„Stopp, ich bin mir doch nicht mehr so sicher" Ich schnappte nach Kiras Hand und hielt sie dadurch auf.
Sie schaute mich seufzend an. „Jetzt komm schon. Alle sehen in dir den großen Helden und du kannst nicht mal mit uns zusammen im Gruppenraum Mittagessen?"
„Ich bin schüchtern...", behauptete ich.
Kira sah mich mit einem Blick an, der so viel sagte wie: Du kennst dich selbst nicht gut genug, um das zu wissen.
„Glaub ich!", schob ich augenverdrehend hinterher und begann zu jammern. „Mann, Kira, die hassen mich doch alle total!"
„Nimm dich nicht so wichtig, James, sie haben alle ihre eigenen Probleme. Du bist nicht der Mittelpunkt jedermanns Leben"
Es steckte eindeutig mehr Kraft in diesem kleinen zierlichen Mädchen als es aussah. Ohne große Schwierigkeiten schob sie mich voran. Mich zu wehren blieb zwecklos, also gab ich auf und versuchte, erhobenen Hauptes nachzugeben.
„Schon gut!" Ich lief von allein weiter und Kira trotte zufrieden grinsend neben mir her. Unser Weg führte uns aus dem Haus, über einen weiten Platz hinweg.
Es waren viele Leute draußen. Einige arbeiteten, andere trainierten wohl, andere unterhielten sich bloß. Es waren auch Kinder hier. Nicht viele, aber genug, um mich zu verwundern. „Wie lange steht dieses Dorf hier schon?", hakte ich fasziniert nach.
Kira zuckte mit den Schultern.
„Gordon wohnt im Haus des ersten Magiers, du weißt schon, dem, der sich die Birne weggepustet hat, so eine richtige Zivilisation hat sich dann im Laufe der Jahrhunderte aufgebaut. Mit Hilfe von Magie konnte man alles Qualitativ etwas aufwerten. Wir haben alles hier, was wir zum Leben brauchen. Mehr wollen wir nicht. Einige Familien leben seit Generationen hier. Andere werden nicht alt genug, um einen Partner zu finden und Kinder zu bekommen."
Mit zusammengezogenen Augenbrauen schaute ich Kira an. „Wieso das?"
„Magie hat ihren Preis, James" Bei dieser Antwort blieb es von ihrer Seite aus, egal, wie oft ich nachfragte, sie wollte nicht mehr verraten.
Viel mehr Zeit, nachzubohren hatte ich gar nicht, denn wir betraten zusammen ein großes Haus, in dem ziemlich viel los war. Es bestand quasi nur aus einer Halle, in der Essen für alle angeboten wurde. Man saß hier zusammen, nahm seine Mahlzeiten gemeinsam ein und unterhielt sich. Mit Sicherheit stärkte das für Leute, die schon eine Weile dazugehörten, das Gemeinschaftsgefühl, aber mir machte es hauptsächlich Angst. Ich war wohl wirklich schüchtern.
Zu meiner Erleichterung aber hatte der ganze Hype um mich wohl nachgelassen. Hier und da verfolgten mich ein paar Leute mit ihrem Blick, aber den meisten war es ziemlich egal, dass ich hier war. Das erleichterte mich. Aufmerksamkeit war nichts für mich.
„Ich hab's dir doch gesagt", grinste Kira. Wir holten uns etwas zu essen und häuften uns etwas vom Büfett auf. Ich nahm mir das, was Kira sich holte, da ich bisher noch nicht wirklich wusste, was mir denn schmeckte und sie bisher immer richtig gelegen hatte, wenn sie mir etwas zu essen gebracht hatte.
Ich folgte ihr weiter. Sie setzte sich an einen Tisch, an dem schon drei Leute saßen. Darunter Koa. Das Mädchen neben ihm redete augenscheinlich mit ihm, er nickte nur hin und wieder, gab aber nicht wirklich mehr zur Antwort als diese Geste.
„Schön, dass sich unser Held auch mal blicken lässt. Carter, freut mich!" Der mir bis dato noch fremde Typ nahm meine Hand, schüttelte sie und grinste mich dabei an.
„Äh... Jamie", meinte ich, zog meine Hand zurück und legte sie in meinen Schoß.
„Er ist so süß", meinte Carter entzückt. „Wie ein kleiner Welpe"
Kira kniff die Augen zusammen und schaute ihn ziemlich bedeutungsvoll an. Er verdrehte bloß die Augen und grinste mich nochmal an, bevor er still weiteraß.
Durch diese Vorstellung hatten wir aber auch Koas Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Er hatte von seinem Teller aufgesehen und mich angeschaut. Dabei hatte er schwer geschluckt und musterte Kira und mich nun.
„Schau nicht so dämlich", meinte diese bloß unbekümmert und machte sich ans Essen.
Koa biss die Zähne zusammen und stand auf. Das Mädchen fragte ihn, wo er hinginge. „Trainieren. Mir ist der Appetit vergangen" Dabei sah er mich an.
Seine Worte trafen mich wie ein unerwarteter Schlag direkt ins Gesicht. Ich riss meinen Blick von ihm los und er ging weg, ohne noch etwas zu sagen.
Das Mädchen rannte ihm mit den Worten „Warte auf mich!", hinterher und umklammerte dann seinen Arm, als er die Halle verließ.
Ich sah auf den Inhalt meines Tellers und stocherte mit der Gabel in dem Fleisch herum. „Sind sie zusammen?", murmelte ich dabei und bemerkte, dass ich dabei klang wie ein schmollendes Kind.
„Wer? Koa und Beth? Eigentlich nicht, aber Beth scheint nicht locker lassen zu wollen" Carter zuckte desinteressiert mit den Schultern. Ich nickte verstehend.
„Und du? Hast du eine Freundin?" Das schien Carter mehr zu interessieren.
„Ich weiß es nicht"
„Oh, stimmt da war ja was" Carter nickte und lächelte entschuldigend. „Ups"
„Schon gut", seufzte ich. „Dann bin ich wenigstens nicht der einzige, der hin und wieder mal was vergisst"
Carter lachte und legte seine Hand mit der Handfläche nach oben zu mir auf den Tisch. Ich schaute sie fragend an, hob langsam die Hand und klatschte drauf.
„Ja!", meinte Carter. „Du bist also noch nicht ganz verloren!" Er boxte mir ziemlich stark gegen die Schulter, sodass ich sie sofort festhielt und darüber rieb. Zeitgleich grinste ich stolz, da ich wohl endlich mal etwas richtig gemacht hatte, selbst, wenn es nur diese absurde Kleinigkeit war.
DU LIEST GERADE
Memories
Fantasy"Die Evolution hat es bewiesen: Nur die Besten, nur die Stärksten, nur die Kaltblütigsten überleben. Heute heißt es: Wir oder die anderen! Leben oder tot! Aber wir haben einen Vorteil: Wir haben Magie!" Ich bin James, 21, und das ist die Geschichte...