Seraja wusste nicht genau, wann sie Aquarius voll bepackt mit Nahrung und Kleidung für den Winter in Eboris verlassen hatten.
Als sie den See überquert hatten, hatte es begonnen zu regnen. Durch die Tropfen wurde das Blut von den Straßen in das Gewässer gewaschen und breitete sich gerade in der Ufergegend in der Form von roten Unterwasserwolken aus.
Es war unheimlicher Anblick gewesen, so als würden die Toten zu dem Wasser zurückkehren aus dem sie entstiegen waren.
Die Aquarierin hatte sie mit einem der wenigen intakten Boote über den See gefahren. Sie hatte durchgehend geschwiegen und das Gefährt sicher an das Ufer manövriert. Von der Anlegestelle aus hatte sie sie in aller Stille zu einer Art versteckter Garage geführt in der sich einige Autos befunden hatten.
Nachdem sie sich das Funktionstüchtigste der Autos ausgesucht und beladen hatten, hatten sie sich von der Frau verabschiedet, die ihnen nur schweigend zunickte.
Seraja hatte ihre Stimme nie gehört und würde es auch nie tun.
Die aquarische Dame in ihrer blutigen, ramponierten Kleidung konnte keine Worte mehr finden, nach dem, was geschehen war.
Seraja saß auf einem Sitz an der linken Seite des Lasters, der den Nigolorischen bis auf den äußerlichen Zustand überraschend glich, ganz am Ende der Reihe. Als sie über einen besonders großen Stein auf der unebenen Erde fuhren, lockerte sich die Plane und erlaubte einen kurzen Blick auf Aquarius und den Blutsee. An den äußeren Ufern konnte man zahlreiche Rauchschwaden in die Höhe steigen sehen, die tausend Tänze vollführten, bevor sie sich mit den gräulichen Himmelswolken vereinigten. Das einzige, das von ihnen blieb, war der stechende Geruch von totem, brennendem Fleisch, der sich über das gesamte Umland verstreute und vom Nieselregen zu Boden gedrückt wurde. Hinter den brennenden Hügeln und den rauchigen Tänzern war die zerstörte Stadt im Wasser kaum mehr zu erkennen.
Seraja wusste nicht, ob die Zurückgebliebenen an den Ufern stehen geblieben waren um den Toten beizuwohnen oder der Vergangenheit den Rücken zugekehrt hatten und sich an die Aufbauarbeiten gemacht hatten.
Nun fuhren sie schon seit Stunden, es war tief in der Nacht und die Fahrer wurden regelmäßig ausgewechselt. Da nur insgesamt acht der einundzwanzig Leute zuverlässig fahren konnten,
schafften es die meisten sogar ihre Augen zu schließen und etwas Kräfte zu sammeln.
In Serajas Kopf jedoch drehten sich die Gedanken wie im Karussell. Die Bilder der vergangenen Tage ließen sie einfach nicht mehr los.
Bilder von Ruinen, von Blut und von Tod. Bilder von ihm, wie er ging, sie verließ, sie aussetzte an diesem Ort. Bilder von ihr, wie sie starb, sie fiel, das Gehirn von der Kugel zerfetzt. Bilder von beiden, wie sie ihr Herz mit sich nahmen.
Es war dumm und grässlich, dass das Verschwinden der Zwei ihr so sehr schmerzte, dass der Gedanke daran so viel schlimmer war, als an all die Menschenleben, die für immer ausgelöscht worden waren. Es war ekelhaft, dass ihr Herz nach ihren Feinden schrie. Auch nach denen, die bald wie Heuschrecken über ihre Heimat herfallen und alles vernichten würden, was sie finden konnten.
Es war dumm und grässlich und ekelhaft, aber es war die Wahrheit. Es war die Wahrheit, dass Seraja ihre Gedanken nicht von Theo und ihre Gebete nicht von Fira lösen konnte.
Sie wollte Theo wiedersehen, aber hoffte, dass sie das nicht tun würde, denn das wiederum würde bedeuten, dass sie gescheitert war und das... Was das hieß, wollte sich Seraja mit Hinblick auf die Bilder in ihrem Kopf nicht vorstellen.
Plötzlich machte der Laster einen Ruck und blieb stehen.
Augenblicklich wachten alle Insassen mit einem Stöhnen auf, aber die meisten schlossen ihre Lider kurz darauf wieder, nachdem sie erkannt hatten, dass alles in Ordnung war.

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Elfenbeinmädchen
Science FictionSie legte ihren Finger an den Abzug und richtete die Waffe auf den Oberkörper des Fremden. Der Mann begann in den wenigen Sachen zu wühlen, die es hier gab. Als er direkt unter Seraja bei den Rucksäcken angekommen war, war ihre Furcht entdeckt zu we...