Und manchmal gewinnen sie.-Part 1

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Blinzelnd öffnete Seraja ihre von Tränen verklebten Augen.

Ihr kompletter Körper war verspannt und ihre Kehle wund.

Im ersten Augenblick konnte sie nicht erkennen, wo sie sich befand, aber sobald ihre Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, wurde es ihr klar.

Sie saß von einem schwarzen Gurt gehalten an der Wand eines Militärfahrzeugs.

Das Elfenbeinmädchen hob ihre Hände und rieb sich den Schlaf aus den Augen.

Sie waren ungefähr zu zwanzigst in dem Auto, wovon einige wohl schon länger wach waren und nun mit leerem Blick an die gegenüberliegende Wand starrten. Andere erwachten erst langsam, wie Seraja selbst. Die meisten Leute in dem Wagen waren ihr unbekannt, aber schräg gegenüber erblickte sie die Grünäugige.

Sie wirkte nicht mehr allzu verschlafen, darum fragte Seraja sie: „Wie lange fahren wir schon?"

Das Auto fuhr über holprigen Grund und bei jedem Stein wurden die Insassen hin - und hergeschleudert.

„Ich weiß es nicht. Aber seit ich aufgewacht bin, dürften schon ein paar Stunden vergangen sein." murmelte das Mädchen, sobald sie realisiert hatte, dass Seraja sie angesprochen hatte.

Ihrer Mutter zufolge waren sie auf dem Weg nach Nigolor. Es musste also niemanden wundern, dass schon so viel Zeit vergangen war. Wahrscheinlich war sogar noch wesentlich mehr Zeit vergangen, da in die erste Genmischung meist Schlafmittel gemischt wurde, damit die neuen Soldaten ohne Probleme in das jeweilige Lager transportiert werden konnten.

„Wie heißt du?" fragte Seraja weiter. Sie musterte die Grünäugige. Das Mädchen war wirklich unglaublich dünn. Beinahe ausgemergelt.

„Ich bin Di." erklärte sie. Ein zaghaftes Lächeln stahl sich auf Dis Gesicht.

„Ich bin Seraja." erwiderte Seraja und lächelte zurück.

„Ich weiß, wer du bist. Ich glaube, jeder hier weiß, wer du bist. Dein Kleid..." Di war immer leiser geworden, während sie sprach und brach nun mitten im Satz ab. Vermutlich fürchtete sie, dass sie Seraja an die missglückte Hochzeit erinnerte.

Seraja blickte an sich hinab. Das ehemals weiße Dekolletee ihres Hochzeitskleid war nun gelblich gefärbt. Der Rock war zum Teil zerrissen und die kleinen Ziersteine waren abgefallen. Dreck hing an dem Stoff und Staub hatte sich überall festgesetzt.

„Weißt du, ob das Bündnis auch ohne die Hochzeit zustande kommt?"

„Ich denke schon. Sonst würden wir nicht nach Nigolor fahren." antwortete Di.

„Was denkt ihr, erwartet uns dort?" mischte sich plötzlich die Sklaventochter ein, die als zweites gezogen worden war. Sie saß rechts neben Seraja. „Du kennst doch die Bewohner von Nigolor, Seraja. Wie sind sie? Wie ist die Gesellschaft dort?"

Die Sklaventochter war wohl praktisch orientiert und wollte möglichst viele Informationen über die neue Welt sammeln in die sie gebracht wurde.

„Nigolor ist... anders als Eboris. Dort ist man sehr höflich und traditionsorientiert. Und Frauen ... beschützt man eher, als dass man ihnen Macht zukommen lässt." erzählte Seraja.

„Gibt es Frauen in der nigolorischen Armee?" fragte die Sklaventochter weiter.

Seraja dachte einen Moment angestrengt nach, aber dann schüttelte sie den Kopf: „Soweit ich weiß: Nein..."

Kurz blickten die drei Mädchen sich an und schwiegen daraufhin. Das konnte nichts Gutes bedeuten...

In aller Stille ruckelte das Auto über die holprige Straße. Über Stunden hinweg hörte man wenn überhaupt nur kurze Gesprächsfetzen, die Sitznachbarn miteinander austauschten.

ElfenbeinmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt