Die Welt war weiß und herrlich wie Wolken. Regelrecht verzaubert schienen die gigantischen Türme zu sein, während die ebenso hellen Bewohner dazwischen umherliefen. In Eboris gab es nur den Fußweg für die Bewohner, da niemand bevorzugt wurde und Ressourcen immer gespart werden mussten. Und so groß war die Kuppel nun auch wieder nicht. Das einzige Fahrende waren die Schneeräumgeräte und Kettenraupen, die dafür sorgten, dass die Straßen begehbar waren.
Da die meisten Leute sowieso im Turm oder in der Nähe des Turms ihres Arbeitsplatzes angesiedelt worden waren, hatten nur die wenigsten wirkliche Strecken gezwungener Maßen zu laufen. Die wichtigsten Ausgabestellen für Kleidung, Medizin und Essen waren zumeist auch in angenehmer Nähe zu jeder Person.
Frierend und mit zu viel Schnee im Haar, kam Seraja im Mutterturm an. Nachdem sie die weiße Tür hinter sich geschlossen hatte, wurde sie von schlichter, hellblau getünchter Wärme empfangen, die von den Wohnungen zu beiden Seiten auf den halbwegs breiten Gang strahlte.
Drei Türen – zwei für Wohnungen, eine für den Fahrstuhl – waren zu erkennen und eine mittelbreite Wendeltreppe, die sich um den Fahrstuhlschacht rankte und die Stockwerke miteinander verband. Fenster an beiden Enden des Gangs beleuchteten das Innere des Turms und ließen damit zu, dass die Lampen fast nur in der Nacht gebraucht wurden.
Die Leibwächterin betrat kurz nach ihr den Turm, so als wäre sie ein Schatten. Sicherlich hatte Levana den Bodyguardtrupp beauftragt, Seraja niemals ganz alleine zu lassen. Nicht am Vortag eines so wichtiges Datums.
Seraja beeilte sich in den Fahrstuhl zu steigen. Sie wollte niemandem begegnen und der Mutterturm war gut besucht, weil hier verschiedene offizielle Hilfsstellen beheimatet waren.
Als sie zusammen mit der Leibwächterin im Aufzug stand und darauf wartete, dass die Maschinerie ansprang, fuhr ihr Blick über die vielen Schilder, die aufzählten, was oder wer in jedem Stockwerk zu finden war. Die Sorella Matris bewohnte das oberste Stockwerk, das auch zum Teil als Zeremonienraum ausgebaut war, in dem Stockwerk darunter wohnte Levanas Harem. Die Kinderzimmer waren auch dort gelegen. Ob Seraja ihre Halbbrüder besuchen sollte?
Seraja selbst wohnte ein Stockwerk tiefer gegenüber der Leibwächterwohnungen.
Sie bewohnte ein Schlaf- und ein Wohnzimmer.
Endlich bewegte sich der Aufzug, überwand ruckelnd Stockwerk für Stockwerk und endete schließlich im Harem. Dieses Stockwerk war das einzige ohne Gang, da alle Räume nebeneinander lagen und das Kinder-/ Wohnzimmer alle miteinander verband. Gleichzeitig war es auch der Raum, den man als erstes betrat, wenn man aus dem Lift stieg.
Zwei gutaussehende, recht junge Männer saßen auf der großen, flauschigen, roten Couch, lasen und strickten.
Zwei kleine Jungs spielten zu ihren Füßen miteinander. Die hellgrüne Haremskluft hob sich deutlich von dem roten Sofa ab und die goldenen Ohrringe, die die beiden eindeutig als verheiratet auswiesen, glitzerten im elektrische Deckenlicht.
Die zwei Männer waren wie ihre Söhne Zwillinge und bewohnten, zusammen mit Serajas Vater Firros und einigen anderen, die Haremszimmer. Der Wohnraum war gemütlich dekoriert, mit Holz ausgelegt und in einer moosigen Farbe gestrichen.
„Wisst ihr wo mein Vater ist?" fragte sie ruhig. Ihre Fassung hatte sie auf dem Weg nach oben wiedererlangt.
Die Leibwächterin stand etwas im Hintergrund.
„Er ist, glaube ich, in der Bibliothek." antwortete Kan – oder zumindest glaubte Seraja, dass es Kan war – mit freundlicher, aber etwas besorgter Stimme. „Liebes, ist dir nicht kalt? Du siehst aus, als wärst du gerade ohne Mantel durch den Schneesturm gerannt! Kann ich dir etwas bringen? Vielleicht einen Tee? Deine Lippen sind ganz blau..." Er legte das Strickzeug neben sich auf das Sofa und machte sich daran aufzustehen.
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Elfenbeinmädchen
Science FictionSie legte ihren Finger an den Abzug und richtete die Waffe auf den Oberkörper des Fremden. Der Mann begann in den wenigen Sachen zu wühlen, die es hier gab. Als er direkt unter Seraja bei den Rucksäcken angekommen war, war ihre Furcht entdeckt zu we...