Niemals ist vergänglich.

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Es war ungewöhnlich kalt, obwohl die Türme brannten.

Die Welt der Elfenbeinkinder stand in Flammen. Heiße, helle Flammen, die alles verzehrten, was sich ihnen entgegenstellte.

Zu Anfang waren es nur die Turmspitzen, die wie Fackeln in der Dunkelheit standen und die Nacht nach und nach vertrieben.

Zu Anfang fielen noch Schüsse gegen die Eindringlinge, die Eroberer, die Zerstörer, aber diese Geräusche verstummten schnell.

Danach waren nur noch die Schreie und das Knistern zu hören, das über die Ebene von Serajas Heimat hallte.

Wie ein Wespenschwarm fielen die Armeen der eborianischen Feinde in Serajas Heimat ein und begannen zu töten, was noch lebte und zu plündern, was nicht brannte.

Da sie das Vorgehen in Aquarius selbst miterlebt hatte, folgte Seraja den Soldaten erst, nachdem die ersten Häuser bereits besetzt worden waren.

Alles stank nach Blut und Rauch, als sie ihr Zuhause betrat.

Niemand achtete so recht auf sie, weil niemand einen Elfenbeinmenschen inmitten der Dämonen vermutete.

Kein Elfenbeinmensch war auf den Straßen zu sehen. Zumindest kein lebender. Nur einige Tote lagen auf dem Boden und wurden nach und nach von Schnee bedeckt.

Kinderstimmen, die nach ihren Eltern schrien, mischten sich mit Kriegsgebrüll.

Auch wenn die Stimmen leise waren, erhoben sie sich von dem Lärm ihrer Umgebung.

Es war kaum zu beschreiben, was für ein Gefühl es auslöste ein hoffnungsloses Kind zu hören.

Diese kleinen Menschen, die ihr gesamtes Leben vor sich hatten, schrien nicht lange.

Es brauchte nicht viel Kraft um ein Kind zu ermorden. Es brauchte nicht viel Kraft um einem Volk die Zukunft zu nehmen.

Eigentlich wusste Seraja nicht so recht, weshalb sie das tat, wieso sie hier war und nicht an jedem anderen Ort auf diesem verdammten Planeten.

Während um sie herum allerlei Schätze aus den Türmen getragen wurden und die Feuer sich ihren Weg nach unten bahnten um die Leichen ihrer Bewohner zu Staub zu zermalmen, schlug Seraja im Schatten ihrer Heimat unbewusst den Weg zum Dom ein.

Ihre Füße trugen sie aus einem tiefen Drang heraus dorthin. Der Drang war undefiniert, aber vielleicht war es um wenigstens noch einmal die Allmutter um sich zu spüren oder es war um wenigstens noch einmal ihre eigene Mutter zu sehen. Ob tot oder lebendig war egal, aber Seraja wusste, dass Levana dort sein würde.

Die Sorella Matris würde ihren Tempel in Zeiten der Not nicht verlassen. Auch nicht um mit ihrer Familie zusammen zu sein.

Seraja würde mit ihrer Heimat untergehen. Das war der Grund, wieso sie hier war. Zumindest war das der erste Gedanke, den sie beim Anblick des Doms empfand.

Das Gebäude stand klein inmitten der Türme, wie ein Zwerg unter Riesen, aber es brannte nicht.

Der Platz war leer, weil die Plünderung fast vorbei war. Die Soldatenscharen waren bereits auf dem Rückweg zum Lager um später die Zelte abzubauen und die Beute bei ihren Herrschern wie die willigen Hunde, die sie waren, abzuliefern.

Die breiten, langen Stufen der Treppe waren mit rötlichen Fußstapfen bedeckt. Die Tür zum Dom stand halb auf. Blut und Weihrauch quoll hervor und verpasste der Umgebung einen eigenartigen Duft.

Seraja schritt darauf zu und stieß die Tür auf, die augenblicklich von einem kopflosen Torso gestoppt wurde, den Seraja erst sah, als sie durch den sich ergebenden Spalt gelaufen war und ihre Augen sich an das Licht der Feuer gewöhnt hatten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 09, 2020 ⏰

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