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Ich war wieder in Gordons Bibliothek, da er mich und ein paar andere zu sich gerufen hatte. Er wollte irgendetwas besprechen. Es kamen immer mehr Leute, ich kannte sie nicht, nur Gordon und Kira. Da Gordon aber noch nicht angefangen hatte, schienen noch welche zu fehlen. Ich stand separat in einer Ecke herum und blätterte ein wenig in den Büchern herum, damit keiner auf die Idee, mich anzusprechen. Kira unterhielt sich mit irgendwelchen Leuten, die ich nicht kannte und im Moment auch nicht kennenlernen wollte. Es war alles ein wenig viel auf einmal für mich.

„...Ich fand den Jungen an der Brust seiner Mutter. Die Frau war tot, aber das Neugeborene lebte noch, es war wohlauf und schlief seelenruhig. Sofort wickelte ich den Säugling in eine warme Decke und nahm ihn von der kalten Leiche seiner Mutter. Ich buddelte ein Grab für sie, mit Sicherheit keines, das dem eines Menschen würdig war, doch leider alles, was ich ihr anbieten konnte. Ihren Jungen nahm ich mit zu mir. Auf dem Weg wachte er auf und musterte mich aus neugierigen Augen. Es schien beinahe so als kannte er mich... Zwar hatte ich mit meiner Forschung alle Hände voll zu tun, doch ich war kein Unmensch. Ich wollte den Jungen nicht dort zurücklassen. Er würde mir mit Sicherheit noch von Nutzen sein..."

Ich verstand nicht wirklich, worum es in dem Text ging, doch ich versank beim Lesen so darin, dass ich den Erzähler, die Umgebung und die Situation beinahe direkt vor mir sah. Bevor ich vollständig in den Bann des Buches gezogen wurde, klopfte mir jemand ein paar Mal stark auf die Schulter, stellte sich nah in mich ran und flüsterte belustigt in mein Ohr. „Du tust ja fast so, als könntest du dieses Gekritzel entziffern"

Etwas erschrocken schaute ich Carter an und dann wieder das Buch. Plötzlich erkannte ich nichts mehr und die Schrift, die bis eben noch vollkommen normal für mich zu lesen gewesen war, sah nun aus wie Hieroglyphen.

„Äh, nein, ich schätze nicht", murmelte ich und stelle das Buch dabei zurück in das Regal.

„Hätte mich auch gewundert" Carter drehte mich schmunzelnd um, sodass ich zu der kleinen Menge der Leute sah, die sich nun hier befanden. Sie standen in Kleingruppen beieinander und tauschten sich angeregt aus. Wie von allein zog es meinen Blick zu Koa, der gerade den Raum betrat und dann die Tür hinter sich schloss.

„Schön, wir sind endlich vollzählig", verkündete Gordon.

Als er seine Stimme erhob, verstummten alle anderen und drehten sich erwartungsvoll zu ihm. Ich sah weiterhin einfach nur zu Koa und er zu mir. Ich hielt seinem Blick stand. Das ging eine ganze Weile so, bis sein Mundwinkel kurz zuckte und er seinen Blick von mir losriss, um zu Gordon zu sehen. Kurz verweilte ich noch mit meiner Aufmerksamkeit auf ihm, ehe ich es den anderen Nachmachte und sie Gordon schenkte.

Er sprach über die Befreiungsaktion. Obwohl sie ihr Ziel nicht erreicht hatten, betitelte er sie dennoch als erfolgreich.

„Aber nun soll uns unser Einsatzleiter erklären, woran die eigentliche Mission gescheitert ist" Er sah Koa an.

„Die Quelle war entweder unzuverlässig oder sie wusste es nicht besser, das ist im Nachhinein auch egal. Dass er uns geholfen hat, war eine einmalige Sache. Wir werden auf diesem Wege nicht nochmal in die Stadt geschweige denn in den Palast kommen."

„Planst du etwas anderes?" Gordon klang, als er diese Frage stellte, so, als kenne er die Antwort bereits.

Koa nickte. „Wir haben das, was Walter am meisten will. Wieso locken wir ihn also nicht zu uns?" Er ging während des Sprechens auf den Tisch zu und deutete auf eine Karte. „Wenn wir Walter und den Großteil seiner Armee aus der Stadt locken, sind wir hier nicht nur aufgrund unserer Kräfte überlegen, sondern können gleichzeitig relativ sicher in den Palast eindringen. Natürlich gibt es bei einem Kampf an zwei Fronten ein Risiko, aber das halte ich für kalkulierbar. Walter wird nicht wissen, dass wir auf zwei Ebnen angreifen, also haben wir einen Vorteil. Wir können Eddi befreien und Walter gleichzeitig stürzen"

Gebannt lauschten alle Anwesenden Koas Ausführungen und sahen zu, wie er eine Taktik auf der Karte darstellte.

„...Das Problem wäre allerdings, dass uns ziemlich schnell die Kräfte ausgehen werden und wir weit in der Unterzahl wären. Wir sollten darüber nachdenken, uns mit Moiras Leuten zu verbünden. Ich sehe keinen Grund, warum sie nein sagen sollte..."

„Sie sollen friedlich leben."

„Und sie halten es für etwas Besseres als uns!"

Es ertöten Zwischenrufe, mit denen Koa aber anscheinend gerechnet hatte. „Trotzdem geht es um ihren Sohn. Ich kenne sie, und sie würde alles für ihre Kinder tun, wenn sie die kleinste Chance auf Erfolg sieht. Und mit James haben wir den ultimativen Triumph" Koa schaute mich an, bemerkte wohl wie bewundernd ich ihn die ganze Zeit angesehen hatte und verpasste den Moment, in dem er hätte wegsehen müssen, damit sein Starren nicht auffällig gewesen wäre.

Er räusperte sich und machte mit der Besprechung weiter. Nachdem er fertig war, ließen sich alle seine Worte nochmal durch den Kopf gehen und mir fiel dabei etwas auf.

Wenn Eddi mein Bruder war und Moira seine Mutter, dann war ich ebenfalls ihr Sohn, oder?

„Diese Moira...", setzte ich an und ging auf den Tisch zu, an dem Gordon und Koa standen, die anderen in geringem Abstand darum herum versammelt. Bisher hatte ich mich im Hintergrund gehalten, doch das war mir enorm wichtig.

„Ist sie meine Mutter?"

Koa nickte.

„Du kennst sie?"

Er nickte wieder.

„Also kennst du mich?"

Ich hatte ihn das schon einmal gefragt, doch nun konnte er nicht einfach gehen ohne zu antworten. Er wusste das auch und presste deshalb die Lippen leicht zusammen, ehe er antwortete. „Von früher, ja"

Die Leute begannen zu murmeln. „Wieso hast du uns das nicht gesagt?", fragte einer Koa.

„Weil es unwichtig ist", gab er zurück und klang dabei so als würde er keinen Widerspruch zulassen. Diese Leute hatten genug Respekt vor ihm, dies zu akzeptieren ohne weiter nachzubohren. Doch ich wollte, nein ich musste mehr wissen.

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