Nachdem ich meine erste Nacht unter freiem Himmel im Wald verbracht hatte, fand ich dadurch die Bestätigung, dass ich absolut kein Waldmensch war. Frische Luft und friedliche Natur schön und gut, aber mir waren ein warmes, gemütliches Bett und ein Dach über dem Kopf dann doch lieber.
Seit dem Streit gestern hatte ich nicht mehr mit Koa gesprochen und er auch nicht mehr mit mir. Carter hatte begonnen, mir einige Dinge über den Wald zu erklären. Zum Beispiel hatte er mich auf die besonderen Pflanzenarten hingewiesen, die nur hier wuchsen. Er hatte ein paar der Pflanzen gepflückt und in eine Tasche gesteckt, da er meinte, daraus konnte man verschiedene Heilmischungen machen, wie die Creme aus seiner Dose zum Beispiel. Durch die Magie hatte sich die Vegetation hier also verändert und unterschiedliche Kräfte bekommen- darunter eben auch Heilkräfte. Vor allem für Carter war das wichtig, da seine Magie nur über sein Blut funktionierte und er sich daher jedes Mal selbst verletzten musste, um sie anzuwenden. Carter schlug mir vor, mir mal eines der Bücher dazu von Gordon zu leihen, auch, wenn die meisten der Pflanzen nur außerhalb des Schutzes des Dorfs wuchsen. Es war interessant und es konnte immer hilfreich sein.
Meine Begleiter und ich hatten seit unserem Aufbruch nichts mehr gegessen, doch obwohl Koa vorgeschlagen hatte, etwas für uns zu erlegen, drängte ich unsere kleine Gruppe weiter voran.
Nicht nur die Umgebung und die Gesamtsituation hatten heute Nacht dafür gesorgt, dass ich nicht schlafen konnte. Ich hatte außerdem die gesamte Zeit dem Drang widerstehen müssen, aufzustehen und auf mein Ziel zuzurennen. Die Melodie wurde immer deutlicher, je näher wir kamen und umso stärker auch der Sog, indem ich mich dadurch befand.
Ich konnte jetzt nicht anhalten, um zu essen, das kam mir absurd vor.
Nachdem Carter jedoch den gesamten Vormittag herumgejammert hatte, hatte ich beschlossen, dass wir Halten und ihm den Mund stopfen sollten. Koa hatte sich also von uns entfernt, um für Essen zu sorgen und Carter hatte mich mit seinen Beschwerden und seinem knurrenden Magen dermaßen genervt, dass ich bereits ein wenig weiter gegangen war. Wie weit ich mich dadurch von Carter entfernt hatte, bemerkte ich erst, als ich ein tiefes Knurren hörte, das definitiv nicht von seinem Magen gekommen sein konnte.
„Carter?", fragte ich trotzdem in meiner naiven Hoffnung. Ich bekam keine Antwort. Zumindest nicht von ihm.
Das Geäst schien hier besonders dicht verwachsen zu sich. Ich sah eine Bewegung in dem Busch vor mir, doch erkennen konnte ich nichts.
Innerlich fluchte ich, weil ich nicht einfach bei Carter geblieben war, und realisierte, dass ich nun alleine mit der Situation klarkommen musste.
Das atmende Etwas, das immer wieder die Sträucher um mich herum zum Wackeln brachte, hatte begonnen, mich zu umrunden, mich einzukreisen. Ich war ihm quasi auf dem Silbertablett serviert.
„Na komm schon", zische ich, da mich dieses Spielchen reizte. Ich war nicht bereit, die wehrlose Beute für irgendein Tier darzustellen, das die Jagt auf mich zu einem Abenteuer für sich machte. Dafür war ich zu ungeduldig und vor allem: zu stolz.
„Komm schon!", brüllte ich aus vollem Halse in die Richtung, in der ich das Tier vermutete.
Es brüllte durch ein Grölen zurück und huschte aus seinem Versteck hervor.
Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hinsehen sollte. Auf die riesigen Zähne, die roten, wahnsinnigen Augen oder die Krallen, die nach mir schnappten. Das Tier hatte sechs Beine, doch zwei davon nutzte es mit ausgefahrenen Krallen dazu, um mich immer weiter in die Ecke zu drängen. Dabei fauchte es mich mit seinem bestialischen Atem an.
„Scheiße", murmelte ich ungläubig, dass das mein Ende sein sollte.
Obwohl ich noch nicht komplett in die Ecke gedrängt war, machte es plötzlich einen Satz nach vorne, so als könne es es kaum erwarten, mich endlich zu zerfleischen. Ich hechtete ebenfalls vor, jedoch sehr tief, sodass es über mich hinwegsprang.
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Memories
Fantasy"Die Evolution hat es bewiesen: Nur die Besten, nur die Stärksten, nur die Kaltblütigsten überleben. Heute heißt es: Wir oder die anderen! Leben oder tot! Aber wir haben einen Vorteil: Wir haben Magie!" Ich bin James, 21, und das ist die Geschichte...