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„Wir müssen zurück!"

„Wir können nicht zurück, das ist zu gefährlich!"

„NEIN! Es kann nicht alles umsonst gewesen sein! Das darf einfach nicht sein!"

Ich lag in der Mitte eines Kreises aus mir völlig Fremden Menschen, die sich gegenseitig anschrien, stritten, mich mit abfälligen, neugierigen und mitleidigen Blicken musterten. Erst vor kurzem war ich wach geworden, doch ich hatte nochmal eine Weile gebraucht, um erstmal jeden Teil meines Körpers zu spüren. Jetzt brummte ich vor mich hin und öffnete schnell blinzelnd die Augen, wodurch der Geräuschpegel um mich herum deutlich geringer wurde.

„Er wird wach!", zischten sich einige zu. Ich schaffte es, die Augen offen zu halten, wollte mich abstützen, damit ich nicht mehr auf dem staubigen Boden liegen musste, doch bemerkte dabei, dass meine Hand- und Fußgelenke zusammengebunden waren. Ich war gefesselt. Trotzdem schaffte ich es, mich zumindest hinzusetzen und schaute dann in die Runde.

Die Blicke der Leute hatten sich nicht geändert, nur waren sie jetzt alle still und starrten mich an. Ich suchte Antworten in jedem ihrer Gesichter, doch fand nur Verwirrung. Die Mimik eines Mädchens aber sagte besonders viel Wut aus, Zorn, eindeutig auf mich gerichtet, obwohl ich sie noch nie zuvor gesehen hatte.

„Er ist es nicht, sagst du?", hakte ein älter klingender Mann nach, sah das Mädchen dabei an.

„Nein", presste sie hervor, ohne den Blick von mir zu nehmen.

Ich schaute zu dem Mann, der sie angesprochen hatte. Er seufzte schwer und nickte verstehend. „Nun gut. Dennoch scheint er von besonderer Wichtigkeit zu sein, wenn er bei Walter persönlich gefangen war..."

Es ging um mich, ganz eindeutig. Ich war in der Mitte des Kreises, alle starrten mich an, sie reden über mich und ich saß einfach nur still hier herum und ließ es mit mir machen. Ich wusste vielleicht nicht viel – über mich oder allgemein, was hier gerade los war- , aber ich wusste, dass ich endlich mal Initiative zeigen sollte.

Die Fesseln waren zu fest, ich konnte sie nicht lösen, und selbst wenn, waren hier mindestens 20 Leute um mich herum, die mich an einer Flucht hindern würden. Mir blieb also nichts anders übrig als zu reden.

„Was ist hier überhaupt los?"

Vielleicht nicht die intelligenteste Frage, aber die, die hoffentlich eine detaillierte Erklärung einleiten würde.

„Wer bist du?", stellte der ältere Mann die Gegenfrage.

Er klang dabei neugierig, freundlich, dennoch autoritär, aber trotzdem fühlte ich mich davon in die Enge getrieben. „Ich... ich weiß es nicht" Ich schluckte nach meiner Antwort und wich seinem Blick aus. Durch das auftretende Getuschel der Leute, denen ich hier so ausgeliefert war, fühlte ich mich plötzlich beschämt.

Es verging eine kurze Zeit so: Alle um mich herum tauschten sich zischend aus, ich kniete in ihrer Mitte und schaute auf den Boden vor mir - das alles solange bis Koa zügig auf mich zukam, meine Arme zu sich riss, meinen Ärmel hochschob und über die A-förmige Narbe an meinem Unterarm strich. Kurz danach ließ er wieder locker und  schaute mich einfach nur an. Ich sah Fassungslosigkeit in seinem Blick, Wut, Trauer, aber vor allem die Mühe, seine Fassade aufrechtzuerhalten. 

Viel zu schnell wandte er sich von mir ab, drehte sich um und sah zu dem älteren Mann. „Das ist James. Moiras älterer Sohn.", verkündete er.

Ein Raunen ging durch die Menge.

„James", murmelte der hauptsächlich Angesprochene und musterte mich ungläubig. „Wie kann es sein, dass er noch lebt?"

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