Kapitel 3

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June hörte alles wie durch Watte. Jacks Stimme drang von weit her zu ihr. Sie schloss die Augen, als sich ein weißer Schleier über ihr Sichtfeld legte. „Vertraue dem Licht...dem Licht...dem Licht...", hallte es in ihrem Kopf wieder. Die Stimme war sanft und klar. Doch da war noch eine weitere Stimme. „Lass mich ein...lass mich ein." June fühlte sich wie in einem Sturm. Ihre Gedanken wirbelten in ihrem Kopf herum. „Lass mich ein!", forderte die zweite Stimme erneut, diesmal eindringlicher und fordernder. Etwas zog an June. An etwas tief in ihr. June verdrehte die Augen und ihr Kopf sank krachend auf die Tischplatte. Sie hörte ein kehliges Lachen, welches ihr durch Mark und Bein ging.

Jack ließ sein Brot fallen und starrte geschockt auf June, deren Kopf hart auf der Tischplatte aufgeschlagen war. „June!" Er rüttelte an ihren Schultern, doch sie reagierte nicht. Er sprang auf und wollte June gerade vom Stuhl ziehen, als sie ihren Kopf zu ihm drehte und ihn aus leeren Augen anstarrte. „Hallo Jack." Das war nicht June, die dort zu ihm sprach. Die Stimme war dunkel und erstickt. Jack war wie erstarrt. Was passierte dort mit seiner Schwester? June setzte sich auf und griff nach Jacks Hand. "Lass mich ein." Ein Stoß ging durch Jacks Körper und er spürte, wie etwas an ihm zog. Er wusste nicht was geschah. Langsam verdunkelte sich sein Sichtfeld. „Lass ihn nicht in deinen Geist kommen, Jack! Verschließe dich!", ertönte eine Jack wohlbekannte Stimme. „Mum...", flüsterte er. Plötzlich durchfuhr ihn ein Stoß, der ihm neue Kraft verlieh. Er riss sich von Junes Hand los und schlagartig konnte er wieder klar sehen.

„June! Verschließe dich! Wehre dich!", schrie Jack und rüttelte June weiterhin an den Schultern. „Verschließ dich! Hörst du mich?! Ich bin hier!"

Jacks Stimme klang dumpf an Junes Ohr. „Verschließe dich." Sie versuchte das Etwas was an ihr zerrte mit ihren Gedanken zur Seite zu schieben. „Raus aus meinem Kopf!", schrie sie. Ein bösartiges Lachen hallte durch ihren Kopf, bevor sie sich in der Realität wiederfand. Sie schaute in Jacks grüne Augen, die sie besorgt musterten. „June", sagte er erleichtert.

„Was war das?", fragte June. Ihre Stimme bebte und sie zitterte am ganzen Körper. „Ich...ich war nicht ich selbst...da war etwas in mir". Sie schluckte. Jack strich ihr beruhigend über den Arm. „Es ist vorbei June...es ist vorbei.", flüsterte er sanft. „Etwas stimmt hier nicht...". June schluckte erneut. „Etwas stimmt mit mir nicht." Jack schaute sie an. „Etwas stimmt mit uns nicht.", sagte er entschieden, „Diese Ding wollte auch von mir Besitz ergreifen." June zitterte immer noch. „Ich habe Angst Jack.", sagte sie leise.

„Ich weiß, aber es ist vorbei und es wird nicht noch einmal passieren.", versprach Jack und lächelte schwach, „Das Ding ist weg." June nickte und doch konnte sie dieses Gefühl der Angst nicht vertreiben. Etwas sagte ihr, dass dies noch nicht alles gewesen sein konnte.

Das schrille Geräusch der Türklingel ließ die Geschwister zusammenzucken. „Ich gehe schon.", sagte Jack und stand auf. June nickte. Sie hatte sich inzwischen wieder etwas beruhigt. Aus dem Flur hörte sie eine bekannte Stimme. Ihr Herz machte einen Sprung und sie atmete tief durch, bevor sie ebenfalls zur Tür ging. Im Türrahmen stand ihre gemeinsame Freundin Robin, ihr Skateboard unter den linken Arm geklemmt und lachte gerade über etwas das Jack gesagt hatte. Sie drehte sich gerade zu ihr, als sie aus der Küche kam. „Cooler Pullover June.", sagte sie und lächelte sie an. „Danke.", sagte June und umarmte ihre Freundin, wobei sie sich zu einem Lächeln zwang. „Happy Birthday Maus." Jack stand mit verschränkten Armen daneben. „Kriege ich keine Geburtstagsumarmung?", fragte er gespielt gekränkt.

Robin lief kaum merklich rot an und umarmte Jack nach kurzem Zögern. Jack schloss die Augen, als Robin ihn umarmte. Am liebsten hätte er sie nie wieder losgelassen, seine Hand in ihren roten Haaren vergraben..., doch sie war nur eine Freundin und nicht weiter.

Robin löste sich von ihm und schaute von ihm zu June. „Wollen wir los?", fragte sie. „Wir holen noch eben unsere Taschen.", meinte Jack und zog June mit sich nach Oben. Oben angekommen hielt er sie fest und flüsterte: „Kein Wort über das was mit uns passiert ist.", sagte er eindringlich. June schaute ihn perplex an. „Sie ist meine beste Freundin. Warum sollte ich ihr etwas verheimlichen?", fragte sie leise. Jack seufzte. „Mum hat gesagt, dass wir nicht wissen wem wir trauen können." June nickte langsam. „Okay..." Jack ließ sie los.

Kurze Zeit später standen sie wieder unten und verließen das Haus. Nun gingen sie die Straße entlang. Robin rollte auf ihrem Skateboard neben den Zwillingen her. „Habt ihr was für heute Nachmittag geplant?", fragte Robin. Die Geschwister sahen sich an. „Eigentlich nicht...", setzte Jack an. „Wir wollten vielleicht mit dir, Aiden und Dean zum See und picknicken. Was hältst du davon?" Robin klatschte begeistert in die Hände. „Finde ich super! Bei uns gibt es eh nur ekeliges Zeug zum Mittag. Ich bin dabei!"

„Dann abgemacht.", meinte Jack und schaute zu seiner Schwester. June hatte die ganze Zeit geschwiegen. „June?" June schaute auf. „Hmm? Ja... finde ich gut." June machte sich im Moment gar keine Gedanken über ihr späteres Treffen. Ihre Gedanken schweiften um den Vorfall. Irgendwas passierte hier. Etwas, was man sich nicht so einfach erklären konnte. Ihr ganzes Leben hatte sie über übernatürliche Dinge gelesen, doch, dass sie nun ein Teil davon war, machte ihr Angst.

Clairvoyance- Zwillinge Der Hellsicht| #Wattys2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt