Niemals war mehr Anfang als jetzt - Part 2

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Sobald die Tür aufglitt und die zwei Bodyguards zur Seite getreten waren, blitzte ein unglaublich strahlendes Lächeln auf Levanas Gesicht auf, das von einer kurzen Bobfrisur umgeben war. Die Lippen von Serajas Mutter waren nur dezent gerötet durch einen Pflegestift, ansonsten befand sich keinerlei Make-up in ihrem Gesicht. In Eboris war es nicht üblich, dass Frauen sich für Geschäftliches schminkten. Dort waren es die Männer, die schön aussehen mussten und es waren auch die Männer, die in den Harems der reichen Frauen lebten, während diese ihre Geschäfte tätigten.

Das sah in Nigolor anders aus.

Hier hatten die Männer das sagen, verdienten das Geld und die Frauen mussten hübsch sein. Noch dazu wurde Monogamie hier groß geschrieben und es war Frauen untersagt mehr als einen Mann zu haben, was Seraja missfiel. Sie wollte ihren Harem nicht aufgeben.

Vor den Bündnisverhandlungen hatte sie beinahe darauf hingefiebert dem Brauch der Haremsbildung nach der Losziehung nachzugehen. Jetzt hatte sich alles verändert und sie war unfreiwillig mit einem Zarensohn verlobt, der seit seiner Geburt dazu bestimmt war diese Kuppel zu führen, ohne, dass irgendjemand wusste, ob er dafür geeignet war. In Eboris lief das anders ab. Die sogenannte Sorella Matris, also die religiöse und weltliche Herrscherin über die Stadt wurde von allen freien Frauen innerhalb der Kuppel gewählt und auf restliche Lebenszeit legitimiert, auch wenn jederzeit vom Rat der Mutter Veto eingelegt werden konnte, wenn dieser mit einer Entscheidung nicht zufrieden war. Die Sorella Matris konnte auch abgesetzt werden, wenn das nötig war, mit einer Zweidrittelmehrheit im Mutterrat.

Seraja fand dieses System wesentlich sinnvoller, als das monarchische.

Hinter der Tür erschien ein dicker, kleiner Mann mit schwarzen Haaren und einer Halbglatze. Seine fleischigen Gesichtszüge zierten ein an den Enden geringelter, dunkler Schnauzer und kleine Schweinsäuglein, deren Iriden ihr feuerrot entgegenblitzten. Er war gekleidet in einen Smoking aus blauem Samt mit goldenen Stickereien und das Gesamtbild wurde von einer goldenen Krone, die von silbernen Schlieren durchzogen war und einige Diamantsplitter in unregelmäßigen Abständen beinhaltete, abgerundet.

Kurz gesagt war dieser Anblick ziemlich skurril, vor allem, weil Serajas Mutter dem dicken Mann ihre feingliedrige, weiße Hand hinhielt und den Kopf ein wenig senkte, während sie ihn lächelnd begrüßte: „Zar Theoden. Es ist mir eine ausgesprochene Freude dir zu begegnen!"

Die einzigen Personen, die die Anführer einer Kuppel duzen durften, waren die Anführer anderer Kuppeln und zum Teil die Familien der Anführer – das hing allerdings von der vorherrschenden Kultur innerhalb er Kuppel ab. Ihre Mutter wollte damit ziemlich sicher betonen, dass sie gleichgestellt mit Theoden war und bei den abschließenden Verhandlungen nicht nachgeben würde.

„Sorella Matris Levana! Es ist mir eine Ehre!"

Theoden fasste mit seinen fleischigen Händen nach den Fingern von Levana und hauchte ihr überraschend elegant einen Kuss auf den Handrücken.

Der korpulente Zar brachte sich wieder in eine stehende Position und schwenkte seinen Kopf von Levana zu Seraja.

„Und da ist sie! Meine zukünftige Schwiegertochter!" rief er mit einem breiten Grinsen aus und presste eben jene an seinen weichen Körper, bevor sie auch nur noch einmal blinzeln konnte. Seraja wurde von dem Geruch nach Schweiß und einem sicherlich unnützen, ziemlich seltsam nach schwarzem Pfeffer und Moschus riechenden Parfum eingehüllt, was ihr noch weniger gefiel als die plötzliche Berührung des ihr völlig fremden, auf den ersten Eindruck hin abstoßenden Mannes.

Da sie wie eine Salzstatue dastand und die Umarmung weder erwiderte noch den alten Mann von sich stieß, begann ihre Mutter dezent zu gestikulieren, damit Seraja etwas angemessenes sagte und den Zar nicht beleidigte.

ElfenbeinmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt