Kapitel 13

319 31 19
                                    

Der Mann hastete den Gang entlang, dessen Decke von hölzernen Pfählen gestützt wurde. Seine lange Kutte schleifte hinter ihm her, lautlos wie ein Blatt im Wind. Sein Gesicht war im Schatten seiner Kapuze verborgen und er hatte den Blick gesenkt. Am Ende des Ganges zog er die schwere Metalltür auf, die kurze Zeit später krachend hinter ihm ins Schloss fiel.

Er stand nun in einem kreisrunden Saal, der von großen Kerzenleuchtern erleuchtet wurde. Die Flammen der Kerzen flackerten gespenstisch und warfen dunkle Schatten auf die Wände. Diese waren nach hundertjahrelanger Beleuchtung mit Kerzen stark verrußt und sogar die Decke war unter dem dunklen Ruß gar nicht mehr zu erkennen und verschwand in der Dunkelheit. Nervös schaute der Mann sich um. Als eine weitere Person in einer roten Kutte aus dem Schatten trat, zuckte der Mann zusammen und schloss kurz die Augen.

„Sie haben mich erschreckt Sir.", sagte er nervös. Der Mann in der roten Kutte kam näher auf ihn zu und schob die Kapuze zurück. Darunter kam das Gesicht eines älteren Mannes zum Vorschein, umrahmt von filzigen grau-braunen Haaren. Auf seiner linken Gesichtshälfte prangte ein großes Brandmahl. „Simon,", sagte er mit einem Grinsen, welches seine gelblichen Zähne zum Vorschein brachte. „Simon, schön Sie zu sehen. Setzen Sie sich und berichten sie mir von den Clairvoyance Zwillingen.", sagte er und deutete auf einige Tische am anderen Ende des Saales über denen ein großes Gemälde eines alten Mannes hing, der streng seine Hände übereinandergeschlagen hatte und starr und leblos geradeaus schaute.

Der Mann in der roten Kutte ließ sich in einem der, aus holzgeschnitzten, Stühle nieder und faltete seine Hände, sodass er dem Mann auf dem Portrait verblüffend ähnlichsah. „Also Simon, was gibt es Neues?"

Simon Kingston setzte sich dem alten Mann gegenüber und legte seine Hände unsicher in den Schoß. „Alles läuft wie nach Plan Sir.", sagte er. Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Mannes in der roten Kutte aus. „Großartig, also können wir jetzt mit unserem Plan beginnen.", sagte er und rieb sich die Hände, „Hat Corvin alles zusammen was er braucht, um das Ritual durchzuführen?"

„Ja, Sir. Nur die Opfergaben fehlen noch.", sagte Simon. Der Mann in der roten Kutte grinste. „Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Darum wird sich der junge Savigen kümmern." Simon biss sich auf die Zunge, aber er konnte die Frage nicht zurückhalten. „Wieso setzen wir nicht einige unserer Männer darauf an?" Der Mann in der roten Kutte schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Simon zuckte zusammen.

Der Mann erhob sich halb vom Stuhl und beugte sich über den Tisch zu Simon. „Wir setzen unsere Männer nicht darauf an, weil Alexander Savigen es so angeordnet hat.", zischte er, „Er ist sich sicher, dass es keinen besseren dafür gibt, als seinen Enkel, meinen Sohn." Simon schluckte und nickte.

Der Mann lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück und Simon atmete erleichtert auf. „Außerdem wird niemand einen Jugendlichen verdächtigen, wenn er nachts noch durch die Stadt läuft. Uns würde man skeptisch beobachten."

„Und was ist, wenn er mit seinen Freunden redet und diese warnt? Das könnte alles gefährden", gab Simon Kingston zu bedenken. Der Mann in der roten Kutte lachte erneut. „Er wird nichts sagen, dafür wird unser Anführer sorgen."

„Wie kann er das sicher stellen? Er ist ein Geist.", murmelte Simon leise, eher zu sich selbst, doch der Mann hatte ihn gehört. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und auf seiner Stirn bildeten sich Falten. „Zweifelst du an seiner Autorität.", zischte er und sah Simon verärgert an. Dieser schüttelte sofort den Kopf. „Nein Sir, natürlich nicht."

Der Blick von Simons Vorgesetzten entspannte sich etwas. „Ist auch besser so und, um deine Frage zu beantworten, um die Kontrolle von Alexander Savigen über meinen Sohn sicherzustellen, hat Corvin seine alte Taschenuhr mit Seelensplittern von unserem Meister versehen. Wenn Aiden sie trägt hat mein Vater die volle Kontrolle über ihn."

Simon biss sich auf die Lippe und fragte dann: „Haben sie ihn gesprochen?" Der Mann in der roten Kutte lehnte sich in dem Stuhl mit dem hohen Rücken zurück und hob das Kinn leicht an. Er ähnelte dem Mann auf dem Portrait nun sehr stark. „Er ist mir vor einigen Tagen im Traum erschienen und hat gesagt, dass Isabelle ihre Kinder gewarnt hätte, doch das wird kein Problem sein. Bevor Sie noch irgendwelche Zweifel äußern wollen, und ich sehe das wollen Sie, sage ich ihnen, dass Sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Die Kinder wissen nicht mit was sie es zu tun haben und, dass sie nur ein Hilfsmittel sind." Der Mann in der roten Kutte hielt kurz inne, dann bedeutete er Simon mit einer Handbewegung den Raum zu verlassen. „Gehen Sie jetzt." Simon Kingston nickte und war kurze Zeit später aus dem Raum verschwunden. Als die Tür zugefallen war, griff der Mann in die tiefe Tasche seines Umhanges und holte ein zusammengefaltetes Stück Papier heraus. Langsam faltete er es auseinander und betrachtete das Foto. Vorsichtig strich er mit den Fingern über das zerknitterte Papier und murmelte: „Bald, mein Sohn. Schon sehr bald wirst du ein Teil davon sein. Du bist ein Savigen und dafür geboren."

Clairvoyance- Zwillinge Der Hellsicht| #Wattys2020Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt