Elfenbeinmädchen

Schönheit tötete das Biest. - Part 4

Überraschender Weise gelang es ihr zu den Zellen zurückzufinden ohne sich groß zu verlaufen. Sobald sie da war, drückte sie den ungeduldig wartenden Wachen den Eintopf in die Hände.

„Hat ja ganz schön lang gedauert!" brummte das Rattengesicht missmutig und fing sofort an sich die Flüssigkeit mit dem beigelegten Löffel in den Mund zu schaufeln.

„Sei doch nicht so unfreundlich, Nat..." sagte der Riese schleppend und blickte dabei zu Boden. Er wirkte nicht gerade selbstbewusst, seiner Größe zum Trotz. Die Schüchternheit des Großen ließ sie schlagartig erkennen, was die ganze Zeit vor ihr gewesen war. Die zwei Wachen waren kaum älter als sie. Vielleicht ein oder zwei Jahre, wenn überhaupt. Das Gesicht des Riesen war nicht plump, wie sie angenommen hatte, sondern noch ein wenig kindlich. Über seinen Zügen lagen noch Reste von Babyspeck.

„Halts Maul, Pete." sagte Nat ganz auf sein Essen konzentriert. Also war Pete still und folgte Nats Beispiel.

Die Zwei ließen sich zu Boden sinken und aßen im grauen Staub ihre Portion.

Etwas unschlüssig stand Seraja ein wenig abseits. Sie wollte nicht runter gehen und in der Dunkelheit essen, aber sie wusste nicht, ob die Wachen damit einverstanden waren, wenn sie hier blieb.

„Willst du nicht zu deinen Freunden?" unterbrach Nats unangenehme Stimme sie in ihren Gedanken. „Ihr habt euch doch sicher etwas zu erzählen!" Er lachte dreckig auf, verstummte aber sofort wieder und schmatzte laut.

Pete warf ihr einen Blick zu, der an eine Entschuldigung erinnerte, aber als er sah, dass sie ihn sah, drehte er den Kopf mit roten Wangen zurück.

Seraja starrte Nat wütend an. Vielleicht war er gestern Nacht dabei gewesen... Wollte sie überhaupt in der Nähe einer solchen Kreatur essen?

„Meine Freunde wollen nichts mehr mit mir zu tun haben, weil ihr mich gestern Nacht nicht wie sie vergewaltigt habt. Sagt mal, sieht denn keiner von euch Männern" Sie spuckte das Wort aus wie eine Beleidigung. „eure Mütter oder Schwestern, eure Freundinnen oder Geliebte vor euch, wenn ihr uns das antut? Habt ihr wirklich vergessen, dass ihr ein Leben vor alldem hattet? Habt ihr jegliche Liebe vergessen, die ihr jemals empfunden habt für eine Frau? Habt ihr vergessen, dass Frauen euch das Leben geschenkt haben? Was genau gibt euch die Sicherheit die Schwestern und Mütter und Freundinnen von anderen Menschen zu vergewaltigen und dabei keinen einzigen Gedanken an die Frauen in eurem Leben zu verschwenden? Wollt ihr, dass ihnen dasselbe zustößt? Wenn nein, dann hört auf damit! Nur weil ihr einen Penis habt, bedeutet das nicht, dass ihr jedes lebendige Lebewesen damit begatten müsst! Es wird euch rein gar nichts bringen, wenn ihr diese Mädchen vergewaltigt. Nichts außer ihren Hass und die Erinnerung an ihre Schreie, die euch in euren Träumen heimsuchen wird. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber irgendwann wird sie kommen. Wollt ihr wirklich die Monster sein, die alle behaupten in euch zu sehen?" Sie war immer lauter geworden im Laufe ihrer Rede und nun brüllte sie die zwei Wachen inbrünstig an.

Als sie endete bereute sie nichts, auch wenn die zwei sie nun anstarrten, als wäre sie eine Verrückte. Vermutlich würde das Konsequenzen haben, aber ihr war das egal. Was machte es schon für einen Unterschied?

„Wir haben keine Frauen, die wir geliebt haben. Und wir haben keine Erinnerungen an unsere Mütter. Man hat uns wie alle anderen Waisen auch als Zweitgeborene behandelt, uns Liebe verwehrt und uns in den Krieg geschickt, sobald das ging. Deine Rede würde nicht anschlagen, wenn es etwas zum anschlagen gäbe." Pete sprach leise, aber deutlich und hatte seinen Blick auf die leere Schüssel gerichtet.

Seraja starrte ihn genau wie Nat an.

Pete hatte gerade viele Informationen in wenigen Sätzen preisgegeben. Er hatte ihr erzählt, dass Nat und er Waisen waren, dass sowohl Waisen, als auch Zweitgeborene ziemlich lieblos behandelt wurden in Nigolor, dass Waisen genau wie Zweitgeborene in den Krieg geschickt wurden und dass die zwei Soldaten vor ihr die Elfenbeinmädchen noch nicht vergewaltigt hatten. Letzteres ließ spekulieren, dass es bei den Mädchen wohl nach der Hierarchie ging und da die zwei Gefängniswärter nicht sonderlich hoch in eben dieser standen, waren sie noch nicht an Serajas Leute herangekommen.