Man konnte den jungen Mann durch die Baumstämme hindurch sehen. Er stand an einem kleinen, kristallklaren Teich. Eine einzelne Seerose schwamm auf der Oberfläche.
Mit einem lautlosen Seufzer überwand das Elfenbeinmädchen die letzten Meter und bemerkte, wie sich Waron und die Palastwachen unauffällig zwischen den Bäumen positionierten. Ein Gärtner schnitt auf der anderen Seite des Teichs scher duftende Blumen und das Wasser plätscherte fröhlich vor sich hin. Die Bäume um sie herum warfen große Schatten auf die Lichtung und so war es angenehm kühl am Teich.
Seraja trat näher und folgte Theons Blick in das Wasser hinein. Unter der Oberfläche glitten bunte Koikarpfen durch kurze, grüne Algen. Die gepunktete Haut der Tiere erinnerte auf den ersten Blick an blühende Pflanzen. Es schien, als würden die Algen Blüten treiben.
„Ich hab gestern gesehen, dass dir der Palastgarten gefallen hat. Darum dachte ich mir, dass wir einen Spaziergang machen könnten und danach würde ich dir noch gerne etwas zeigen, was dir vielleicht dabei hilft unsere Zukunft zu akzeptieren."
Theons Stimme klang seltsam leer und die Worte einstudiert, als er ohne Begrüßung begann mit ihr zu sprechen. Er starrte weiterhin in das Wasser und drehte dabei einen kleinen, hellen Stein in seinen Händen. Mit einem leisen Platschen fiel er in die Fluten.
„Lass uns gehen." murmelte der hoffnungslose Mann und hielt ihr den Arm hin, damit sie sich unterhacken konnte. Er schien es eigentlich nicht zu wollen.
Seraja blickte ihn zweifelnd an. „Das ist nicht unbedingt die Art wie eborische Frauen mit Männern umgehen. Normalerweise führen wir..." Sie blickte halbherzig zu Waron, der halb hinter einem Vertreter einer ihr unbekannten Baumart stand. Der eborische Mann schmunzelte leicht. Wenn Serajas Beziehungen – falls man das so nennen wollte – in Eboris von dieser Handlung wüssten... Diese Männer wären längst ihre Liebhaber gewesen.
„Du bist nicht in Eboris und ich stamme nicht von dort. Niemand von dort wird es jemals erfahren, wenn du dich darauf einlässt. Hier dagegen wird es jeder erfahren und wenn du das nicht zulässt, dann wirst du Probleme mit deiner Mutter und ich mit meinem Vater bekommen. Das will doch nun wirklich niemand. Du wirst bald Kleider tragen müssen, da kann diese Geste doch nun wirklich nicht so schlimm sein." Der Zarensohn wirkte genervt und so, als wäre er wie sie, lieber an einem anderen Ort mit einer anderen Person. Vermutlich mit einem Mädchen, das weniger Probleme machte als sie.
Sie legte ihren Arm widerwillig unter seinen, denn er hatte recht. Langsam begannen sie durch die Bäume hindurch zu laufen.
„Wieso weißt du, dass Frauen keine Kleider tragen, wo ich herkomme?" fragte sie nah einer Weile, als das Schweigen zu viel wurde. Die Wachen und der Leibwächter marschierten stetig hinter ihnen her.
„Ich weiß das, weil ich lesen kann." erklärte Theon trocken.
Er stierte auf die Blumen und Büsche und vermied jeglichen Blickkontakt und jegliche Mimik.
„Okay." erwiderte sie und ließ sich von ihm vom Metalltor wegführen.
Schon nach wenigen Schritten war es, als hätten sie die schwarze Pyramide verlassen und wären in einen der tropischen Dschungel abgetaucht, die es vor dem großen Krieg gegeben hatte.
Theon hatte nicht den gepflasterten, breiten Weg von gestern genommen, sondern war um einige Bäume herumgegangen und auf einem Trampelpfad gelandet. Dieser führte schnell tiefer in den kleinen Wald hinein, der aus tropischen Bäumen und Palmen bestand, die von Lianen durchwachsen und von außergewöhnlichen Blumen umgeben waren. Winzige Bäche flossen zwischen den großen, aus dem Boden ragenden Wurzeln hindurch. Schon nach ein paar Schritten waren Serajas Füße und Schuhe voller Schlamm, aber sie ignorierte das und blickte sich nur stumm und durchaus staunend um.
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Elfenbeinmädchen
Ciencia FicciónSie legte ihren Finger an den Abzug und richtete die Waffe auf den Oberkörper des Fremden. Der Mann begann in den wenigen Sachen zu wühlen, die es hier gab. Als er direkt unter Seraja bei den Rucksäcken angekommen war, war ihre Furcht entdeckt zu we...