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„Hallo, Crew!" Carter war ein angenehmer Geselle. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, gab er irgendetwas Dummes von sich, das mich zumindest zum Schmunzeln brachte. Nachdem es gestern bereits ziemlich spät geworden war, hatten wir unsere Aktion abgebrochen und waren zurück ins Dorf gegangen. Heute wollten wir uns wieder daran machen, meinen Zugang zur Magie zu finden.

Ich war aufgeregt, keine Frage, aber ich hatte eigentlich hauptsächlich nur Angst. Angst, die Leute zu enttäuschen, die so fest an mich und meine Fähigkeiten glaubten.

„Erklärst du mir, wieso Gordon wollte, dass Carter mitkommt? Er nervt einfach nur", brummte Koa Kira zu.

Sie schmunzelte. „Vielleicht wollte er für einen Gegenpol für deine schlechte Laune sorgen. Jamie versteht sich doch gut mit ihm. Es ist wichtig, dass er sich wohlfühlt"

„Mhm", meinte Koa wenig begeistert davon. Carter und ich liefen vor den beiden. Lange konnte ich ihre Gespräche nicht mehr belauschen, da Carter den Arm um mich legte, als seien wir die besten Kumpels und anfing, mich zuzulabern.

„Findest du mich auch nervig? Nerve ich dich? Bin ich ein Nerv?"

Er machte das mit Absicht, das war klar, deshalb spielte ich gerne mit. „Ja, du bist eindeutig ein Nerv"

„Autsch" Zutiefst getroffen fasste er sich an die Brust, genau dorthin, wo sich sein Herz befand und schaute mich glasigen Augen an. „Du brichst mir das Herz, James." Er schniefte beleidigt vor sich hin und ließ den Kopf hängen.

Das Ganze sah aufgrund seiner Größe und sonstigen körperlichen Attribute so absurd aus, dass ich leicht lachen musste. „Du bist ganz schön sensibel, mh?" Tröstend klopfte ich ihm auf den Kopf, unterließ dies aber, als er hektisch nickte.

„Umarmung?" Er öffnete die Arme und schaute mich voller Vorfreude an. Ich war zwar etwas verwirrt, aber ich fand es noch immer lustig und wollte ihn eben drücken, als Koa sich zwischen uns schob, sodass ich nur noch auf seinen breiten Rücken sehen konnte, da er sich Carter zur Brust nahm. „Hör auf, hier herumzualbern. Diese Sache ist kein Spaß. Und Jamie hat größere Probleme als deine Notgeilheit" Danach stieß Koa Carter leicht weg, sodass dieser sich erst beim dritten Schritt wieder fing und ihm beleidigt hinterher sah. „Spaßverderber", brummte er dabei.

Ich klopfte Carter nur zwei Mal auf die Schulter, um ihm zu versichern, dass ich gerne für jeden Spaß von ihm zu haben war, wenn auch nicht unbedingt in Koas Anwesenheit.

Still liefen wir weiter durch den Wald. Ich genoss es immer mehr, hier zu sein. Es fühlte sich nach Heimat an, auch, wenn ich das Gefühl hatte, noch nicht ganz angekommen zu sein.

Je ruhiger es wurde und je mehr ich mich in meine Gedanken zurückzog, desto deutlicher vernahm ich eine Melodie. Ich hörte deutlicher hin und begann sie zu summen, ohne es wirklich zu bemerken.

„Das klingt schön. Woher hast du das?" Carter schaute mich neugierig an.

Es war als würde ich aus einem Traum erwachen. Kurz schüttele ich den Kopf, um richtig wach zu werden, dann zuckte ich mit den Schultern und murmelte: „Ich weiß es nicht."

Unsere kleine Gruppe stoppte an der Lichtung vom letzten Mal.

„Also, was mich ausmacht, hast du gestern gesehen. Wieso ich das kann, weißt du auch. Carter kann dir seine spezielle Kraft nicht wirklich so einfach zeigen..."

„Ich hab sie schon mal an ihm angewandt", unterbrach Carter Koa gelassen. „Als ich dich aus dem Palast gezerrt habe und du angefangen hast dich zu wehren..."

„Du warst das!" Ich erinnerte mich tatsächlich an seine Stimme.

Carter grinste stolz. „Jap. Im Grunde mache ich aus meinem Blut ein Pulver, das eine Person für kurze Zeit das machen lassen kann, was ich will."

Sprachlos schaute ich ihn an. Ich mochte ihn, doch er war nicht gerade die Person, der ich solch eine Macht geben würde.

„Jaja, ich weiß, was du denkst" Sofort hob er abwehrend die Hand. „Aber ich hab geschworen, das nie zu meinen Gunsten auszunutzen." Aus treuen braunen Augen schaute er mich an, zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, ernst. Ich hatte gar keine andere Wahl als ihm zu glauben.

„Funktioniert das auch über eine Rune?"

Carter nickte und zeigte sie mir. „Das ist sowie Koas eine der wenigen, die sich ihren Träger aussucht. Es gibt auch manche Runen, die man nur einmal benutzen kann, dann verschwinden sie und ihre Macht. Als Gordon in deine Erinnerungen gesehen hat, hat er so eine verbraucht"

Ich nickte verstehend. „Das ist ja alles sehr interessant, aber was hat das mit mir zu tun?", hakte ich unsicher nach.

„Wir sind Ausnahmefälle. Gordon ist der Meinung, uns stünde ein gemeinsames Schicksal bevor...", erklärte Koa.

Fragend schaute ich zu Kira. Sie schmunzelte. „Ich habe zwar keine Magie mehr, aber ich bin bisher die erste, die es überlebt hat, mal eine zu besitzen und sie dann auszusperren. Trotzdem denke ich, Gordon will hauptsächlich, dass ich dir zeige, wie man sich ohne Runen Magie aneignet."

Wieder stimmte ich durch ein Nicken zu und gab somit auch mein Verständnis bekannt. Jedoch stellte sich mir noch eine wichtige Frage. „Du meintest, Magie hat ihren Preis. Was ist das?"

Die Frage richtete sich an alle. Jedoch zierten sie sich plötzlich zu antworten.

Schließlich gab Koa klein bei und begann zu sprechen. „Zum einen wird man die Magie ohne die Rune, die Kira trägt, nicht mehr los, bis man stirbt. Zum anderen ergreift die Magie Besitz von einem lebenden Organismus. Sie ernährt sich quasi von ihm. Das bedeutet, je mehr Leben sie auf einen bestimmten Zeitraum durchdringt, desto mächtiger wird sie. Sie ist in den letzten Jahrhunderten quasi unkontrollierbar geworden. Und eben da kommst du ins Spiel. Du sollst die Magie in dir bündeln können und vor allem bändigen"

„Das war nicht meine Frage" Ich schüttelte den Kopf.

Bei Kira wusste ich, dass sie mir auswich, weil sie nicht dazu befugt war, mir die Wahrheit zu sagen, doch Koa hatte eine weitaus höhere Position als sie und bei ihm kam ich mir einfach nur verarscht vor.

Er war es wohl nicht gewohnt, dass jemand ihm nicht gänzlich unterworfen war. Das schien ihn wütend zu machen, denn er formte seine Hand zur Faust und biss die Zähne zusammen.

„Es ist ein Austausch" Seine Stimme klang dunkler, als er diesmal antwortete. „Magie gegen Leben. Leben ist nichts anderes als Energie, welche die Magie nur noch mächtiger Macht. Wenden wir Magie an, ist es wie ein Deal, ihr ein bestimmtes Maß unserer Energie im Austausch dafür zu geben."

„Das bedeutet, je mehr und je öfter man die Magie nutzt, desto früher stirbt man", fasste ich seine Aussage in meinen Worten zusammen.

Koa nickte.

Ich sah nochmal überprüfend auf seine Arme, die voller Runen waren, auf seinen Hals, wo unter dem Shirtausschnitt ebenfalls Runen hervor blitzen. Er war voll davon.

„Wieso sollte man sowas tun?", hauchte ich ungläubig.

Koa hatte sich für jede einzelne dieser Runen entschieden, in dem Wissen, dass es seine Lebenszeit enorm verkürzen würde. Doch warum hatte er das getan?

„Menschen tun irrationale Dinge, wenn sie ein Ziel haben", presste er hervor.

Er hätte nicht auf diese Frage antworten müssen. Es überraschte mich, dass er es dennoch getan hatte.

„Was ist dein Ziel?"

Wir standen nah voreinander, so nah, dass wir nur noch einander wahrnahmen und ganz vergaßen, dass wir nicht alleine hier waren.

„Ich will Walter tot sehen. Am liebsten würde ich ihm eigenhändig das Herz rausreißen und ihm dabei ins Gesicht sehen. Ich will ihn betteln hören. Ich will..." Koa presste des hervor, so als würde er sich für jedes dieser Worte hassen, doch trotzdem voll dahinterstehen.

Er stoppte, als Kira seine Hand nahm und ihm die andere auf die Brust legte.

„Das reicht" Dabei sah sie mich streng an und zog Koa von mir weg.

Ich verstand nicht, wie es dazu gekommen war, dass Koa sich plötzlich so geöffnet hatte und noch weniger verstand ich, warum Kira ihn gestoppt hatte. Wovor hatte sie ihn schützen wollen?

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