehe existierte nur… zu Paddys Schutz?
Oder hatte er tatsächlich nie etwas von dieser Seite in sich geahnt? Aber er würde doch wohl kaum derart Marks Nähe suchen, wäre das der Fall.
Tausende Fragen schwirrten durch Marks Kopf und er brachte nur ein Nicken zustande und rang sich ein schiefes Lächeln ab.

Bauch und KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt