Eine Stadt bauen - Part 1

737 67 18
                                    

„Membrandurchquerung erfolgreich. Auf dem Weg über die Hauptstraße. Over."

Die harte Frauenstimme drang laut aus dem Funk von Levanas Bodyguard. Tiera hatte sich in militärfarbener Kleidung hinter ihrem Schützling aufgestellt und wies die übrigen Leibwächterinnen an, wo sie sich aufstellen sollten. Alle Bodyguards von Serajas Mutter waren in einem militärischem Stil gekleidet. Das hatte ihre Mutter wohl angeordnet um Stärke zu signalisieren. Die Stärke eines Staates, der von Frauen geführt und beschützt wurde. Die Stärke eines Staates, der den anderen Kuppeln in nichts nachstand.

Im Gegensatz zu den anderen Leibwächtern hatte Waron das übliche Grau am Körper. Als sich Seraja kurz zu ihm umwandte, lächelte er ihr beruhigend zu und deutete ihr sich wieder zur Tür zu drehen.

Seraja trug himmelblaue, gut gefütterte Kleidung, deren Farbton dem der Wände ähnelte. Sie stand mit der Sorella Matris, einigen Mitgliedern des Rats der Mutter und eben den vielen Leibwächtern in der Eingangshalle der Gemächer der Sorella Matris. Seraja wusste, dass es durch die kleine, unscheinbare Tür rechts von ihr zu dem Schlafzimmer ihrer Mutter ging. Alle anderen Zimmer waren entweder für Zeremonien oder offizielle Geschäfte gedacht.

In wenigen Minuten würden die Oberhäupter Nigolors eintreffen und hier begrüßt werden.

Heute war der Tag der Loswahl und somit Serajas Hochzeitstag.

Sie konnte sich ganz genau vorstellen, was ihr Verlobter gerade zu sehen bekam, falls er durch die Fenster des Schutzautos blickte. Jetzt würde er gigantische Häuserschluchten sehen, die er durchquerte. Zu allen Seiten würden Straßen abgehen, die sich zwischen monströsen, runden, weißen Türmen hindurchschlängelten. An den Straßenrändern würden glitzernde Schneeberge liegen, deren unschuldiges Weiß durch die schwarzen Schlammspuren der nigolorischen Autos durchbrochen wurde. Mit Nigolor vor seinem inneren Auge musste sich Theon wie in einer anderen Welt fühlen. Wie in einem übergroßen Albinobambuswald, der von Glasfenstern durchzogen war. Da sowohl die Menschen, als auch die Pflanzen in dem Inneren der Türme Licht wollten und brauchten, waren oft gigantische Glasfronten in die einzelnen Stockwerke eingelassen worden durch die man in die Zimmer des Elfenbeinvolks blicken konnte. Jedoch war von den Bewohnern der Kuppel selbst wenig bis gar nichts zu sehen, da es nur wenig Menschen gab, die außerhalb der beheizten Türme arbeiteten wegen der fast immer deutlich unter Null liegenden Temperaturen der Umwelt.

Seraja hoffte, dass die Leute aus Nigolor die Kälte bei ihrer Kleiderwahl bedacht hatten.

Die Zeit verstrich, die Anwesenden beruhigten sich und als schließlich der erste Schub der nigolorischen Delegation mit dem Zar und seinem Sohn aus dem etwas ältlichen Lift stieg, erwarteten der Rat der Mutter, die Sorella Matris und ihre Tochter die Neuankömmlinge erhobenen Hauptes mit würdevoller Haltung.

Es dauerte fünf Liftfahrten bis endlich alle Nigolorer in der Eingangshalle standen.

Der Hof, den die Zarenfamilie mitgenommen hatte, war klein. Er bestand nur aus der Familie selbst und den Hofdamen der Frauen, sowie einigen Dienern und Kanzlern der Männer. Natürlich hatten auch sie Bodyguards dabei, aber diese hielten sich eher im Hintergrund.

Gemächlich schritt der dicke Zar mit seiner herrischen Zarin auf die Sorella Matris zu, nahm Levanas Hand und hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken.

„Es freut mich wirklich außerordentlich dich wiederzusehen! Und diese wunderbare Stadt... Hach. Himmlisch. Und so vollkommen anders, als meine Heimatkuppel. Und heute ist der große Tag, nicht wahr?" Der Zar drehte sich zu seinem Sohn und meinte: „Begrüße doch endlich deine Zukünftige! Also wirklich, Theon... So wurdest du nicht erzogen!"

ElfenbeinmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt