Mit schmerzendem Rücken erwachte Seraja aus ihrem mehr als nur unruhigen Schlaf.
Die Bilder in ihrem Kopf waren einfach nicht zur Ruhe gekommen und hatten sie selbst tief in ihren Träumen noch gejagt. Ihr Schlaf war entsprechend schlecht gewesen.
Das weißhaarige Mädchen setzte sich langsam auf, dehnte ihre steifen Glieder und blickte sich im Zelt um.
Es war leer.
Als sie sich endgültig erhob, tropfte Sonne auf die blauen Flecken unter ihrer Haut und stechende Schmerzen schossen durch ihre Schläfe.
Seraja rieb sich die Augen und begann die eigentliche Kleidung mit dem dunklen Tarnmuster über die zu große Unterwäsche zu ziehen.
Der schere Stoff hing wie ein Sack an ihren dürren Gliedern herab, aber das war ihr eigentlich ganz recht. Sie fühlte sich ein wenig, als könnte sie sich darin vor dieser Welt verstecken, als könnte sie verhindern, dass sie ein Teil davon wurde.
Sie erspähte einen kleinen Zettel, der in dem Abtropfgitter neben der Spüle hing.
Seraja humpelte zu ihm hin und nahm ihn in die Hand.
Eine kleine, mit Bleistift hingekritzelte Karte war auf dem Papierfetzen zu sehen.
Den Angaben nach führte sie vom Zelt zu dem Ort, wo die Gefangenen des Lagers einquartiert waren.
Darunter konnte Seraja in Stichpunkten lesen, was sie zu tun hatte. Wasser und Essen ausgeben, die Zellen säubern und die Wachen bewirten.
Das klang alles ziemlich einfach. Oder zumindest hielt sich der Schwierigkeitsgrad in Grenzen, denn es schien, als könnte sie lernen zu kochen. Putzen konnte sie, da es in der Verantwortung eines jeden einzelnen Eborianers lag sein Zuhause schmutzfrei zu halten.
Das war alles. Mehr Angaben hatte sie für den Verlauf dieses und vermutlich aller anderen Tage nicht.
Aus Ermangelung jeglichen Hungers oder anderer körperlicher Bedürfnisse – sie hätte sowieso nicht gewusst, wo sich die Toilette befand – wusch sie das Geschirr so gut sie konnte, stellte es in das Trockengitter und verließ das Zelt.
Der Gestank nach Schweiß und Rauch, der dank der Hitze dieses wolkenlosen Tages über dem Lager zu liegen schien wie eine dicke Decke, war wie ein Schlag ins Gesicht, sobald sie den Zelteingang hinter sich geschlossen hatte.
Der Platz lag da, als wäre das alles gestern nicht geschehen. Selbst das Hochzeitskleid war weg.
Galle stieg ihr in die Kehle, die sie nur mühsam wieder herunterschlucken konnte.
Was auch immer ihr hier angetan werden würde, wäre am nächsten Tag vergessen...
Sollte sie wirklich an einem solchen Ort leben?
Einige Soldaten liefen über den großen Platz vor Theos Zelt und warfen Seraja neugierige Blicke zu. Als ihr Blick den eines Mannes kreuzte, senkte sie ihre Augen zu Boden und starrte die kleine Karte an, die Theo ihr gezeichnet hatte.
Sie wollte diese Menschen nicht anblicken. Ihnen war nämlich ebenso wenig wie diesem Platz anzusehen, was sie bisher getan hatten und das machte Seraja Angst.
Das Elfenbeinmächen wandte sich nach links und lief los.
Sie musste einige Zeit die Hauptstraße hinuntergehen, dann in eine Zeltreihe auf der rechten Seite einbiegen und sich nach dreiundzwanzig Zelten wieder nach links wenden. Je weiter sie sich vom Hauptplatz – Seraja vermutete einfach, dass der Platz vor dem Kommandantenzelt eben dies war – wegbewegte, desto weniger Menschen begegnete sie.
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Elfenbeinmädchen
Science FictionSie legte ihren Finger an den Abzug und richtete die Waffe auf den Oberkörper des Fremden. Der Mann begann in den wenigen Sachen zu wühlen, die es hier gab. Als er direkt unter Seraja bei den Rucksäcken angekommen war, war ihre Furcht entdeckt zu we...