Michael Patrick
Am nächsten Morgen war Paddy heilfroh, dass er nicht so viel getrunken hatte wie an den Abenden zuvor. Ganz entgegen seiner Gewohnheit war er früh auf, holte sich beim Catering im Hotelflur einen Kaffee und überlegte kurz, ob er Mark einen vorbeibringen sollte. Aber Mark war derart schnell auf der Couch eingeschlafen, dass er den Schlaf wohl dringend brauchte. Und Paddy selbst brauchte auch noch ein wenig Ruhe, wollte diesen Ausblick genießen und für später, wenn sie wieder zuhause waren, abspeichern.
Er stand lange am Balkongeländer und beobachtete den atemberaubend schönen Sonnenaufgang, ließ seine Gedanken schweifen und schoss ein paar Fotos, die er auf Instagram und Facebook postete. Auch Patricia, Maite und Joelle schickte er ein paar Fotos und grinste über die Herzaugen-Smileys, die er von allen dreien zurück bekam.»Na, Paddychen, hat dich der frühe Vogel auch schon geweckt?«
Michael Patrick schrak ein wenig aus seinen Gedanken hoch und schmunzelte, als er Lena neben sich erblickte. Sie streckte sich, gähnte hinter vorgehaltener Hand und Paddy bemerkte wieder einmal, wie herrlich normal sie in ihrem schwarzen Sweater, den großen, runden Ohrringen, der dezenten Schminke und den offenen Haaren wirkte. Sie machte sich auch nichts daraus, morgens ungeschminkt zum Frühstück zu gehen, ebenso wie Stef, und Paddy musste sich eingestehen, dass er Lena eigentlich ganz anders eingeschätzt hatte. »Offensichtlich«, beantwortete er ihre Frage. Als er ihr Grinsen auffing, kam ihm jener Moment aus der Nacht in den Sinn, als er aus Marks Suite geschlichen und geradewegs in Lena hineingelaufen war. »Und du, schon… ausgeschlafen?«, fragte er vorsichtig, nicht sicher, an wieviel sie sich erinnern konnte.
Lena lachte leise. »Ausgenüchtert meinste wohl? Ja, bin keine Langschläferin. Und wer feiern kann, kann auch schaffen, gell.«Sie zwinkerte ihm zu und lehnte sich dann neben ihm an das Geländer, ebenfalls eine Tasse Kaffee in der Hand. »Keine Ahnung, wieviel Stef und ich gestern gebechert haben… es war einfach so schön am Lagerfeuer. Die Cowboys waren auch noch da… wo wart ihr eigentlich? Der Forsti und du? Privatdate hier auf’m Balkon?«
Sie stieß ihn leicht in die Rippen und Paddy fühlte, wie sein Herz stolperte. Woher wusste sie… »Ähm… naja, haben ein bisschen gequatscht«, erzählte er vage. Dennoch lag ihm eine besondere Frage auf der Zunge, und obwohl es ihm vielleicht nicht zustand, würde er eine solche Gelegenheit, mit jemandem zu reden, der Mark gut kannte, wohl so schnell nicht mehr bekommen.»Sag mal, Christian… ich meine, Mark hängt das noch sehr nach, oder? Er hat mir seine Nachricht gezeigt.«
Lena nahm einen langen Schluck Kaffee und ließ den Blick über die Weite vor ihnen schweifen. »Tja, das ist offensichtlich, gell. Mark hat ihn geliebt. Er würde das nur nie offen zugeben, weil… nun ja, es dann nur noch mehr wehtut. Verstehste?«
Paddy nickte gedankenversunken. »Und dieses Arschloch hat ihn so verarscht.«
Lena warf ihm einen belustigten Blick zu und lachte leise. »Solche Worte aus deinem Mund, Paddy?«, neckte sie und stieß ihn erneut freundschaftlich in die Rippen.
»Ey«, beschwerte er sich. »Ich werd n Haufen blaue Flecke mit nach Hause nehmen, wenn ihr mich weiter so misshandelt.«
»Ist ja auch nix dran an dir«, schmunzelte Lena.»Hast du Christian mal kennengelernt?«, fragte Paddy weiter, jetzt doch mit wachsender Neugierde.
»Ja, hab ihn ein paar Mal getroffen«, meinte Lena, ernster nun. »Er war eigentlich ganz okay. Es war nur… Mark hat einfach mehr für die Beziehung getan, weißte. Ist abends nach den Shows noch wer weiß wie lang nach Hause gefahren, hat Termine und Gigs verschoben, damit sie Zeit füreinander hatten. Man glaubt es vielleicht nicht, aber wenn er etwas ernst meint, dann meint er es ernst.«
Paddy fing ihren Blick auf, räusperte sich verlegen, weil sie so wissend lächelte. Ahnte sie etwa, was Mark und ihn schon verband? Nervös befeuchtete er sich die Lippen. »Und dann spielt dieser Typ so mit ihm«, wich er aus.
Lena nickte nachdenklich. »Das war schon krass für ihn. Weißte, Mark hat es verdient, glücklich zu sein, er ist der liebste Kerl, den ich kenne, und ich sag dir ganz ehrlich, wenn er nicht schwul wäre, wär ich bestimmt längst in ihn verknallt. Aber er…« wieder spürte Paddy Lenas Blick auf sich ruhen, bevor sie weiter sprach, »er ist kein Typ für irgend eine Scheiße. Er braucht jemanden, der vor allen Dingen ehrlich mit ihm ist – egal in welcher Weise.«
DU LIEST GERADE
Bauch und Kopf
RomanceManchmal braucht es nur eine Begegnung, um viele kleine Dominosteine ins Rollen zu bringen. Manchmal genügt ein Satz, um eine Welt zum Einsturz zu bringen, um eine lange vergessene Seite an die Oberfläche zu locken, die tief verborgen, aber nie ganz...